Fulda

St. Paulus

Anschrift Kirche
Goerdelerstraße 20
36037 Fulda

Wertzeichen

Den Wert einer Kirche zu beziffern, ist schier unmöglich: Nimmt man den Baupreis, die Wiederbeschaffungskosten oder den geistlichen Gehalt? Für St. Paulus in Fulda wurde diese Frage 2014 postalisch beantwortet: Das 1967 geweihte Baukunstwerk war Teil einer Briefmarkenserie mit zehn Kirchen des Bistums Fulda. So wurde jedem dieser Bauten der Wert von 60 Cent zugewiesen. Zugleich betont der Begleittext aber die bleibende, den unbezahlbaren Zeichenwert dieser Gottesdienststätten. Für St. Paulus ist hier zu lesen: „Der oktogonale Kirchenraum, in dem sich die Besucher rund um den Altar versammeln, wird von einem achtseitigen Zeltdach überhöht und symbolisiert das Zelt Gottes in dieser Welt.“

  • Überblick
    Ort
    Fulda

    Bistum
    Bistum Fulda

    Name der Kirche
    St. Paulus

    Weihe
    1967 (10. Dezember)

    Architekt
    Herbert Rimpl

    Künstler
    Rudolf Haegele, Lioba Munz, Benita Schnell-Stevenson, lnga von Sternburg
    Besonderheit
    Der Zentralbau mit dem markanten Zeltdach rückt den Altarblock in die Mitte des Raums und damit – nur zwei Jahre nach dem Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils – das liturgische Geschehen in die Mitte der Gemeinde.

    Nutzung
    Pfarrkirche

    Standort / Städtebau
    Im Stadtteil Ziehers-Nord liegt St. Paul im Norden von Fulda und südwestlich des Rauschenbergs. Der Kirchenbau erhebt sich inmitten zeilenförmiger Wohnbebauung unübersehbar westlich der Goerdelerstraße am "Platz der Weißen Rose".

  • Beschreibung

    Grundriss

    Fulda | St. Paulus | Grundriss

    Fulda | St. Paulus | Grundriss

    Das Gemeindezentrum der Paulusgemeinde ruht auf einer rechteckigen Grundfläche, die sich von Norden nach Süden erstreckt. Die Gemeinderäume im Süden und der Kirchenbau im Norden umfangen einen kleinen Vorplatz, der sich nach Westen zur Goerdelerstraße hin öffnet. Der Grundriss des Kirchenraums selbst zeigt ein Achteck, das – leicht nach Nordosten verschoben – in ein Quadrat eingeschrieben ist. Im Südwesten ist den Gemeindebauten noch ein Campanile auf rechteckiger Grundfläche zur Seite gestellt.

     

     

    Außenbau

    Fulda | St. Paulus | Außenbau | Foto: Michael Will, Fulda

    Fulda | St. Paulus | Foto: Michael Will, Fulda

    Das Gemeindezentrum präsentiert sich, verglichen mit der umgebenden lockeren Wohnbebauung, als geschlossener, von einer hohen Mauer umfriedeter Bezirk. Nach Süden und Südosten schließen die flachgedeckten bungalowartigen Gemeindebauten und ein niedriger Campanile das Geviert. Überragt wird die natursteinsichtige Wand vom achtseitigen aluminiumgedeckten Zeltdach des Kirchenbaus. Die sich ergebenden acht Giebeldreiecke sind durch eine Bleiglasgestaltung ausgefüllt. Über eine Freitreppe durchschreitet man die Umfassungsmauer von Westen über die Goerdelerstraße und betritt den Kirchhof.

     

    Innenraum

    Fulda | St. Paulus | Foto: Michael Imhof, Petersberg

    Im Süden, am Kirchhof, liegt das Hauptportal, während die beiden Nebeneingänge nach Norden, zum „Platz der Weißen Rose“, weisen. Der Zentralraum der Kirche wird von Wänden mit einem flechtartigen Naturstein-Muster umfangen. Darüber zeigt die abstrakte Glasgestaltung ein feinmaschiges Liniennetz mit Farbfeldern in Weiß-, Rot-, Blau- und Violett-Tönen. Der Natursteinboden wird von einer holzverkleideten Deckenkonstruktion überfangen.

  • Liturgie und Raum
    Fulda | St. Paulus | Tabernakelturm | Foto: Michael Imhof, Petersberg

    Fulda | St. Paulus | Tabernakelturm | Foto: Michael Imhof, Petersberg

    Die besondere Raumform, die auf ihre Mitte hin zentrierte Zeltkirche, leitete der Architekt Herbert Rimpl von der altkirchlichen Tradition ab. Er berief sich in der Einweihungsschrift 1967 sowohl auf die Jerusalemer Grabeskirche als auch auf deren Traditionsnachfolger in Fulda, auf den mittelalterlichen Kirchenbau St. Michael nahe dem Dom. Zugleich passte der Gedanke, die Gemeinde um den Altar zu scharen, gut zu den Forderungen des 1965 endenden Reformkonzils. So gruppieren sich die Bankblöcke in St. Paulus halbkreisförmig um den zentralen Altar. Dieser ruht auf einer dreifach gestuften Altarinsel, die ihr Gegengewicht an der Nordwand hat. Hier erhebt sich auf einer ebenfalls dreifach gestuften Bühne heute die Orgel mit Pietà und Tabernakelturm. In der Südwestecke des Kirchenraums öffnet sich die sog. Mütterkapelle mit dem Taufort.

  • Ausstattung
    Fulda | St. Paulus | Altarkreuz | Foto: Michael Will, Fulda

    Fulda | St. Paulus | Altarkreuz | Foto: Michael Will, Fulda

    Für die Innenausstattung der Kirche wählte man gezielt edle, an die Alte Kirche erinnernde Materialien: Für den Fußboden kam Jura-Travertin, für die Wände römischer Travertin zur Verwendung. Der Altarblock wurde vom Fuldaer Bildhauer Johannes Kirsch aus weißem Marmor geschaffen, den er aus einem Steinbruch in Altengronau bezog. Das darüber hängende Bronzekreuz mit Emaille- und Schmucksteinbesatz wurde von der Künstlerin Lioba Munz als Lebensbaum ausgeformt. Von derselben Künstlerin stammt auch der Tabernakelturm (1970) neben der Orgel. Für die umlaufende Glasgestaltung formulierte der Maler Rudolf Haegele das Thema „Wirken des Geistes“. Die heutige Orgel (Entwurf: Heinz Wolff, Schnitzarbeiten: Fritz Junk) wurde 1976 von der Werkstatt Kreienbrink gefertigt. Sie ersetzt ein Vorgängerinstrument derselben Werkstatt aus dem Jahr 1967. Die Pietà wurde 1974 von der Künstlerin Benita Schnell-Stevenson geschaffen. Ursprünglich stand sie in der sog. Mütterkapelle, wechselte ihren Platz jedoch vor einigen Jahren mit der barocken Marienfigur neben der Orgel. Vor der Kirche findet sich das Denkmal der „Weißen Rose“ von der Bildhauerin lnga von Sternburg, der Tochter des Architekten Herbert Rimpl.

  • Von der Idee zum Bau
    Fulda | St. Paulus | Bau um 1967 | Bildquelle: Einweihungsschrift 1967

    Fulda | St. Paulus | Bau um 1967 | Bildquelle: Einweihungsschrift 1967

    Im Fuldaer Neubauviertel Ziehers-Nord feierten die Katholiken ihre Messe in den frühen 1960er Jahren zunächst provisorisch in der Kaufmännischen Berufsschule, dann in der frisch fertiggestellten Geschwister-Scholl-Schule. 1964 gründete sich ein Kirchbauverein, der einen Architektenwettbewerb organisierte. Die Fachjury, der u. a. der bayerische Baumeister Sep Ruf angehörte, entschied sich für den Beitrag von Herbert Rimpl. (Parallel gewann er auch den gesonderten Wettbewerb um die Gestaltung des neuen Stadtteilzentrums.) Rimpls Kirchenentwurf wurde auf Wunsch der Gemeinde noch einmal angepasst, bevor man ihm 1965 den Auftrag erteilte. Im selben Jahr erhielt auch die Kirchengemeinde ihre Selbständigkeit. Aus Kostengründen entschied sie sich dafür, die von Rimpl geplante Kupferdeckung des Zeltdachs nur in Aluminium auszuführen zu lassen. Der Grundstein für St. Paulus wurde am 4. September 1966 gelegt, die Weihe am 10. Dezember 1967 gefeiert. Die ursprünglich weiß verputzten Außenwände der Kirche wurden 1984 mit dunklerem Naturstein verkleidet. Ende 2017 werden der Kirchhof und der „Platz der Weißen Rose“ durch die Stadt umgestaltet.

  • Der Architekt Herbert Rimpl
    Wiesbaden-Biebrich | Heilig-Geist-Kirche | Foto: Brühl, gemeinfrei

    Wiesbaden-Biebrich | Heilig-Geist-Kirche | Foto: Brühl, gemeinfrei

    Herbert Rimpl wurde am 25. Januar 1902 im schlesischen Malmitz geboren. Nach seinem Studium in München reüssierte er mit modernen Industriebauten, u. a. mit dem Oranienburger Heinkel-Werk. Er leitete zur Zeit des Dritten Reichs „den größten Architekturkonzern Westeuropas“ (Sollich). So übernahm er nicht nur Projekte in der Rüstungsindustrie, sondern erhielt auch repräsentative städtebauliche Aufträge von Herrmann Göring oder Albert Speer. Nach dem Krieg wirkte Rimpl als freier Architekt mit eigenem Büro in Wiesbaden zunächst im Wiederaufbau, dann zunehmend auch mit Neubauprojekten. Er starb am 2. Juni 1978 in Wiesbaden im Alter von 76 Jahren.

    Bekannt wurde Rimpl vor allem für seine seriell gereihten, auf ein Raster hin genormten Industriebauten. Doch vor allem in den Nachkriegsjahrzehnten variierte er dieses Motiv je nach Funktion. Für das repräsentative Wiesbadener Bundeskriminalamt (1954) etwa setzte er auf seine typische Abfolge von Bögen – die nicht nur liebevoll sog. „Rimplwelle“. Auch in seinen wenigen kirchliche Bauten zeigte er bewegtere Formen: Während er in Wiesbaden für die evangelische Heiliggeistkirche (1960) das Parabelbogen-Motiv wiederholte, wählte er in Fulda für St. Paulus (1967) die im konziliaren Aufbruch beliebte Zeltform.

  • Literatur (Auswahl)
    • Zur Konsekration der St.-Paulus-Kirche in Fulda. 2. Adventssonntag, 10. Dezember 1967, hg. von der Katholischen Kirchengemeinde St. Paulus Fulda, Fulda 1967.
    • Jan Kremer (Hg.): Petersberg. St. Peter, St. Rabanus Maurus, St. Paulus in Fulda-Ziehers-Nord, Petersberg 2007 (erschienen im Michael Imhof Verlag).
    • Gottfried Rehm: Die Orgeln des Kreises Fulda außer Kernstadt Fulda. Die Orgeln des ehemaligen Landkreises Fulda und des ehemaligen Kreises Hünfeld. Mit Ergänzungen zum Band Kreis Schlüchtern (Norddeutsche Orgeln 5), Berlin 1978.
    • Ludwig Pralle (Hg.): Neue Kirchen im Bistum Fulda. 25 Jahre kirchliches Bauens und Kunstschaffens, hg. im Auftrag des Bischöflichen Domkapitels in Fulda, Fulda 1970, 10, 119-120.
    • Jo Sollich: Herbert Rimpl (1902–1978). Architekturkonzern unter Hermann Göring und Albert Speer – Architekt des deutschen Wiederaufbaus, Berlin 2013 (zugl. Diss., Berlin, 2011).

     

    Wir danken allen Bildgebern für ihre freundliche Unterstützung: Die Bildnachweise werden jeweils am Bild selbst geführt.

Text: Dr. Karin Berkemann, Frankfurt am Main/Greifswald (Beitrag online seit 10/2017)

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