Mannheim

Pfingstbergkirche

Anschrift Kirche
Waldblick 30
68219 Mannheim
  • Informationen
    Kontakt / Öffnungszeiten Kirche Bitte im Pfarramt erfragen.
    Anschrift Pfarramt Pfarramt Pfingstberg
    Waldblick 30
    68219 Mannheim
    0621 873542
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    Öffnungszeiten Pfarramt DI, MI, FR: 10.00 - 12.00 Uhr
    Gottesdienstzeiten Kirche Die aktuellen Gottesdienstzeiten können online eingesehen werden: gemeinderheinau.ekma.de.
    Kirchen im Südwesten

Wie geschaffen für schwarz-weiß

Mehr Kontrast geht nicht: Zwischen dunklen Kieferstämmen leuchtet ein tempelähnliches Gebäude auf. Große Fensterflächen geben den Blick frei ins Innere, wo Betonstützen und eine grafisch strukturierte Decke fast den Wald fortzuführen scheinen. Dieses Wechselspiel von Hell und Dunkel setzte der Fotograf Robert Häusser um 1963 meisterhaft in Szene. Für seine Schwarz-Weiß-Aufnahme war die Mannheimer Pfingstbergkirche mit ihren scharfkantigen Betonelementen wie geschaffen. Und doch verbinden sich hier die Kontraste zwischen Außen- und Innenraum, Natur und Architektur zu einer kunstvollen Einheit – auf der Fotografie ebenso wie beim Besuch vor Ort live und in Farbe.

  • Überblick
    Ort
    Mannheim

    Landeskirche
    Evangelische Landeskirche in Baden


    Name der Kirche
    Pfingstbergkirche

    Einweihung
    1963 (13. Oktober)

    Architekt
    Carlfried Mutschler

    Künstler
    Otto Herbert Hajek
    Besonderheit
    Wandhohe Glasflachen verbinden den filigranen Betonbau aufs engste mit dem umgebenden Kiefernwäldchen.

    Nutzung
    Eine von drei Predigtstätten der Evangelischen Gemeinde Rheinau.

    Standort / Städtebau
    Im Südwesten von Mannheim, im Stadtteil Rheinau, liegt das Ensemble erhöht an der Straßenecke Waldblick/Waldgartenweg. Zur Siedlung am Fuß des Hangs öffnen sich die kirchlichen Bauten im Halbkreis: im Nordosten der Campanile, im Süden die Kirche, im Südwesten das flachgedeckte Pfarrhaus mit Jugendräumen.

  • Beschreibung
    Grundriss

    Mannheim | Pfingstbergkirche | Grundriss

    Mannheim | Pfingstbergkirche | Grundriss

    Der Grundriss der Pfingstbergkirche formt ein auf die Spitze gestelltes Viereck. Seine vier Seiten sind jeweils mittig einmal leicht nach außen geknickt, so dass sich streng genommen ein Achteck ergibt. Der Zugang liegt in der östlichen Spitze, der Altar ihr gegenüber im Westen. Dem Viereck wurden zwei Anbauten beigegeben: im Nordwesten eine Sakristei auf trapezförmiger Fläche, im Südosten der Emporenaufgang im halbkreisförmigen Bogen. Abgerückt von der Kirche, erhebt sich der Campanile im Nordosten auf quadratischem Grundriss.

     

    Außenbau

    Mannheim | Pfingstbergkirche | Foto: Maria Schumann

    Mannheim | Pfingstbergkirche | Foto: Maria Schumann

    Für den kupfergedeckten Stahlbetonbau der Kirche fügte der Architekt Carlfried Mutschler vorgefertigte Betonelemente zu einem luftigen Sprossenraster. Die Zwischenräume sind mit großformatigen Klarglasscheiben ausgefüllt. Ergänzt wird diese Konstruktion mit vor Ort gegossenen, massiven Betonelementen: Empore, Emporenaufgang und Sakristei. Im Gegensatz zu den glatten Sichtbetonoberflächen von Kirche und Campanile finden sich im Außenbereich verschiedene Waschbetonplatten bei Treppen, Wegen und Mauern.

     

    Innenraum

    Mannheim | Pfingstbergkirche | Foto: Robert Häusser

    Der Besucher betritt die Kirche über eine Treppe, die rechts des Turms den Hang empor bis zur Ostspitze der Kirche führt. Hier öffnet sich die halbhohe Umfriedung des Bauwerks, um ein Doppelpaar kupferbeschlagener Türen freizugeben. Aus dem Windfang und unter der Orgelempore hervortretend, leitet ein Mittelgang zwischen zwei hölzernen Bankblöcken zum zweifach gestuften Altarraum, hinter dem sich die Sakristei verbirgt. Halbhohe Betonstelen entlang der Seitenwände umhüllen die Beleuchtungskörper und schirmen die Gemeinde vom Außenraum ab. Die vier massiven, jeweils mittig an den Raumseiten angeordneten Stahlbetonstützen tragen eine grafisch gegliederte Betondecke: Ineinander verschränkte, wechselnd leicht nach außen und nach innen geknickte Dreiecksfelder werden durch ein Lamellenraster ausgefüllt.

  • Liturgie und Raum

    Mannheim | Pfingstbergkirche | Foto: Johannes Hünig

     

    „Die Fläche scheint lediglich aus dem Wald herausgeschnitten zu sein, um 350 bis 400 Menschen zum Gottesdienst zu versammeln“ (C. Mutschler). Nach dem Willen des Architekten werden die Gemeindeglieder aus ihrem Alltag heraus und mitten in die Natur hinein versetzt. Die von Kiefern umsäumte Kirche, die sich fast einem Zentralraum annähert, war ursprünglich auch für Musik- und Theateraufführungen gedacht. Diese Nutzung hat sich in der Praxis jedoch – wohl vor allen wegen der fest verankerten Altarraumgestaltung – nicht durchsetzen können. Über die Gottesdienstfeier hinaus wird die Pfingstbergkirche inzwischen von architektur- und kunstbegeisterten Touristen ebenso geschätzt wie von Brautpaaren, die das Besondere suchen.

  • Ausstattung

    Mannheim | Pfingstbergkirche | Foto: Johannes Hünig

     

    Schon am Eingang empfängt den Besucher eines der prägenden Ausstattungsstücke: eine wandhohe Betontafel, darin eingetieft ein Auszug aus der biblischen Pfingstgeschichte, deren Schriftzüge vom Grafiker A. Mayer entworfen wurden. Damit wird zum einen das Patrozinium der Kirche aufgegriffen, zum anderen die Rückseite der Orgel verdeckt. Im Inneren bildet die Altarraumgestaltung des Bildhauers Otto Herbert Hajek den einzigen bildhaften Schmuck. Dunkle, reliefierte Betonguss-Wandscheiben hinterfangen die in hellem Beton gehaltenen liturgischen Orte: im Mittelpunkt der Altartisch, von der Gemeinde aus gesehen links die Kanzel, rechts der Taufstein. Die Steinmeyer-Orgel wurde 1965 auf der Empore im Westen aufgestellt.

  • Von der Idee zum Bau

    Mannheim | Pfingstbergkirche | Foto: Johannes Hünig

     

    Der Ortsteil Pfingstberg wurde im Süden Mannheims in den frühen 1920er Jahren als Eisenbahnersiedlung begründet. Hier erhielten die Protestanten 1933 ihre erste Kirche, die nach einer Kriegszerstörung wiederauf- bzw. neugebaut wurde. Für einen größeren Kirchenbau an neuem Standort konnte nach einem Wettbewerb der Mannheimer Architekt Carlfried Mutschler gewonnen werden. 1957 erhielt die Gemeinde eine eigene Pfarrstelle, 1959 war das Pfarrhaus fertiggestellt. Für die neue, die heutige Pfingstbergkirche wurde der Grundstein am 26. Mai 1962 gelegt, die Einweihung am 13. Oktober 1963 gefeiert. Die alte Kirche diente bis zu ihrem Abriss im Jahr 1978 als Kindergarten.

  • Der Architekt Carlfried Mutschler
    Mannheim | Multihalle | Foto: Hubert Berberich (HubiB), CC BY 3.0

    Mannheim | Multihalle | Foto: Hubert Berberich (HubiB), CC BY 3.0

    Carlfried Mutschler wurde am 18. Februar 1926 in Mannheim geboren. Sein Architekturstudium führte ihn an die TH Karlsruhe, wo er 1951 bei Egon Eiermann das Diplom ablegte. Entscheidende Impulse erhielt er 1951 bei den Darmstädter Gesprächen, durch die Architekten Hans Scharoun und Hugo Häring. In seiner Heimatstadt begründete er ein Architekturbüro, das später den Namen Mutschler + Partner trug. Nach 1978 lehrte er an der Städelschule in Frankfurt, im selben Jahr wurde er 1978 mit dem Großen BDA-Preis und 1978 bzw. 1988 jeweils mit dem Hugo-Häring-Preis ausgezeichnet. Im Profanbau war Mutschler u. a. mit Frei Otto an der Mannheimer Multihalle zur Bundesgartenschau 1975 beteiligt. Als Spätwerk prägte er Mannheim 1991 mit dem postmodernen Stadthaus. Carlfried Mutschler verstarb am 22. Februar 1999 in Mannheim im Alter von 73 Jahren. Das Büro wird heute von seinem 1978 eingetretenen Partner Ludwig Schwoebel, wiederum gemeinsam mit Berufskollegen, weitergeführt.

    Für die Pfingstbergkirche, vor allem für deren Klarverglasung, wird in der Fachliteratur gerne der Vergleich zu skandinavischen (Espoo, Universitätskapelle, 1957, Kaija und Heikki Siren) oder amerikanischen Vorbildern (Palos Verdes, Wayfarers Chapel, 1950, Frank Lloyd Wright) herangezogen. Im protestantischen Kirchenbau der Bundesrepublik ließe sich mit derselben Berechtigung auf Beispiele verweisen wie Peter Lehreckes Kirche zur Heimat (1957) oder Paul Baumgartens Kirche am Lietzensee (1959), beide in Berlin. Ein solcher Naturbezug sollte sich bei vielen späteren evangelischen Gemeindezentren wandeln: zur Öffnung zum umgebenden Stadtteil. Mutschler selbst wiederholte seine bei der Pfingstkirche bewährte Zusammenarbeit mit Hajek mit der nunmehr hochgeschlossenen, noch konsequenter bauplastisch durchdrungenen Lukaskirche in Mannheim-Almenhof (1967).

  • Literatur (Auswahl)
    • Johannes Hünig: Blick ins Paradies. Transparenz und Naturbezug im modernen Kirchenbau, Hausarbeit, Hamburg, 2011 (Typoskript), 32-34.
    • Barbara Kahle: Deutsche Kirchenbaukunst des 20. Jahrhunderts, Darmstadt 1990, 144-145.
    • Carlfried Mutschler: Pfingstbergkirche in Mannheim, in: Bauwelt 1965, 3, 56-57.
    • S. Nagel/S. Linke (Bearb.): Kirchliches Bauen (DBZ-Baufachbücher), hg. von der Deutschen Bauzeitschrift, Gütersloh 1968, 116-119.
    • Wolfgang Pehnt: Neue deutsche Architektur, Teil 3, Stuttgart 1970, 212.
    • Andreas Schenk: Architekturführer Mannheim, hg. von der Stadt Mannheim, Berlin 1999, 233.
    • Horst Schwebel: Eine Scheu vor großen Gesten. Protestantischer Kirchenbau aus theologisch-liturgischer Sicht. An Aversion to Grand Gestures. Theological an Liturgical Perspectives on Protestant Church Architecture, in: Wolfgang Jean Stock (Hg.): Europäischer Kirchenbau. 1950-2000. European Church Architecture, München u. a. 2002, 212-223, hierin: 216-217.
    • Kerstin Wittmann-Englert: Zelt, Schiff und Wohnung. Kirchenbauten der Nachkriegsmoderne (Forschungen zur Nachkriegsmoderne), Lindenberg im Allgäu 2006, 118-121 (zugl. Habil., Berlin, 2004).
    • Evangelische Pfingstbergkirche, auf: mannheim.de (www.mannheim.de/de/stadt-gestalten/stadtgestaltung-und-stadtbild/baukultur/sehstationen-2013/12-evangelische-pfingstbergkirche, Abrufdatum: 8. August 2018).
    • Carlfried Mutschler: Pfingstbergkirche, 1962–1963, auf: SOSBRUTALISM (www.sosbrutalism.org/cms/15890231/, Abrufdatum: 7. August 2018).
    • Internetauftritt des Büros Schwoebel + Partner: www.s-m-architekten.de/buero.html (Abrufdatum: 31. Juli 2018).

     

    Wir danken allen Bildgebern für ihre freundliche Unterstützung: Die Bildnachweise werden jeweils am Bild selbst geführt.

Text: Dr. Karin Berkemann, Frankfurt am Main/Greifswald (Beitrag online seit 08/2018)

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