Hannover

Bugenhagenkirche

Anschrift Kirche
Stresemannallee 36
30173 Hannover
  • Informationen
    Kontakt / Öffnungszeiten Kirche Bitte beim Pfarramt erfragen!
    Anschrift Pfarramt Bugenhagen-Kirchengemeinde Hannover
    Stresemannallee 34
    30173 Hannover
    0511 883489
    E-Mail
    Zur Webseite
    Öffnungszeiten Pfarramt MO: 9.00 - 12.00 Uhr
    MI: 16.00 - 19.00 Uhr
    Gottesdienstzeiten Kirche Die aktuellen Gottesdienstzeiten können online eingesehen werden unter: kirche-bugenhagen.de/alle-gottesdienste/.
    Kirchen im Norden

Gegliedert und aufgelockert …

Im Zweiten Weltkrieg bis zu 90 Prozent zerstört, erhielt Hannover im Wiederaufbau ein neues Gesicht. Unter Stadtbaurat Rudolf Hillebrecht orientierte man sich wesentlich an modernen Verkehrsbedürfnissen und der 1946 zugewachsenen Rolle als Landeshauptstadt Niedersachsens. Stadtstruktur und Straßennetz wurden völlig neu geordnet. Die aufstrebende Messestadt galt bald als planerisches Vorbild in der werdenden Bundesrepublik und erlangte damit überregional Bekanntheit. Zu den Pionieren des Wiederaufbaus zählte der Architekt Werner Dierschke, der 1951 zum Leiter des städtischen Hochbauamts ernannt worden war. Sein bemerkenswertes Werk umfasst stadtplanerische Entwicklungen sowie mancherlei Profanbauten – und die 1962 eingeweihte Bugenhagenkirche in der hannoverschen Südstadt.

  • Überblick
    Ort
    Hannover

    Landeskirche
    Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers


    Name der Kirche
    Bugenhagenkirche

    Einweihung
    1962 (25. November)

    Architekt
    Werner Dierschke

    Künstler
    Heinz Heiber, Fritz Kühn
    Besonderheit
    Trotz aller Einfachheit der geometrischen Grundformen Kreis und Trapez erschließt sich deren Zusammenspiel nicht auf den ersten Blick. Architektonische Raumspannung und überraschende Lichtführung kennzeichnen die besondere Anziehungskraft des insgesamt puristisch wie raffiniert entwickelten Kirchenbaus.

    Nutzung
    Gemeindekirche der Evangelisch-lutherischen Bugenhagen-Kirchengemeinde Hannover.

    Standort / Städtebau
    Das Kirchengebäude bildet den Endpunkt einer von der inneren Stadt geradlinig nach Süden ziehenden Straßenachse Sallstraße/Stresemannallee. Hinter ihr schließt sich ein schmaler Grünzug an, der in einen Ausläufer des Stadtwalds Eilenriede mündet. Im aufgelockerten Umfeld der Kirche finden sich mehrere Schulbauten, Miet- und Reihenhauszeilen sowie der 1929-1935 errichtete, markante Baukomplex der ehemaligen Pädagogischen Akademie bzw. Hochschule.

  • Beschreibung

    Grundriss

    Hannover | Bugenhagenkirche | Grundriss

    Hannover | Bugenhagenkirche | Grundriss

    Der geometrisch streng entwickelte Grundriss der Bugenhagenkirche basiert auf einem nach Süden offenen Kreis von 30 Metern Durchmesser. In diesen ist ein sich zur Altarzone hin verjüngendes Trapez eingeschrieben, das den Versammlungsbereich des Kirchenraums aufnimmt. Dessen südliche Außenwand schließt das Bauwerk ab, lässt die Kreisform aber unvollendet. Erschlossen wird der Raum vom westlichen Eingang her. Am südwestlichen Berührungspunkt von Kreis und Trapez erhebt sich der auf kreuzförmigem Grundriss entwickelte Glockenturm.

     

     

    Außenbau

    Hannover | Bugenhagenkirche | Foto: Florian Monheim/Bildarchiv Monheim GmbH

    Hannover | Bugenhagenkirche | Foto: Florian Monheim/Bildarchiv Monheim GmbH

    Der massive Rundbau der Bugenhagenkirche präsentiert sich von außen weitenteils geschlossen und fensterlos. Im Westen der zehn Meter hohen Ringmauer aus gebrochenem Elm-Muschelkalkstein ist ein niedrig gehaltener Eingangsbereich eingelassen. Dessen hell gefärbte Betonbalken-Konstruktion ruht auf zwei Rundsäulen. Sie überfängt das Hauptportal mit zweiflügeliger Stahltür und seitlichen Glasbaustein-Wänden. An der Südseite wird die zylindrische Grundstruktur des Baukörpers aufgebrochen: Die von West nach Ost geradlinig aufgerichtete Südwand besteht aus einer von vielen kleinen Quadraten perforierten Betonwaben-Konstruktion. Den flachen Dachaufbau entwickelte man zweistufig: Die Oberkante der Südwand bestimmt die Dachhöhe des trapezförmigen Versammlungsraums. Diese ist gegenüber dem umlaufenden Rundbau deutlich abgesenkt. An die Südwestecke des Kirchenbaus schließt der 42 m hohe, offene Glockenturm an. Sein auf einem dreifach gestuften Rund-Podest stehendes Gerüst besteht aus zwei sich kreuzenden, vertikal gestellten Gitterträgern. Diese sind als schlanke Betonzylinder-Säulen ausgeführt, die Abstände der acht Querriegel nehmen nach oben hin zu. In die oberste Etage zog man eine achteckige Glockenstube ein, die über eine filigrane, metallene Wendeltreppe erreicht werden kann.

     

    Innenraum

    Hannover | Bugenhagenkirche | Foto: Florian Monheim/Bildarchiv Monheim GmbH

    Hannover | Bugenhagenkirche | Foto: Florian Monheim/Bildarchiv Monheim GmbH

    Unter einer schmalen Empore betritt der Besucher aus Westen kommend den Kirchenraum. Dieser setzt sich wesentlich aus drei Raumbereichen zusammen – die mehrstufig erhöhte Altarzone im Osten, die im nördlichen Rund entwickelte Orgelbühne und den von diesen und der südlichen Außenwand eingefassten Versammlungsbereich unter einer trapezförmigen, niedrigeren Decke. Diese wird von zwei kräftigen Säulen im Norden und vier schmäleren Säulen vor der Südwand getragen. Die wabenförmig von vielen kleinen, teils farbig verglasten Quadraten durchbrochene Südwand lässt ausreichend helles Licht in den Raum strömen. Zusätzliches Licht fällt durch das an der Südwand diagonal angesetzte, hochrechteckige Glasfenster des Altarraums sowie durch verdeckte Oberlichter des rundum erhöhten Deckenbereichs der Eingangszone, des Altarbereichs und der Orgelbühne. Ihr Deckenabschluss ist in Blau gehalten, während die Decke im Gemeindebereich in dunklem Holz gefasst ist. Die Wände sind durchgehend mit unverputzten, weiß gestrichenen Formatsteinen in liegender Anordnung gestaltet. Jede siebte Reihe unterbricht ein Band aus weiß gestrichenen Lochsteinen. Diese sind – auch aus akustischen Gründen – im Altarrund deutlich vermehrt und ziehen sich, nach oben ausbreitend bis zur Decke hinauf.

  • Liturgie und Raum
    Hannover | Bugenhagenkirche | Altarraum | Foto: Florian Monheim/Bildarchiv Monheim GmbH

    Hannover | Bugenhagenkirche | Altarraum | Foto: Florian Monheim/Bildarchiv Monheim GmbH

    Die liturgische Entwicklung der Bugenhagenkirche erklärt sich wesentlich über die „Grundsätze für die Gestaltung des gottesdienstlichen Raumes der evangelischen Kirchen“, verabschiedet von der 2. Evangelischen Kirchbautagung in Rummelsberg 1951. Altarraum und Gemeinde bilden zugleich Einheit und Gegenüber. Der Rundbau vereint raffiniert einen trapezförmigen, axial gen Osten gerichteten Versammlungsbereich mit der über drei Stufen erhöhten Altarzone. Das einstufige Podest für den Altartisch spiegelt die Trapezform des Hauptraums. Links, neben der nordöstlichen Deckensäule, findet sich die Kanzel und rechts des Altars die Taufe. Gegenüber dieser bühnenartigen Altarzone nimmt der Versammlungsbereich vom Eingang Richtung Altarraum schmäler werdende Bankreihen mit breitem Mittelgang auf. Weitere Bänke stehen auf der westlichen Empore. Der Kirchenbau ist freistehend, ohne Anbindung weiterer gemeindlicher Räume umgesetzt. Zum jenseits des Hauptportals auf der gegenüberliegenden Straßenseite stehenden, bereits deutlich früher errichteten Gemeindehaus existiert dennoch eine – auch räumlich – enge Beziehung.

  • Ausstattung
    Hannover | Bugenhagenkirche | Orgel | Foto: Florian Monheim/Bildarchiv Monheim GmbH

    Hannover | Bugenhagenkirche | Orgel | Foto: Florian Monheim/Bildarchiv Monheim GmbH

    Der puristisch entwickelte Kirchenraum beherbergt nur wenige Ausstattungsstücke. Das schlanke, hohe, eiserne Hängekreuz vor der Altarwand schmiedete der Metallbildhauer Fritz Kühn aus dem einstigen Ostberlin. Er gestaltete auch die Türflügel des Hauptportals. Der Bildhauer Heinz Heiber aus Nürnberg schuf das auf dem Altar stehende Kruzifix, eine Scheibe aus Bronze mit hervorgehobenem Rand nach Art eines Heiligenscheins. In der Mitte steht Jesus mit offenen Armen. Der auf einem Sockel mittig aufgestellte Altartisch ist an Vorder- und Rückseite abgekantet und wurde wie Kanzel, Taufe und Bodenbelag in Stein erstellt. Die bis zu 500 Personen fassenden Bänke, die Decke über dem Versammlungsbereich und die Brüstung der Orgelbühne fertigte man in dunklem Holz. Paul Ott, Göttingen, erbaute schließlich die mit mechanischen Trakturen versehene Orgel. Sie wurde 1967 auf der Orgelbühne im nördlichen Rund aufgestellt und eingeweiht. Die Glocken goss die Firma Schilling in Heidelberg 1962.

  • Von der Idee zum Bau
    Hannover | Bugenhagenkirche | Foto: AxelHH, PD

    Hannover | Bugenhagenkirche | Foto: AxelHH, PD

    Die hannoversche Südstadt entstand zu großen Teilen in den 1920er und 1930er Jahren. Nach großflächigen Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg erfolgte der Wiederaufbau nebst Weiterentwicklung in den 1950er und 1960er Jahren. Heute zählt ihr weites, traditionell bürgerlich orientiertes Siedlungsgebiet ca. 40.000 Einwohner. Die gegenwärtig etwa 3000 Mitglieder umfassende Bugenhagen-Kirchengemeinde entstand am 1. April 1937 durch Gemeindeteilungen. Sie erhielt bis 1938 ein Gemeindehaus mit Kirchensaal und Turmanbau. Ein eigenständiger Kirchenbau entstand erst ab 1960 nach Plänen des Architekten Werner Dierschke, der während seiner hannoverschen Zeit selbst der Gemeinde angehörte. Der Neubau wurde vom damaligen Landesbischof Hans Lilje am Ewigkeitssonntag im November 1962 eingeweiht. Heute zählt die Bugenhagenkirche mit ihrer solitären Gestalt, geometrischen Konstruktion und ausgewogenen Lichtführung zu den bedeutendsten Kirchenbauten der Nachkriegszeit in Niedersachsen. Nach einer gemeinsam von Denkmalpflege und verschiedenen kirchlichen Ebenen durchgeführten Begutachtung der ev.-luth. Kirchengebäude in Hannover wurde sie 2015 in das Verzeichnis der Kulturdenkmale in Niedersachsen eingetragen.

  • Der Architekt Werner Dierschke
    Hannover | Continental-Hochhaus | Foto: Christian A. Schröder, CC BY SA 4.0

    Hannover | Continental-Hochhaus | Foto: Christian A. Schröder, CC BY SA 4.0

    Der Architekt Prof. Dipl.-Ing. Werner Dierschke wurde am 16. November 1905 oder 1906 in Brieg/Schlesien, heute Brzeg, Polen, geboren und starb am 24. Februar 1983 in Baden-Baden. Von 1926 bis 1930 studierte er an den Technischen Hochschulen Hannover und Dresden Architektur. Es folgten Tätigkeiten in Büro und Ämtern sowie weitere Ausbildung. 1935 legte er die Regierungsbaumeisterprüfung ab und wandte sich dem Städtebau zu. Nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst frei tätig, nahm er an verschiedenen Wettbewerben in Architektur und Städtebau teil. 1949 gewann er zusammen mit Wilhelm Schwedes den städtebaulichen Wettbewerb zum Wiederaufbau der Innenstadt Hannovers. 1951 wurde er Leiter des Städtischen Hochbauamts Hannover und 1955 zum Baudirektor ernannt. 1961 folgte Dierschke einem Ruf als Professor für Gebäudelehre und Entwerfen an die Technische Hochschule Karlsruhe bis 1972. Seine Projekte in Hannover umfassen u.a. das Continental-Hochhaus (mit Ernst Zinsser, 1949-53 – damals höchstes Hochhaus in der Bundesrepublik), das Ratsgymnasium (mit Annemarie Bätjer-Kiene, 1952-54) sowie die Bugenhagenkirche (1960-62). Obschon der wohl einzige Kirchenbau in Dierschkes Gesamtwerk, ist seine solitäre Baugestalt und räumliche Situierung stellvertretend für das städtebauliche Grundverständnis des Architekten aufzufassen. Die von seinem einstigen Studienkollegen, dem Stadtbaurat Rudolf Hillebrecht geradezu mustergültig vorangetriebene „gegliederte und aufgelockerte Stadt“ prägte und gestaltete Dierschke gut ein Jahrzehnt lang mit.

  • Literatur (Auswahl)

     

    Wir danken allen Bildgebern für ihre freundliche Unterstützung: Die Bildnachweise werden jeweils am Bild selbst geführt.

Text: Dr. Matthias Ludwig, Schweinfurt (Beitrag online seit 02/2019)