Untermarchtal

Vinzenzkirche

Anschrift Kirche
Margarita-Linder-Straße
89617 Untermarchtal
  • Informationen
    Kontakt / Öffnungszeiten Kirche tagsüber geöffnet
    Anschrift Pfarramt Barmherzige Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul
    Margarita-Linder-Straße 8
    89617 Untermarchtal
    07393 300250
    E-Mail
    Zur Webseite
    Gottesdienstzeiten Kirche Die aktuellen Gottesdienstzeiten können online eingesehen werden unter: www.untermarchtal.de/gottesdienste.
    Kirchen im Südwesten

Bergauf

Viele Radfahrer sehnen sich danach, endlich in der Vinzenzkirche anzukommen. Das mag mit den zahlreichen Steigungen des wildromantischen Donautals zu tun haben – oder mit einem geistlichen Anliegen. Die Barmherzigen Schwestern jedenfalls, die hier seit 1891 ihr Kloster aufgeschlagen haben, verstehen ihre 1972 geweihte Kirche als „Dank- und Tankstelle“. Auf einer Anhöhe gelegen, heißt der betonplastisch geschwungene Bau alle Besucher mit ihren unterschiedlichen Anliegen willkommen. Gäste können die Glaubens- und Kulturkurse des dortigen Bildungsforums wahrnehmen. Radfahrer, Pilger und Touristen können vor Ort einkehren und die Produkte der klostereigenen Bäckerei oder Metzgerei verkosten. Und an jedem ersten Sonntag im Mai laden die Schwestern zum Radfahrergottesdienst mit Segnung ein.

  • Überblick
    Ort
    Untermarchtal

    Bistum
    Bistum Rottenburg-Stuttgart

    Name der Kirche
    Vinzenzkirche

    Weihe
    1972 (27. September)

    Architekt
    Hermann Baur

    Künstler
    Ferdinand Gehr, Pieroni Selmoni
    Besonderheit
    Im wildromantischen Donautal auf einer Anhöhe gelegen, verleiht die betonplastische Vinzenzkirche der Klosteranlage einen modernen Akzent im Geist des konziliaren Aufbruchs.

    Nutzung
    Kloster- und Radfahrerkirche

    Standort / Städtebau
    Zwischen der Donau und einer Grünanlage im Norden, der Bundesstraße im Westen und der historischen Klosteranlage im Südosten erhebt sich die betonsichtige Vinzenzkirche gut sichtbar auf einer Anhöhe.

  • Beschreibung

    Grundriss

    Untermarchtal | Vinzenzkirche | Grundriss

    Untermarchtal | Vinzenzkirche | Grundriss

    Der Grundriss der Vinzenzkirche entfaltet sich vom elliptischen Altarraum her. Dieser öffnet sich nach Nordosten zum weiten tropfenförmigen Kirchenraum. In diese amorphe Form sind weitere Bauglieder eingeschrieben: im Westen die kreisrunde Tabernakelkapelle, im Osten der ovale Glockenturm und im Südosten der elliptische Orgelbereich. Dem Schwung des Grundrisses folgend, sind im Norden zudem Sakristeiräume, Beichtkapelle, Aufgang und Empore vorgelagert.

     

    Außenbau

    Untermarchtal | Vinzenzkirche | Foto: Martin Schall

    Untermarchtal | Vinzenzkirche | Foto: Martin Schall

    Auf einer Anhöhe erhebt sich die betonsichtige, hochgeschlossene und flachgedeckte Vinzenzkirche. Ihr Äußeres wird von den beiden zylindrischen Baugliedern überragt: Tabernakel- und Glockenturm. Nach diesen bildet der Altarraum den höchsten Punkt des Kirchenbaus. Dem ordnen sich die weiteren ein- und ausschwingenden Formen unter.

     

    Innenraum

    Untermarchtal | Vinzenzkirche | Foto: Genossenschaft der Barmherzigen Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul in Untermarchtal e. V.

    Untermarchtal | Vinzenzkirche | Foto: Genossenschaft der Barmherzigen Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul in Untermarchtal e. V.

    Ein Weg windet sich – vorbei am als Krypta gedachten Untergeschoss – empor bis zur Kirche. Ihr Vorplatz ist mit grauen Natursteinplatten belegt, zwischen denen eine kreisrunde weiße Marmorscheibe den Ort des Osterfeuers markiert. Weiter gelangt man über die geschwungene Rampe bis zum Kirchenraum. Drei Bankblöcke umfangen halbkreisförmig den Altarbereich. Der gesamte Raum wird zumeist indirekt über klar verglaste Fensterschlitze und Oberlichter erhellt. Ganz ohne Lampen streut das Tageslicht über den körnigen Wandputz des weiß gefassten Raums.

  • Liturgie und Raum
    Untermarchtal | Vinzenzkirche | Tabernakel | Foto: Genossenschaft der Barmherzigen Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul in Untermarchtal e. V.

    Untermarchtal | Vinzenzkirche | Tabernakel | Foto: Genossenschaft der Barmherzigen Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul in Untermarchtal e. V.

    Als in Untermarchtal eine neue Klosterkirche entstehen sollte, gaben die Barmherzigen Schwestern ihrem Architekten Hermann Baur ein Konzept an die Hand. Der Altar sollte die inhaltliche wie räumliche Mitte des Neubaus bilden. In der Aufbruchsstimmung des Zweiten Vatikanischen Konzils (1963-65) wollten sie die Kirche als Versammlungs- und Feierraum verstanden wissen. Daher liegt der Altar am tiefsten Punkt des Innenraums: Nachdem der Besucher über den Hügel und eine geschwungene Rampe emporgeführt wurde, fällt der Boden bis zum Altar hin wieder ab. Darüber bildet der Kirchenraum (sieht man von Tabernakel- und Glockenturm ab) seinen höchsten Punkt aus. Programmatisch durchdringen sich nicht nur die Horizontale und Vertikale, sondern auch der Innen- und Außenraum: Die Naturstein-Bodenplatten setzen sich bis in den Kirchenraum fort, wo feste Pflanzkübel wiederum die Natur hereinholen.

  • Ausstattung
    Untermarchtal | Vinzenzkirche | Orgel | Foto: Genossenschaft der Barmherzigen Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul in Untermarchtal e. V.

    Untermarchtal | Vinzenzkirche | Orgel | Foto: Genossenschaft der Barmherzigen Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul in Untermarchtal e. V.

    Für die Ausstattung der Vinzenzkirche arbeitete der Architekt Hermann Baur eng mit dem Maler Ferdinand Gehr und dem Bildhauer Pieroni Selmoni zusammen: Selmoni fertigte u. a. die abstrakten Skulpturen am Aufgang zum Kirchenraum, die Altarleuchter aus schwarzem Granit sowie Altar und Tabernakel aus weißem Marmor. 1975 kam die gegenständliche Skulptur des Hl. Vinzenz von Paul am Übergang zum Kirchenraum hinzu. Auf einen Taufstein verzichtete die Klostergemeinschaft zugunsten eines markanten Weihwasserbeckens aus weißem Marmor. Von Gehr stammen u. a. die abstrakte Ausmalung des Eingangsbereichs und des Tabernakelturms sowie das 1976 vollendete Wandbild zu apokalyptischen Motiven zwischen Nordost-Eingang und Sakristei. Aus hellem Holz gefertigt, verbinden die Bänke, der Ambo und die Sedilien sinnfällig Gemeinde- und Altarraum. Die 1975 eingeweihte Orgel entstand in der Werkstatt von Winfried Albiez. Ebenso sind drei historische Skulpturen zu nennen, die in den modernen Kirchenraum eingebunden wurden: die schwäbische Pietà von 1430/40, das Kruzifix des frühen 16. Jahrhunderts aus Wangen im Allgäu und die oberschwäbische Darstellung der Dreifaltigkeit aus der Zeit um 1750.

  • Von der Idee zum Bau
    Untermarchtal | Hl. Vinzenz von Paul | Foto: Genossenschaft der Barmherzigen Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul in Untermarchtal e. V.

    Untermarchtal | Hl. Vinzenz von Paul | Foto: Genossenschaft der Barmherzigen Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul in Untermarchtal e. V.

    Die karitative Ordensgemeinschaft der „Barmherzigen Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul“ reicht bis ins 17. Jahrhundert zurück. Ihr Mutterhaus in Schwäbisch Gmünd wurde 1858 eröffnet, bevor sich die Schwestern 1891 in Untermarchtal niederließen. Hierfür erweiterten sie die Schlossanlage der Freiherrn von Speth, deren Kern noch aus dem 16. Jahrhundert stammt, stufenweise um Noviziatsgebäude, Exerzitienhaus, Schwesternkrankenhaus, Altenheim und Wirtschaftsgebäude. An die Stelle der 1909 fertiggestellten Klosterkirche, der sog. Rosenkranzkirche, sollte im Zeichen des konziliaren Aufbruchs ein moderner Neubau treten. Die Wahl fiel auf den Baseler Architekten Hermann Baur. Für die dem Hl. Vinzenz von Paul geweihte Klosterkirche wurde 1970 der Grundstein gelegt und am 27. September 1972 die Weihe vollzogen.

  • Der Architekt Hermann Baur
    Birsfeld | Katholische Kirche | Foto: Roland Zumbühl, GFDL oder CC BY SA 3.0

    Birsfeld | Katholische Kirche | Foto: Roland Zumbühl, GFDL oder CC BY SA 3.0

    Hermann Baur wurde am 25. August 1894 in Basel geboren. Zunächst absolvierte er eine Lehre beim Baumeister Rudolf Lindner, bevor er an der ETH Zürich bei den Architekten Karl Moser, Hans Bernoulli und Fritz von Niederhäusern hospitierte. Nach einer kurzen Tätigkeit im Elsass gründete Baur 1927 in Basel ein eigenes Büro. Neben seinen Bauten entfaltete er große Wirkung u. a. durch einen Lehrauftrag in Zürich sowie sein Engagement im Bund Schweizer Architekten, im Schweizer Werkbund und im Schweizer Kunstverein.

    Über prägende Profanbauten vor allem in seiner Heimatstadt Basel hinaus wurde Baur durch zahlreiche Kirchen bekannt. Hierbei entfaltete er den anfänglich rechtwinkligen Grundriss hin zu einer freier geschwungenen Form. Als Meilenstein dieser Entwicklung kann die organisch geformte Katholische Kirche in Birsfeld (1959) gelten. Baurs stilistischer Weg führte schließlich zu betonplastischen Baukörpern wie der Vinzenzkirche (1972) in Untermarchtal, in der manche Forscher auch den Einfluss von Le Corbusier und seiner Wallfahrtskirche in Ronchamp (1955) erkennen. Am 20. Dezember 1980 verstarb Hermann Baur im Alter von 86 Jahren in Binningen bei Basel.

  • Literatur (Auswahl)
    • Hermann Baur. Architektur und Planung in Zeiten des Umbruchs, Katalog, Architekturmuseum Basel, 27. August bis 30. Oktober 1994, Basel 1994.
    • Hermann Baur/Fritz Metzger: Kirchenbauten von Hermann Baur und Fritz Metzger, Zürich 1956.
    • Christian Antz/Karin Berkemann (Hg.): 100 spirituelle Tankstellen. Reisen zu christlichen Zielen, aktualisierte Neuausgabe, Freiburg im Breisgau u. a. 2013, 162-163.
    • Sabine Kraume-Probst: St. Vinzenz in Untermarchtal. Klare Formen zur inneren Sammlung, in: Gotteszelt und Großskulptur. Kirchenbau der Nachkriegsmoderne in Baden-Württemberg (Ausstellungskatalog Zwölf). Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart, Arbeitsheft 38, Ostfildern 2019, 228-233.
    • Wolfgang Urban: „Kommt, wir ziehen hinauf zum Berg des Herrn!“ Architektur und Spiritualität. Vinzenzkirche Untermarchtal, Lindenberg im Allgäu 2009.

     

    Wir danken der Genossenschaft der Barmherzigen Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul in Untermarchtal e. V.  sowie Martin Schall und allen weiteren Bildgebern für die Erlaubnis, die Bilder der Vinzenzkirche hier zeigen zu dürfen.

Text: Dr. Karin Berkemann, Frankfurt am Main/Greifswald (Beitrag online seit 10/2017)

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