Hanau

Christuskirche

Anschrift Kirche
Akademiestraße 1
63450 Hanau
  • Informationen
    Kontakt / Öffnungszeiten Kirche Bitte im Gemeindebüro erfragen!
    Anschrift Pfarramt Gemeindebüro in der Alten Johanniskirche
    Johanneskirchplatz 1
    63450 Hanau
    06181 99 126-90
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    Kirchen in Deutschlands Mitte

Eine Liebe in Schweden

Der Architekt Johannes Ludwig heiratete 1934 die Stockholmerin Elisabeth Lindström. Schon vier Jahre zuvor hatte er in der Heimatstadt seiner späteren Ehefrau die Werkbundausstellung besucht. Bis zu seinem Lebensende verknüpften den gebürtigen Rheinländer und späteren Wahl-Münchener viele berufliche Kontakte und persönliche Freundschaften mit Schweden. Vor allem seine Kirchen zeigen die Stärke der skandinavischen Baukultur: Erst wenn sich der Architekt gestalterisch so weit als irgend möglich zurücknimmt, entsteht Freiraum für das Erleben des Besuchers. Auch im südhessischen Hanau verband Ludwig 1962 einen hochgeschlossenen Außenbau mit einem zutiefst nüchternen, weiß getünchten, von hellem Holz geprägten und damit letztlich überraschend heiteren Gottesdienstraum.

  • Überblick
    Ort
    Hanau

    Landeskirche
    Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck 


    Name der Kirche
    Christuskirche

    Einweihung
    1962 (21. Oktober)

    Architekt
    Johannes Ludwig

    Künstler
    Albrecht Glenz
    Besonderheit
    Für die Christuskirche verknüpfte der Architekt Johannes Ludwig in Südhessen die Traditionsverbundenheit der gemäßigten Moderne süddeutscher Prägung mit der aufs Äußerste reduzierten Formensprache der skandinavischen Baukultur.

    Nutzung
    eine von mehreren Predigtstätten der Evangelischen Stadtkirchengemeinde

    Standort / Städtebau
    Nördlich des Hauptbahnhofs gelegen, erhebt sich die Christuskirche gegenüber dem Hauptfriedhof am westlichen Rand des Kreisverkehrs "Ehrensäule".

  • Beschreibung

    Grundriss

    Hanau | Christuskirche | Grundriss

    Hanau | Christuskirche | Grundriss

    Der Grundriss gruppiert klar strukturierte Viereckformen: Dem langgestreckten, von Norden nach Süden verlaufenden Rechteck des Kirchenschiffs ist im Nordosten das Quadrat des Campaniles zur Seite gestellt. Ihm gegenüber schließt das Quadrat der Werktagskapelle im Nordwesten (über einen Gang hinweg) direkt an das Schiff an. Der Kapelle folgen im Westen weitere Wohn- und Gemeinderäume, wo sie gemeinsam mit dem Kirchenschiff von vier Seiten einen Innenhof umfangen.

     

     

     

    Außenbau

    Hanau | Christuskirche | Foto: Gerhard Jost, Bild: Ev. Stadtkirchengemeinde Hanau

    Hanau | Christuskirche | Foto: Gerhard Jost, Bild: Ev. Stadtkirchengemeinde Hanau

    Nach Osten, zum stark befahrenen Kreisverkehr hin, zeigt sich der backsteinsichtige Quader des Kirchenschiffs hochgeschlossen. Auch der zum Rondell hin vorgerückte Campanile wird nur im Glockengeschoss durch Fensterschlitze geöffnet. Den Kirchenbau bekrönt ein schiefergedecktes Satteldach, das an beiden Längsseiten von je acht Zwerchgiebeln unterfangen wird. Deren Kupferrahmungen werden an ihren Schnittpunkten jeweils durch kupferne Fallrohre senkrecht nach unten bis zum Boden verlängert. Die Form der Giebeldreiecke wird von der kupfergedeckten Faltdachkonstruktion des offenen Turmhelms wieder aufgegriffen.

     

     

    Innenraum

    Hanau | Christuskirche | Foto: Gerhard Jost, Bild: Ev. Stadtkirchengemeinde Hanau

    Hanau | Christuskirche | Foto: Gerhard Jost, Bild: Ev. Stadtkirchengemeinde Hanau

    Der Kirchenraum wird von Norden von der Akademiestraße über ein Portal mit kupfergedecktem Vordach erschlossen. Der Vorraum unter der Orgelempore gibt nach rechts den Weg zur kleinen Werktagskapelle mit einfach gestuftem Altarraum frei. Nach Süden unter der Orgelempore hervortretend, leiten im Kirchenschiff zwei Bankblöcke mit Mittelgang zum Altarbereich. Vor der Stirnwand steht der Altar mittig auf einem insgesamt vierfach gestuften steinernen Podest. Ihn rahmen (von der Gemeinde aus gesehen) rechts auf den Stufen die Kanzel und links der in den Gemeinderaum vorgezogene Taufstein. Der gesamte Raum wird von einer hölzernen Decke überfangen, die der Firstlinie folgt. Zu beiden Längswänden hin ruht die Konstruktion auf je zwei Reihen von Holzstützen, die dem Hallenraum einen fast basilikalen Charakter verleihen. Für die Reihe der Zwerchgiebel wird die Holzdecke erneut hochgezogen und zu obergadenähnlichen Dreiecksfenstern geöffnet.

  • Liturgie und Raum
    Hanau | Christuskirche | Altarraum | Foto: Gerhard Jost, Bild: Ev. Stadtkirchengemeinde Hanau

    Hanau | Christuskirche | Altarraum | Foto: Gerhard Jost, Bild: Ev. Stadtkirchengemeinde Hanau

    Die zweite Christuskirche entstand aus dem Optimismus der Nachkriegszeit, als Firmen wie Dunlop oder Heraeus Geld und Arbeiter nach Hanau brachten. Letztere sollten mit dem neuen Gottesdienstraum für 600 Besucher einen geistlichen Mittelpunkt erhalten. Die Nüchternheit des unierten Protestantismus Hanauer Prägung kam dabei der konzentrierten Formensprache des Architekten Johannes Ludwig entgegen. Auf Wunsch der Gemeinde sollte der Kirchenraum klar auf den Altarraum hin ausgerichtet sein. Diese eher noch traditionell zu nennende liturgische Raumordnung weitete der Architekt durch freundliche Materialien und Farben für die sich abzeichnenden gesellschaftlich-theologischen Aufbrüche. Doch in diesem für Migranten attraktiven Quartier rutschte die Gemeindegliederzahl von anfänglich über 8.000 auf unter 1.800 im Jahr 2003. Seit 2014 ist der lange selbständige Pfarrbezirk daher Teil der Stadtkirchengemeinde und öffnet seine Gemeinderäume auch für neue Nutzer: von der Kulturarbeit des Evangelischen Forums bis zu Gottesdiensten der Syrisch-Orthodoxen.

  • Ausstattung
    Hanau | Christuskirche | Altarkreuz | Foto: Gerhard Jost, Bild: Ev. Stadtkirchengemeinde Hanau

    Hanau | Christuskirche | Altarkreuz | Foto: Gerhard Jost, Bild: Ev. Stadtkirchengemeinde Hanau

    Der konsequent auf das Wesentliche reduzierte Innenraum lebt von der sorgfältig abgestimmten Wahl und dem teils ornamenthaften Einsatz der Baustoffe: Mit Ausnahme der Emporenbrüstung, die teils in Eiche ausgeführt wurde, setzte der Architekt für die Stützen und Deckenelemente helles Kiefernholz ein. Die Zugstangen wurden schwarz gefasst, die Lampen tragen Messing-Schirme und der Boden zeigt Sollnhofener Natursteinplatten. Nach innen strich man die Backsteinwandflächen weiß, so dass ihre senkrecht verlaufenden, bänderförmig angeordneten, offenen Stoßfugen deutlich hervortreten. Sie sollen nicht nur die Akustik verbessern, sondern führen als Gliederungselemente auch das Stützenraster des Kirchenraums fort. Die klaren Gussglasflächen der „Obergadenfenster“ werden durch ein dreiecksförmiges Bleirutenmuster gehalten. Nach Entwürfen des Architekten wurden die kubischen Hauptstücke – Altar, Kanzel und Taufstein – ebenso wie der Altar der Werktagskapelle aus Kirchheimer Muschelkalk gefertigt. Den Altar im Kirchenschiff schmücken ein bronzenes Kreuz mit flach reliefierten Szenen aus den Evangelien und dreiarmige, ebenfalls bronzene Leuchter des Hanauer Bildhauers Albrecht Genz. 1967 erhielt die Kirche eine Orgel der Kölner Werkstatt Willi Peter.

  • Von der Idee zum Bau
    Hanau | Christuskirche | Werktagskapelle | Foto: Gerhard Jost, Bild: Ev. Stadtkirchengemeinde Hanau

    Hanau | Christuskirche | Werktagskapelle | Foto: Gerhard Jost, Bild: Ev. Stadtkirchengemeinde Hanau

    Als sich Hanau um 1900 nach Südosten ausdehnte, wählten auch die Protestanten der Stadt eine neue Struktur: 1929 gründeten sie den Gesamtverband und bis 1930 die evangelisch-unierte Christusgemeinde. Ihre erste Predigtstätte wurde 1934 vom Architekten Carl Cost in der Akademiestraße gestaltet. In unmittelbarer Nähe bestand bereits ein historischer Kreisverkehr, dessen Mitte ein 1775 von Erbprinz Wilhelm von Hessen-Kassel aufgerichteter Sandsteinobelisk („Ehrensäule“) bildet. Auch der 1846 angelegte Friedhof (Hauptfriedhof) wurde über dieses städtebaulich prägende Rondell erschlossen.

    Bei der Bombardierung der Stadt wurde die Christuskirche am 19. März 1945 stark beschädigt. Zunächst richtete man den Bau bis 1948 wieder her, entschied sich jedoch 1959 für eine neue Kirche. Ein Kirchbauverein wurde gegründet und aus verschiedenen Vorplanungen in Abstimmung mit der Landeskirche schließlich der Münchener Architekt Johannes Ludwig (unter Mitarbeit von Volkher Schultz) ausgewählt. Am 5. März 1961 konnte man den Grundstein zu dieser zweiten Christuskirche legen und sie am 21. Oktober 1962 einweihen. Der angrenzende Vorgängerbau wurde zum Gemeindehaus umgewandelt, wo der ehemalige Kirchenraum heute als Gemeindesaal dient.

  • Der Architekt Johannes Ludwig
    München-Laim | Paul-Gerhardt-Kirche | Foto: Andreasdziewior, GFDL oder CC BY SA 3.0

    München-Laim | Paul-Gerhardt-Kirche | Foto: Andreasdziewior, GFDL oder CC BY SA 3.0

    Als Sohn des Architekten Alois Ludwig wurde Johannes Ludwig am 18. Juni 1904 in Düsseldorf geboren. Zwischen 1924 und 1929 absolvierte er sein Architekturstudium in München und Düsseldorf u. a. bei Theodor Fischer und Clemens Holzmeister. Bei Letzterem war Ludwig anschließend bis 1931 als Assistent an der Akademie der Bildenden Künste in Düsseldorf tätig. Es folgten Anstellungen bzw. eigenverantwortliche Projekte in Meran, Linz, München, Trostberg und Mühldorf am Inn. Unter seinen Profanbauten finden sich z. B. die GEWOFAG-Siedlung Neuhausen (bis 1941, mit Hans Döllgast, Franz und Sep Ruf), ein Erweiterungsbau (1951) der TU München in der Arcisstraße oder der Wiederaufbau der Münchener Antikensammlung (bis 1967).

    1955 wurde Ludwig als Professor an die TU Wien, 1957 an die TU München berufen. Darüber hinaus leitete er von 1969 bis 1983 die Abteilung Bildende Kunst an der Bayerischen Akademie der Schönen Künste. Im Kirchenbau machte er sich 1956 mit der Paul-Gerhardt-Kirche in München-Laim einen Namen. Ihre grundlegenden Gestaltungsprinzipien ähneln denen der Hanauer Christuskirche: die Backsteinwände ornamental aufgemauert, der Turm zur Seite angefügt, der Kirchenraum changierend zwischen romanischer Basilika und gotischer Halle, das Innere belichtet durch eine moderne Interpretation des traditionellen Obergadens. Weitere Kirchenprojekte konnte Ludwig vor allem im süddeutschen Raum umsetzen, darunter finden sich z. B. das Predigerseminar in München-Pullach (1960),die Versöhnungskirche in Straubing (1964) und das Gemeindezentrum Feldkirchen-Westerham (1983). Johannes Ludwig verstarb im August 1996 in München-Bogenhausen im Alter von 92 Jahren.

  • Literatur (Auswahl)
    • Max Aschkewitz: Pfarrergeschichte des Sprengels Hanau („Hanauer Union“) bis 1986 (Kurhessisch-waldeckisches Pfarrerbuch 2; Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen 33), 2 Teile, Marburg 1984, hierin: Teil 1, 73-76.
    • Evangelische Christuskirche in Hanau. Architekt Prof. Johannes Ludwig, München. Mitarbeiter Dipl.-Ing. Volkher Schultz, in: Baumeister 61, 1964, 6, 646-649.
    • Martin Dittmar u. a. (Bearb.): 75 Jahre Christuskirchengemeinde. 1930 – 2005. Festschrift, hg. von der Evangelischen Christuskirchengemeinde Hanau, Hanau 2005.
    • Gerd Fischer: Architektur in München seit 1900. Ein Wegweiser, Braunschweig/Wiesbaden 1990, 62, 128.
    • Glenz, Albrecht. Artikel, in: Saur. Allgemeines Künstlerlexikon. Die Bildenden Künstler aller Zeiten und Völker. Bd. 56, München/Leipzig 2007, 141-142.
    • Carolin Krumm: Stadt Hanau (Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland; Kulturdenkmäler in Hessen), Wiesbaden 2006, 95-96, 258
    • Johannes Ludwig. Bauten, Projekte, Möbel, Katalog, Lesesaal der Architektursammlung der TU München, hg. vom Lehrstuhl für Entwerfen, Raumgestaltung und Sakralbau der TU München, München 1984.
    • Anton Merk (Bearb.): Albrecht Glenz. 1907 – 1990. Skulptur + Zeichnung, Katalog, Museum Hanau, Schloss Philippsruhe, hg. vom Kulturamt der Stadt Hanau, Verwaltung der Museen, Hanau 1993, 11.
    • Paulhans Peters: Beiträge zur Baukultur. Zum Tod von Johannes Ludwig, in: Baumeister 93, 1996, 10, 7.

     

    Wir danken allen Bildgebern für ihre freundliche Unterstützung: Die Bildnachweise werden jeweils am Bild selbst geführt.

Text: Julius Reinsberg M. A., Offenbach am Main/Dr. Karin Berkemann, Frankfurt am Main/Greifswald (Beitrag online seit 06/2017)

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