Schweinfurt

St. Kilian

Anschrift Kirche
St.-Kilian-Straße 2
97421 Schweinfurt

„Leichtigkeit und Transparenz“

Schweinfurt, das Zentrum der Kugellager-Industrie, geizt nicht mit Bauten der Moderne, verbunden mit manch namhaften Architekten – wie etwa Theodor Fischer, Paul Bonatz, Erich Schelling, Fred Angerer oder Volker Staab. Selbst Ludwig Mies van der Rohe entwarf einst einen Museumsbau für die Stadt am Main, der letztlich aber als Neue Nationalgalerie auf dem Kulturforum im damaligen West-Berlin ausgeführt wurde. Auch im modernen Kirchenbau hat die unterfränkische Industriemetropole einiges an Rang und Namen zu bieten: darunter etwa der im Stadtbild weithin sichtbare Großbau der katholischen Pfarrkirche St. Kilian, ausgezeichnet mit einem der größten Kirchenfenster Deutschlands.

  • Überblick
    Ort
    Schweinfurt

    Bistum
    Bistum Würzburg

    Name der Kirche
    St. Kilian

    Weihe
    1927 (13. November, Wiederauf-/Neubau: 20. September 1953)

    Architekten
    Albin Amann, Friedrich Ebert, Peter Krammer, Hans Schädel

    Künstler
    Julius Bausenwein, Georg Meistermann, Heinrich Söller, Peter Vollert
    Besonderheit
    Das von Hans Schädel entworfene und von Georg Meistermann ausgestaltete Baukunstwerk gehört in seiner subtilen Balance aus Monumentalität und Leichtigkeit zu den vielpublizierten Kirchen der 1950er Jahre.

    Nutzung
    Katholische Pfarrkirche der nördlichen Innenstadt von Schweinfurt, jetzt zur neuen Stadtpfarrei Schweinfurt gehörig, erweiterte Nutzung durch die Jugendkirche "kross".

    Standort / Städtebau
    St. Kilian liegt heute am westlichen Rand der Schweinfurter Innenstadt, am stark befahrenen Straßenzug "Stadtring". Ihrem hochaufragenden Chorbau und dem stadtbildprägenden Turm entsprechen im unmittelbaren Umfeld v. a. die Stadthalle und verschiedene Bildungseinrichtungen.

  • Beschreibung
    Grundriss

    Schweinfurt | St. Kilian | Grundriss

    Schweinfurt | St. Kilian | Grundriss

    St. Kilian erstreckt sich auf einem trapezförmigem Grundriss von Westen nach Osten. Begleitet von der aus Südwest nach Nordost verlaufenden Friedrich-Ebert-Straße (Stadtring), weist der leicht eingezogene, in einem Bogensegment abschließende Chor gen Osten. Der Turm zeigt sich in die Nordwand des Chorbereichs eingebunden, der Südseite des Schiffs vorgelagert ist ein sich nach Osten verbreiternder Erschließungsgang. Die Haupteingangssituation wurde von Westen her entwickelt und zur St.-Kilian-Straße hin auf das ab den 1920er/30er Jahren entstandene Stadtviertel bezogen.

     

    Außenbau

    Schweinfurt | St. Kilian | Foto: Tilman2007, CC BY SA 4.0

    Schweinfurt | St. Kilian | Foto: Tilman2007, CC BY SA 4.0

    Nach außen stellt sich St. Kilian als nahezu flachgedeckter Bau dar, den an der Nordseite ein hoch aufragender Glockenturm begleitet. Dieser wurde im Grundbestand vom Vorgängerbau übernommen, beim Wiederaufbau jedoch völlig neu gestaltet: in Fassadenentwicklung, Uhren- und weit geöffnetem Glockengeschoss sowie abgesetzt flachem, überkragendem Dachabschluss mitsamt schlichtem hohem Kreuzaufsatz. Auch der längsgerichtete Baukörper des Kirchenschiffs ist in schlichten Formen entwickelt. Einzig zwischen Betonrippen eingespannte, große, senkrecht verlaufende Fensterflächen öffnen die sonst glatten Fassaden der vorspringenden Westfront und der nördlichen und südlichen Seitenwände (je im Übergang zum Chor). Dergestalt ganz in Glas aufgelöst, hebt sich das zur (Haupt-)Straße hin aufragende Chorrund hervor. Der Südseite des Hauptschiffs lagert ein Erschließungsgang an, dessen Überdachung, von trapezförmigen Pfeilern getragen, als flaches Rundbogengewölbe ausgeführt wurde. Eben diese Gestaltungsidee greift auch die Bedachung des Hauptportals an der Westseite auf.

     

    Innenraum

    Schweinfurt | St. Kilian vor dem Umbau | Foto: Langholzinger, CC BY SA 4.0

    Schweinfurt | St. Kilian vor dem Umbau | Foto: Langholzinger, CC BY SA 4.0

    Beim Eintreten in das monumental wirkende Kirchenschiff wird der Blick unmittelbar zum lichtdurchfluteten Chor gelenkt. Diesen prägt eine Farbverglasung, die der Künstler Georg Meistermann auf der rund 250 Quadratmeter großen Fensterzone entwickelte. Im Übergang zwischen dem – auch als Werktagskapelle nutzbaren – Chor und dem Hauptraum legte man den Altarbereich an. Zwischen beiden vermitteln zudem die klar durchfensterten Seitenwände und eine in den Großraum ragende Deckenzunge. Den sich trapezförmig nach Westen öffnenden Kirchenraum gliedern eine kleinteilige, schuppenartig anmutende Deckenfläche sowie Beleuchtungskörper, die an Vogelschwingen erinnern. Die als Eingangsbereich entwickelte Westseite entfaltet sich fächerartig: Seitenportale aufnehmend, greift sie südlich und nördlich in den Raum zurück, während die Hauptportalzone samt darüber angeordnetem Westfenster nach hinten verspringt. Diesen räumlichen Versatz nimmt auch die den Eingangsbereich überspannende, dem Trapezgrundriss folgende Orgelempore auf.

  • Liturgie und Raum
    Schweinfurt | St. Kilian | Umbauplanung des Chorraums 2017 | Foto: hpjarchitekten, Gießen/Würzburg

    Schweinfurt | St. Kilian | Umbauplanung des Chorraums 2017 | Foto: hpjarchitekten, Gießen/Würzburg

    Liturgisch erscheint St. Kilian auf den ersten Blick noch vorkonziliar geprägt: mit einem längsgerichteten Hauptraum, einem über Stufen erhöhten Altarbereich und einer diesem vorgelagerten marmornen Kommunionbank. Doch steht der ebenfalls aus schwarzem Marmor gefertigte Altar am Übergang zum eingezogenen Chor frei und ist aus diesem heraus zum Hauptschiff verschoben. Der entsprechend leerfallende Chorraum wurde seinerzeit innovativ als – gegenläufig zum Hauptraum angelegte – Werktagskapelle/-kirche aus- und eingerichtet. Ein Anschluss an die Liturgische Bewegung wird weiters erkennbar, indem man über die Trapezform einen ebenso konzentrierenden wie orientierenden Raum zu gewinnen suchte. Umgestaltungen der 1960er und 70er Jahre haben die Altarzone bereits verändert. Aktuell wird der separat bespielbare Chor auf eine erweiterte Nutzung als Jugendkirche hin angepasst. Im Zwischenbereich von Kirche und historischem Pfarrhaus schuf ein neuer Zwischenbau bereits Räume für die kirchliche Jugendarbeit.

  • Ausstattung
    Schweinfurt | St. Kilian | Lampen | Foto: Langholzinger, CC BY SA 4.0 (Detail)

    Schweinfurt | St. Kilian | Lampen | Foto: Langholzinger, CC BY SA 4.0 (Detail)

    Die bald 250 Quadratmeter einnehmende Glasgestaltung des Chorfensters ist dem Thema „Pfingsten/Ausgießung des Heiligen Geistes“ gewidmet. Trotz einer zurückhaltenden Farbigkeit entfaltete der (Glas-)Maler Georg Meistermann damit große Strahlkraft. So scheint die ganze Fläche, in der helle Blau- und Grautöne die Grundfarben sich durchdringender Tropfen- oder Flammenformen darstellen, mit nur wenigen gelben und roten Akzenten geradezu in leuchtendes Feuer gerückt. Folgt man aktueller Literatur, wurden auch der Altar, der ursprüngliche Tabernakel, Taufe, Weihwasserbecken und die Beleuchtungskörper von Meistermann entworfen. Das den Altarbereich überspannende Hängekreuz schuf der Künstler Julius Bausenwein. Steinreliefs, Kreuzweg, Ambo und neuer Tabernakel stammen von Heinrich Söller, teils in Zusammenarbeit mit Peter Vollert. Die beiden Bankblöcke mit Mittelgang nehmen – wie die Stufenanlage und die Kommunionbank im Altarbereich – den trapezförmigen Grundriss auf und verjüngen sich, leicht schräg gestellt, zur Altarzone hin. Die Taufe wurde im Eingangsbereich platziert, die heutige Orgel, 1989/90 von Sandtner (Dillingen/Donau) unter Beratung durch Hans und Jürgen Schädel entwickelt, scheint geradezu schwebend über die Orgelempore und vor das Westfenster gesetzt. Bemerkenswert sind noch weitere Details, so die Türen mit ihren Beschlägen.

  • Von der Idee zum Bau
    Schweinfurt | St. Kilian | Foto: Tilman2007, CC BY SA 4.0

    Schweinfurt | St. Kilian | Foto: Tilman2007, CC BY SA 4.0

    Im Gefolge der Reformation wurde die Reichsstadt Schweinfurt 1542 evangelisch. Erst mit dem Verlust ihrer Eigenständigkeit und dem Übergang nach Bayern zogen ab dem beginnenden 19. Jahrhundert wieder Katholiken zu. Für deren mit der Industrialisierung aufstrebende Gemeinde wurde in den 1920er Jahren ein weiterer Kirchenbau im Westen der Stadt notwendig. So entstand St. Kilian ab 1926 nach Plänen des Schweinfurter Architekten Peter Krammer in neubarocker Formensprache. In verheerenden Luftangriffen wurde die Kirche – wie Teile der Stadt – bis 1945 großteils zerstört, nur Teile der Außenmauern samt Turm mit ausgebrannter Zwiebelhaube blieben aufrecht. Teile davon – v. a. in den Bereichen Eingang, Turm und Chor – verwendete Hans Schädel als beauftragter Architekt des Nachfolgebaus weiter. Der Grundstein hierfür konnte am 21. September 1952 gelegt werden. Für eine Gemeinde mit seinerzeit 14.000 Pfarreimitgliedern entstand ein im September 1953 durch Bischof Julius Döpfner eingeweihter Neubau in moderner Formensprache.

  • Der Architekt Hans Schädel
    Berlin | Maria Regina Martyrum | Foto: Alfred Englert

    Berlin | Maria Regina Martyrum | Foto: Alfred Englert

    Hans Schädel wurde 1910 in Randersacker bei Würzburg geboren. Nach Steinmetzlehre und Besuch der Technischen Lehranstalt in Nürnberg fand er 1934 im Bauamt der Stadt Würzburg Anstellung. 1938 stieg er zum Stadtbaumeister auf. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er für das Bistum Würzburg tätig und leitete von 1946 bis 1974 dessen Bauamt. Ab 1956 als Dombaumeister, ab 1971 als Diözesanbaudirektor hat er hier, aber auch anderenorts mehr als 80 Kirchen wiederaufgebaut, umgestaltet oder neu errichtet. So prägte er nicht nur den Nachkriegskirchenbau seiner Diözese, sondern wurde auch über deren Grenzen hinaus bekannt – wie besonders mit der Gedenkkirche Maria Regina Martyrum (1963, mit Friedrich Ebert) in Berlin.

    An der optimalen Mitfeier der Gemeinde orientiert, sind die Neuaufbrüche Schädels in der Nachkriegszeit freilich kaum ohne die Unterstützung von Bischof Julius Döpfner vorstellbar, der ihm im Kirchenbau neue Wege ermöglichte. In und um Schweinfurt, wo Schädel neben St. Kilian noch weitere Kirchen plante, trat er in eine bis heute eindrückliche Konkurrenz. Tummelten sich im Nachkriegskirchenbau neben ihm hier doch Architekten wie Albert Köhler, Olaf Andreas Gulbransson oder Gerhard Weber auf evangelischer, Hans Döllgast, Lothar Schlör oder Fritz Lill auf katholischer Seite. Künstler wie Hubert Elsässer, Georg Meistermann, Fritz Koenig, Ludwig Schaffrath oder Johannes Schreiter traten hinzu. Hans Schädel ist 1996 in seinem Geburtsort Randersacker verstorben.

  • Literatur (Auswahl)
    • Michael Bucher: Die katholische Pfarrkirche St. Kilian, in: Rolf Schamberger/Michael Bucher/Karl-Heinz Weppert (Bearb.): Wie lange müssen wir noch in diesen Ängsten leben? Schweinfurt zwischen Zerstörung und Wiederaufbau: Lebenserinnerungen, Bilddokumente und Berichte, Schweinfurt 1995, 111ff.
    • Christiane Lange: Zum Werk von Hans Schädel. Ein Beitrag zum Kirchenbau der fünfziger Jahre in Deutschland, Weimar 1995.
    • Jürgen Lenssen: Aufbruch im Kirchenbau. Die Kirchen von Hans Schädel, hg. v. d. Freunden Mainfränkischer Kunst und Geschichte e. V., Würzburg (Mainfränkische Hefte 88), Würzburg 1989.
    • Martin Matl u. a. (Bearb.): Architekturführer Schweinfurt. Bauten nach 1945, hg. v. AIV Architekten- und Ingenieurverein Schweinfurt, Münsterschwarzach 2014 (hieraus auch das Zitat im Titel dieses Beitrags).
    • Franz Meunier: Zum Werk von Hans Schädel, in: das münster 27, 1974, 358f.
    • Erich Schneider: Schweinfurt und seine Denkmäler. Architektur – Kunst – Technik (Veröffentlichungen des Historischen Vereins Schweinfurt NF 9), Schweinfurt 2015.
    • Richard Schömig: Dombaumeister Hans Schädel, in: das münster 27, 1974, 357.
    • Schweinfurt, St. Kilian auf: kirchbau.de (Abruf: 8. September 2017).
    • Internetpräsenz des Büros hjparchitekten, Gießen/Würzburg: www.hjp-architekten.net.

     

    Wir danken allen Bildgebern für ihre freundliche Unterstützung: Die Bildnachweise werden jeweils am Bild selbst geführt.

Text: Dr. Matthias Ludwig, Schweinfurt (Beitrag online seit 09/2017)

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