Jever

Stadtkirche

Anschrift Kirche
Am Kirchplatz 28
26441 Jever
  • Informationen
    Kontakt / Öffnungszeiten Kirche Zur Webseite
    In den Sommermonaten ist die Stadtkirche Jever von 8 Uhr bis 18 Uhr und in den Wintermonaten von 8 Uhr bis 17 Uhr eine verlässlich geöffnete Kirche.
    Anschrift Pfarramt Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Jever
    Am Kirchplatz 13
    26441 Jever
    04461 9338-0
    E-Mail
    Zur Webseite
    Öffnungszeiten Pfarramt DI: 10.00 - 12.30 Uhr
    DO: 8.00 - 12.30 + 13.00 - 16.00 Uhr
    FR: 8.00 - 12.30 Uhr
    Gottesdienstzeiten Kirche Die aktuellen Gottesdienstzeiten können online eingesehen werden unter: www.kirche-jever.de/gottesdienst/.
    Kirchen im Norden

Ein Kristall aus Beton, Ziegel und Glas

Mindestens neun Mal ist die Stadtkirche Jever in ihrer rund 1000-jährigen Geschichte abgebrannt und jedes Mal wurde sie im Sinn der Zeit wieder aufgebaut. Waren die frühesten Gottesdiensträume an dieser Stelle Basiliken aus Stein und Holz, wählte man im 16. Jahrhundert zum ersten Mal die Kreuzform. Der letzte Brand am 1. Oktober 1959 zerstörte weite Teile des Vorgängerbaus aus dem Jahr 1730. Erneut stand die Gemeinde vor die Frage, wie sich die Geschichte dieses Standorts und die Zukunft seiner Nutzer miteinander verbinden ließen. Der Architekt Dieter Oesterlen gewann den Neubau-Wettbewerb, indem er überlieferte Elemente mit seiner modernen Gestaltung verknüpfte: mit einem quergelagerten Raum, der durch markante Betonglasfenster zwischen gestaffelten Seitenwänden einen besonderen Akzent erhält.

  • Überblick
    Ort
    Jever

    Landeskirche
    Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland (Nordkirche)


    Name der Kirche
    Stadtkirche

    Einweihung
    1964 (10. Mai)

    Architekt
    Dieter Oesterlen

    Künstler
    Fritz Kühn, Helmut Lander
    Besonderheit
    Für Jever schuf der Architekt Dieter Oesterlen 1964 einen quergelagerten Raum konzentrierter Versammlung, der durch markante Betonglasfenster zwischen gestaffelten Seitenwänden einen besonderen Akzent erhielt.

    Nutzung
    Gemeindekirche

    Standort / Städtebau
    Der Bau liegt an einem geschichtlich gewachsenen und städtebaulich hervorgehobenen Kirchort inmitten von Jever. Der historische Turm dient hier als Dominante.

  • Beschreibung

    Grundriss

    Jever | Stadtkirche | Grundriss

    Jever | Stadtkirche | Grundriss

    Für den Neubau der Stadtkirche gestaltete der Architekt Dieter Oesterlen 1964 einen symmetrischen Raum „über einem quadratischen Grundrißraster mit gestaffelter Umrißlinie […] in der Form eines Kristalls“ (Oesterlen, 66). Verbunden durch einen Zwischenraum auf rechteckiger Grundfläche, bildet dieser moderne Gemeinderaum das Gegengewicht zum überlieferten, ehemaligen Chor mit polygonalem Abschluss.

     

    Außenbau

    Jever | Stadtkirche | Foto: Lisa Hammel, Bildarchiv Monheim GmbH

    Jever | Stadtkirche | Foto: Lisa Hammel, Bildarchiv Monheim GmbH

    Neben dem historischen Kirchturm staffelt sich der moderne Baukörper in einzelne, parallel zueinander stehenden „Scheiben“, die von kleinen kupfergedeckten Giebeln bekrönt werden. Je nach Standort geben sie den Blick frei auf die wandhohen Betonglasfenster, welche die einzelnen Wandelemente abschließen. Der rotbraune Klinker, der die darunterliegende Eisenbetonkonstruktion überblendet, verbindet den modernen Gemeinderaum harmonisch mit dem Bestand. Ein niedriger Verbindungsbau zwischen dem polygonalen Chorabschluss und dem Neubau nimmt zwei Portale aus dem 18. Jahrhundert auf, die aus der Vorgängerkirche übertragen werden konnten.

     

     

     

     

     

    Innenraum

    Jever | Stadtkirche | Foto: Frank W. Rudolph, www.f-rudolph.info

    Die Deckengestaltung im Kirchenraum erinnert ebenso wie der Grundriss an das Motiv des Kristalls: Nicht nur aus akustischen, sondern auch aus ästhetischen Gründen sind in die gefaltete Decke, welche die äußere Giebelform wieder aufgreift, kleine Holzprismen eingebunden. Auch die seitlichen Ziegelwände sind in sich strukturiert, sie erscheinen aufgrund kleiner Lücken im Ziegelverband wie perforiert. Dem Altarbereich im Westen steht die Orgelempore im Osten des Gemeinderaums gegenüber. Unter der Empore wird der Blick durch eine Glastür frei auf das Edo-Wiemken-Denkmal im historischen Bauteil. Die wandhohen, abstrakt gehaltenen Betonglasfenster in gedeckten Farbtönen hüllen den Raum in ein klares, kühles Licht.

  • Liturgie und Raum
    Jever | Stadtkirche | Kanzel | Foto: Horst Radowski

    Jever | Stadtkirche | Kanzel | Foto: Horst Radowski

    Durch den Neubau von 1964 liegen sich nun das Grabmal im ehemaligen Chor und der Altar an der neuen Westwand gegenüber. Diese Achse verbindet Alt und Neu, das Grabmal als Erinnerung an den Tod und den Altar als Ort des ewigen Lebens. Der Altar ruht vor einer hohen Ziegelwand, die zu beiden Seiten von Betonglasfenstern flankiert wird. Rechts und links davon stehen zwei der parallel zueinander gestaffelten Wandelemente. Sie rahmen den Altar, nehmen Kanzel und Taufe auf und bündeln somit die liturgischen Orte. Hinter dem Altar prangt ein hohes schlichtes Stahlkreuz an der Ziegelwand, das farblich mit dem dunklen Fußboden, dem Altartisch aus Granit und den Betonelementen der Decke korrespondiert. Davon heben sich die rotbraunen Ziegelwände und die Holzverkleidung der Decke ab. Kanzel und Orgel zeigen ebenso Holzelemente wie die Kirchenbänke.

  • Ausstattung
    Jever | Stadtkirche | Edo-Wimken-Denkmal | Foto: Lisa Hammel, Bildarchiv Monheim GmbH

    Jever | Stadtkirche | Edo-Wimken-Denkmal | Foto: Lisa Hammel, Bildarchiv Monheim GmbH

    Die Verbindung alter und neuer Elemente der Stadtkirche prägt auch ihre Ausstattung. Unter den modernen Stücken sind vor allem der Altarblock aus italienischem Granit und das Stahlkreuz an der Altarrückwand des Berliner Künstlers Fritz Kühn (1910-67) hervorzuheben.

     

    Jever | Stadtkirche | Foto: © Architektur-Bildarchiv / Thomas Robbin

    Die zehn wandhohen, abstrakt gehaltenen Betonglasfenster stammen vom Bildhauer Helmut Lander (1924-2013). Der Prospekt der Orgel, die aus der Werkstatt Alfred Führer kommt, wurde vom Architekten Dieter Oesterlen entworfen. Zu den überlieferten Ausstattungsstücken zählt das Taufbecken aus der barocken Vorgängerkirche. Das Denkmal im historischen Bauteil, das aus einem steinernen Kenotaph (Scheingrab) und einer Holzkuppel besteht, wurde von 1560 bis 1964 durch niederländische Künstler gearbeitet. Es erinnert an den ostfriesischen Häuptling Edo Wiemken d. J. (1468-1511), den letzten männlichen Nachfahren der Herrschaft Jever.

  • Von der Idee zum Bau
    Jever | Stadtkirche | Turm | Foto: Lisa Hammel, Bildarchiv Monheim GmbH

    Jever | Stadtkirche | Turm | Foto: Lisa Hammel, Bildarchiv Monheim GmbH

    Die Gaue Oestringen und Wangerland, das heutige Jeverland, waren bereits im 8. Jahrhundert Missionsgebiet und besaßen wohl eine Sendkirche. Der früheste Nachweis einer Kirche im heutigen Jever lässt sich jedoch erst ins Jahr um 1000 datieren. Da es sich dabei schon um eine mächtige Kirchburg gehandelt haben muss – Jever verfügte zu dieser Zeit über eine eigene Münzprägestätte und gehörte zu den führendsten Handelsorten der Nordseeküste – sind frühere Bauten anzunehmen. In der Folge wurde die Kirche mehrfach zerstört und wieder aufgebaut. Der spätbarocke Vorgänger des heutigen Neubaus stammt aus dem Jahr 1730. Nachdem diese Kirche am 1. Oktober 1959 beinahe gänzlich abgebrannt war, wurde ein beschränkter Wettbewerb für einen Neubau ausgeschrieben, den der Architekt Dieter Oesterlen für sich entscheiden konnte. Sein Grundrissentwurf interpretierte die Grundform des griechischen Kreuzes, das den barocken Vorgängerbau geprägt hatte. Der Wiederauf-/Neubau der Stadtkirche Jever wurde am 10. Mai 1964 eingeweiht.

  • Der Architekt Dieter Oesterlen
    Bochum | Christuskirche | Foto: bednorz images

    Bochum | Christuskirche | Foto: bednorz images

    Dieter Oesterlen, geboren am 5. April 1911 im württembergischen Heidenheim, studierte Architektur: zunächst ab 1930 an der TH Stuttgart bei Paul Schmitthenner, dann ab 1934 an der TH Charlottenburg (Berlin) bei Heinrich Tessenow und Hans Poelzig. Im Anschluss an das Staatsexamen machte sich Oesterlen als Architekt selbständig und bewährte sich in den unterschiedlichsten Baugattungen – vom Wohnhaus über das Museum bis hin zum Soldatenfriedhof. Ab 1953 ging er außerdem als Professor an die TH Braunschweig, wo er mit Friedrich Wilhelm Kraemer und Walter Henn die „Braunschweiger Schule“ prägte. Von 1961 bis 1969 war der mehrfach mit Preisen ausgezeichnete Architekt Oesterlen Mitglied im Kuratorium des Instituts für Kirchenbau in Marburg und ab 1966 Mitglied der Akademie der Künste in Berlin. Er starb am 6. April 1994 im Alter von 83 Jahren in Hannover.

    Bereits vor dem Wettbewerbssieg in Jever hatte er mehrere moderne Anbauten an historische Kirchen umgesetzt, so zum Beispiel bei der Martinskirche in Hannover-Linden (1957) oder bei der Christuskirche in Bochum (1959). Wie diese vorhergehenden Bauwerke im „Wechselgespräch zwischen den Zeiten“ (Oesterlen) stehen, so zeichnet sich auch die Stadtkirche in Jever durch ihre geöffneten Wände und die besondere Deckenkonstruktion aus. Stets wählt er einen raumprägenden Materialmix aus Ziegel, Beton und Glas, der den Neubau vom Bestand abhebt, ohne ihn als Fremdkörper erscheinen zu lassen.

  • Literatur (Auswahl)
    • Dieter Oesterlen. Bauten und Texte 1946-1991, mit einer Einführung von Dietmar Brandenburger, Tübingen/Berlin 1992.
    • Anne Schmedding: Dieter Oesterlen. Tradition und zeitgemäßer Raum, Tübingen/Berlin 2011.
    • Hugo Schnell: Kirchenbauten des 20. Jahrhundert in Deutschland. Dokumentation, Darstellung, Deutung, München/Zürich 1973.
    • Bernhard Schönbohm: Die Stadtkirche und die St. Annen-Kapelle in Jever (DKV- Kunstführer 227), durchgesehen und aktualisiert von Enno Schönbohm, Berlin 2007.

     

    Wir danken allen Bildgebern für ihre freundliche Unterstützung: Die Bildnachweise werden jeweils am Bild selbst geführt.

Text: Anja Becker-Chouati M. A., Köln (Beitrag online seit 03/2018)

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