Augsburg-Pfersee

Heiligstes Herz Jesu

Anschrift Kirche
Franz-Kobinger-Straße 2
86157 Augsburg
  • Informationen
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    Anschrift Pfarramt Heiligstes Herz Jesu
    Franz-Kobinger-Straße 2
    86157 Augsburg
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    Kirchen im Süden

Jugendstil trifft Katholizismus

Mit ihrem hochaufragenden Turm bildet die Herz-Jesu-Kirche im Vorort Pfersee den Mittelpunkt des westlichen Augsburger Stadtgebiets und einen Gegenpol zum Turm der Altstadt-Basilika St. Ulrich und Afra. Außen zwar von mächtiger, aber schlichter Gestalt, beherbergt Herz Jesu im Inneren eine der umfangreichsten Jugendstilausstattungen bayerischer Kirchen. Bewusst hatte sich der Architekt Michael Kurz 1910 für eine „moderne“ Kirche entschieden. Fast visionär entwickelte er traditionelle Formen durch Elemente von Sezession und Jugendstil weiter und schuf so mit dem damaligen Pfarrer ein künstlerisch wie theologisch höchst erstaunliches Gesamtkonzept. Im Arbeiterviertel Pfersee inszenierte er die katholische Herz-Jesu-Frömmigkeit damit auch als bildreiche Speerspitze gegen den damals aufstrebenden Sozialismus.

  • Überblick
    Ort
    Augsburg-Pfersee

    Bistum
    Bistum Augsburg

    Name der Kirche
    Heiligstes Herz Jesu

    Weihe
    1910 (29. Mai)

    Architekt
    Michael Kurz

    Künstler
    Theodor Baierl, Karl Baur, Hans Bockhorni, Christoph Böhner, Blasius Gerg, Hans Miller
    Besonderheit
    Nach außen klassische Basilika, birgt der Innenraum von Herz Jesu eine der umfangreichsten Jugendstil-Ausstattungen bayerischer Kirchen.

    Nutzung
    Pfarrkirche

    Standort / Städtebau
    Der Bau erstreckt sich entlang der Augsburger Straße und markiert mit der nahen evangelischen Kirche St. Paul zugleich Fluchtpunkt und Zentrum des Augsburger Vororts. Nach dem von Peter Andreas Hansen gefertigten Baulinienplan für Pfersee sollte sich die Kirche organisch in die Straßenfluchten einfügen und damit dem Wechsel aus offener und geschlossener Bebauung und Plätzen folgen.

  • Beschreibung

    Grundriss

    Augsburg | Heiligstes Herz Jesu | Grundriss

    Augsburg | Heiligstes Herz Jesu | Grundriss

    Vom Grundriss her folgt Herz Jesu dem traditionellen Schema einer dreischiffigen Basilika mit Querhaus. Ihr Langhaus besteht aus vier Jochen, deren erstes von der Empore eingenommen wird. Es mündet in den erhöhten Chorraum mit eingezogener Apsis. Die Seitenschiffe führen in die Querhäuser, wo sie enden. Als gedachte Fortsetzung der Seitenschiffe, aber räumlich abgetrennt, schließen sich an die Querarme im Norden die Sakristei und im Süden die Marienkapelle an. Außen an diese angefügt sind zwei Treppentürme. Im Westen erhebt sich der mächtige Fassadenturm über quadratischem Grundriss und wird von zwei Treppenhäusern sowie zwei Kapellen mit kleinen Apsiden flankiert.

     

    Außenbau

    Augsburg | Heilgstes Herz Jesu | Außenbau | Foto: Daniel Greb

    Augsburg | Heilgstes Herz Jesu | Foto: Daniel Greb

    Der ockerfarben verputzte Außenbau steigert sich von Ost nach West über die Seitenschiffe samt Anbauten, die niedrige halbrunde Apsis, das etwas niedriger gehaltene Querhaus, das Hauptschiff und den Dachreiter bis hin zum 72 Meter hohen Turm. Damit entspricht die Höhe des Westturms exakt der Gesamtlänge der Kirche und verstärkt die dynamische Wirkung. Die reiche äußere Gliederung bezieht sich auf die (Neo-)Romanik, z. B. über Blendbögen an der Apsis, Biforien im Obergeschoss der Seitenkapellen oder Drillingsfenster und Wasserspeier, wirkt aber im Vergleich zu diesen stark vereinfacht. An der Turmfront befindet sich über dem Haupteingang eine 1937 angebrachte Kreuzigungsgruppe aus Muschelkalk von Karl Baur.

     

    Innenraum

    Augsburg | Heiligstes Herz Jesu | Innenraum | Foto: Daniel Greb

    Augsburg | Heilgstes Herz Jesu | Foto: Daniel Greb

    Verglichen mit dem von Osten nach Westen gesteigerten Außenbau, ist der Innenraum genau entgegengesetzt konzipiert: Wer durch das Hauptportal eintritt, geht zunächst über einen halbdunklen Vorraum im Turmuntergeschoss in den Raum unter der Empore, der das gesamte erste Joch einnimmt. Erst dann folgt der helle, weite Raum des Mittelschiffs, der über die Dynamik der Steigerung von niedrigeren Mittelschiffpfeilern und Scheidbögen zu höheren an Querhaus und Altarraum auf das Zentrum der Kirche hin orientiert ist: die Ostwand mit der Apsis und dem Fresko des thronenden Christus. Durch den angedeuteten Triumphbogen und die besonders reiche, golden unterlegte Ausmalung um den ursprünglichen Hochaltar wird dieser unweigerlich zum Höhe- und Endpunkt der gesamten Innengestaltung. Im Kleinen wird diese Orientierung auch auf dem Weg von den niedrigeren Seitenschiffen hin zum lichten Querhaus wahrnehmbar: An den gedachten Endpunkten der Seitenschiffe ist jeweils ein Altar positioniert. Mittelschiff, Querhaus und Altarraum wurden mit einer Kassettendecke überfangen, die Seitenschiffe sind überwölbt.

  • Liturgie und Raum
    Augsburg | Heiligstes Herz Jesu | Altarinsel | Foto: Daniel Greb

    Augsburg | Heilgstes Herz Jesu | Altarinsel | Foto: Daniel Greb

    Liturgisch war Herz Jesu ursprünglich traditionell auf den Hochaltar im Osten ausgerichtet: vom (damaligen) Taufstein am Eingang bis hin zum erhöhten Christus in der Apsis, der den Menschen in der Liebe seines Herzens begegnen will. So symbolisierte der Weg des Gläubigen durch die Kirche sein Streben aus der Alltagswelt hin zur Ewigkeit, die ihm schon in der Liturgie erfahrbar wurde. Das theologische Bildprogramm verdichtete sich in Presbyterium und Apsis als „Herzkammer“ des Raums. Die Inschrift über dem Bogen zu Apsis („Kommet zu mir ihr alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken“) richtete sich an die Bevölkerung des Arbeiterstadtteils Pfersee und verwies so zugleich auf die sozialpolitische und antisozialistische Seite der Herz-Jesu-Verehrung im frühen 20. Jahrhundert.

    1970/71 wurde der Kirchenraum umgestaltet und in der Vierung eine Altarinsel mit Ambo geschaffen. Damit rückten das eucharistische Geschehen und die Wortverkündigung mehr ins Zentrum des Raums. Unterstützt wurde dieser Gedanke, indem man die Bänke in den Querschiffen, die ursprünglich auf die dortigen Seitenaltäre hin orientiert waren, neu ausrichtete. Nun kann sich die Gottesdienstgemeinde von drei Seiten um den Altar versammeln und so die Feier als Circumstantes in tätiger Teilnahme mitvollziehen.

  • Ausstattung
    Augsburg | Heiligstes Herz Jesu | Apsis | Foto: Daniel Greb

    Augsburg | Heiligstes Herz Jesu | Apsis | Foto: Daniel Greb

    Aus den zahlreichen Einzelstücken können hier nur einige zentrale Werke beschrieben werden. Besonders die reiche Apsis-Ausmalung durch Christoph Böhner (1881-1914) nach Konzeption von Pfarrer Anton Schwab verdient einen näheren Blick: Im Zentrum thront Christus als Erlöser, der mit der Liebe seines göttlichen Herzens stellvertretend Gestalten des Alten und Neuen Bunds, einen heidnischen Philosophen und einen Indianer anzieht. Die Spitze des vom Architekten entworfenen Ziborienaltars (mit dem Tabernakel von Jakob Rehle, 1910) trägt das Symbol des brennenden Herzens Jesu. Vor den ursprünglichen Altarbereich mit Kommunionbank setzte Blasius Gerg bei der Renovierung von 1970/71 eine Altarinsel mit steinernem Volksaltar und Ambo. Am Kanzelrelief von Baur (1919) beeindrucken die Motive von Adam und Eva mit der Schlange und von einem Soldaten des Ersten Weltkriegs – die Kanzel ist so zugleich Kriegerdenkmal. Unterhalb der Empore finden sich zwei Beichtstühle mit Gemälden der Maria Magdalena und des büßenden Petrus von Böhner (1913). Zudem ist hier der der alte Taufstein von Hans Miller (1908) verortet, der heute als Weihwasserbecken dient. Die Taufe wird seit 1971 vor dem Altar mit einer größeren Schale gespendet.

    Augsburg | Heiligstes Herz Jesu | Glasgestaltung | Foto: Daniel Greb

    Augsburg | Heiligstes Herz Jesu | Glasgestaltung | Foto: Daniel Greb

    Ein Schüler Franz von Stucks, Theodor Baierl (1881-1932), schuf die großformatigen Kreuzwegbilder in den Seiten- und Querschiffen. Eine Besonderheit ist die in schlichtem Weiß mit goldenem Heiligenschein gehaltene Gestalt Jesu. Über den marmornen Seitenaltären sind auf den Fresken von Baierl (1914) die Anbetung der Hirten (Weihnachtsaltar) und die Erscheinung Jesu vor Thomas (Osteraltar) dargestellt. Die farbigen Fenster (1947 nach Kriegszerstörung wiederhergestellt) wurden zur Bauzeit von der Hofglasmalerei Hans Bockhorni (München) gefertigt und zeigen in den Seitenschiffen die acht Seligpreisungen und in der Apsis die Symbole der vier Evangelisten. Ein besonderes Licht werfen die beiden großen Radfenster der Querschiffe durch ihre Mischung aus Gelb-, Violett und Grüntönen in den Raum. In der vom rechten Querhaus her zugänglichen Marienkapelle finden sich Darstellungen aus dem Marienleben von Baierl sowie ein Altar von Miller (1911).

  • Von der Idee zum Bau
    Augsburg | Heiligstes Herz Jesu | Kanzel | Foto: Daniel Greb

    Augsburg | Heiligstes Herz Jesu | Kanzel | Foto: Daniel Greb

    Südlich der Altstadt und des Bahnhofs hatte sich der erst 1911 eingemeindete Vorort Pfersee im 19. Jahrhundert stark vergrößert. Es waren so viele Arbeiter in die sich mehr und mehr industrialisierende Stadt gezogen, dass der Bau einer neuen Kirche nötig wurde. Folgerichtig gründete man 1892 einen Kirchbauverein und konnte bereits zwei Jahre später, statt die bestehende Pfarrkirche zu erweitern, einen kompletten Neubau an einem neuen Standort angehen. 1895 wurde hierfür ein Bauplatz an der Augsburger Straße angekauft.

    Auf Vermittlung des Benediktiners Paulus Sauter aus St. Ottilien erhielt der Architekt Michael Kurz ohne Ausschreibung den Zuschlag für seinen Plan (1904/05) einer neoromanischen Basilika mit Querhaus und verschmolzener Doppelturmfassade. Diesen noch traditionalistischen Entwurf entwickelte er weiter, reduzierte die historistische Bauzier und wählte einen höheren Westturm mit geschwungener Haube. Am 7. Juli 1907 konnte der Grundstein gelegt und die Kirche am 29. Mai 1910 durch Bischof Maximilian von Lingg geweiht werden. Die Innenausstattung zog sich unter Federführung des Architekten noch über die folgenden Jahre hin. Kriegsschäden wurden bis 1947 behoben, eine Außenrenovierung 1955 und eine Innenrestaurierung bis 1975 vorgenommen, weitere Sanierungsarbeiten folgten ab den 2000er Jahren.

  • Der Architekt Michael Kurz
    Augsburg | Heiligstes Herz Jesu | Marienkapelle | Foto: Daniel Greb

    Augsburg | Heiligstes Herz Jesu | Marienkapelle | Foto: Daniel Greb

    Michael Kurz (1876-1957) gründete 1907 – nach seiner Architektenausbildung in München und der Tätigkeit als Bauzeichner bei renommierten Architekten des Historismus – ein Büro in Göggingen bei Augsburg. Erste eigene Werke sind noch dem Historismus der Münchner Schule verpflichtet. Seine aus der Münchner Zeit stammende Verbindung zum Benediktinerorden ermöglichten ihm erste historisierende Projekte z. B. in Tutzing (1902-04), St. Ottilien (1910-12) und auf dem Schweiklberg (1905-11). Ab 1907 entwickelt Kurz eine eigene, von der Reduktion traditioneller Formen geprägte Architektursprache mit Elementen des Heimat- und Jugendstils, die er erstmals mit Herz Jesu in Augsburg verwirklichen konnte. Dieses Projekt verhalf dem noch nicht 30-Jährigen zum Durchbruch.

    In den 1920er Jahren wandte sich Kurz, wie viele seiner Zeitgenossen, neuen Baumaterialien (Eisenbeton) und moderneren Formen mit expressionistischem Einfluss zu. Gleichzeitig wollte er das christozentrische Konzept nach Johannes van Acken umsetzen. Im Lauf der 1930er Jahre entwarf Kurz vermehrt romanisierende Kirchen, wie St. Maria in Starnberg (1930-33) oder St. Judas Thaddäus in Augsburg (1937). Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg war vor allem dem Wiederaufbau zerstörter Kirchen gewidmet, weshalb er nur noch einige neue Projekte umsetzen konnte, die allesamt in der Tradition der Vorkriegskirchen standen. Aus seinem profanen Werk wären z. B. zu nennen das Kloster der Missionsbenediktinerinnen in Tutzing (1902-4) oder die Erweiterung der Abtei St. Ottilien (1910-12), ebenso in Augsburg Wohnhäuser in der Gartenstadt (1919-26) oder die Siedlung Buchenau (1929-30).

  • Literatur (Auswahl)
    • Thomas Groll: Stadtpfarrkirche Heiligstes Herz Jesu Augsburg-Pfersee, Augsburg 2003.
    • Jubiläumsbuch anlässlich des 100-jährigen Bestehens der Herz-Jesu Kirche, hg. von der Katholischen Kirchenstiftung Herz Jesu, Augsburg 2010.
    • Karl Kosel: Augsburg-Pfersee, Herz Jesu, München/Zürich 1977.
    • Michael Kurz: Die neue Pfarrkirche für Pfersee bei Augsburg, in: Süddeutsche Bauzeitung 19, 1909, 10, 73-75.
    • Ulrike Laible: Bauen für die Kirche. Der Architekt Michael Kurz (1876-1957), Berlin 2003.

     

    Wir danken allen Bildgebern für ihre freundliche Unterstützung: Die Bildnachweise werden jeweils am Bild selbst geführt.

Text: Daniel Greb, Würzburg (online seit: 12/2016)

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