Aachen

St. Fronleichnam

Anschrift Kirche
Leipziger Straße 19
52068 Aachen
  • Informationen
    Kontakt / Öffnungszeiten Kirche MO - SA: 8.30 - 17.00 Uhr
    SO: 10.00 - 12.00 Uhr
    Anschrift Pfarramt St. Josef und Fronleichnam
    Leipziger Straße 19
    52068 Aachen
    0241 501041
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    Öffnungszeiten Pfarramt MO: 11.00 - 12.00 Uhr
    DI: 14.00 - 15.00 Uhr
    MI: 10.00 - 12.00 Uhr
    FR: 14.00 - 15.00 Uhr
    Gottesdienstzeiten Kirche Aktuelle Gottesdienstzeiten und Veranstaltungshinweise finden Sie online unter: www.st-josef-und-fronleichnam.de/web/aktuelles/index.php.
    Kirchen im Westen

Stille Gegenwart

„Das ist keine Leere; das ist Stille! Und in der Stille ist Gott“, urteilte der große Theologe und Vordenker der Liturgischen Bewegung Romano Guardini über die Aachener Kirche St. Fronleichnam. Er scheint diese Worte den zahlreichen bornierten Kritikern der 1930er Jahre zuzurufen, die diesem damals bahnbrechenden Bau die Sakralität absprechen wollten. Denn der Architekt Rudolf Schwarz besaß den Mut, einfach nur das in Stein, Stahl und Glas zu übertragen, was im Kirchenbau und der Theologie seinerzeit an Neuem in der Luft gelegen hat. Alles nur Äußerliche, jegliche Dekoration, ist ausgelöscht zugunsten der Urform eines Raums, der nicht mehr und nicht weniger als ein Behältnis oder eine Hülle für das Wesentliche ist – die stille Gegenwart Gottes im Angesicht seines vor ihm versammelten Volkes.

  • Überblick
    Ort
    Aachen

    Bistum
    Bistum Aachen

    Name der Kirche
    St. Fronleichnam

    Einweihung
    1930 (21. Dezember)

    Architekten
    Rudolf Schwarz, Hans Schwippert

    Künstler
    Walter Ditsch, Wilhelm Rupprecht, Fritz Schwerdt
    Besonderheit
    Die Kirche St. Fronleichnam stellt aufgrund ihrer kompromisslos kubischen Formensprache sowie ihres stringenten theologischen Konzepts ein Schlüsselwerk des modernen Sakralbaus dar.

    Nutzung
    Pfarrkirche der Pfarrgemeinde St. Josef und St. Fronleichnam

    Standort / Städtebau
    Der Bau sticht durch seine Größe und architektonische Klarheit aus der kleinteiligen Bebauung der Arbeitssiedlung heraus.

  • Beschreibung

    Grundriss

    Aachen | St. Fronleichnam | Grundriss

    Der Grundriss der Kirche spiegelt ihr einfaches kubisches Erscheinungsbild wider. Alle Raumelemente zusammen bilden ein Rechteck, das sich in ein Hauptschiff mit Altarraum und ein schmaleres Seitenschiff unterteilt. Von letzterem durch Wände eigens separiert sind im Westen ein gläserner Windfang sowie im Osten die Sakristeiräume. An diese schließt sich – jedoch außerhalb des Kirchenrechtecks – der Glockenturm an.

     

    Außenbau

    Aachen | St. Fronleichnam | Außenbau | Foto: Moritz Bernoully, CC BY SA 3.0.Von außen präsentiert sich St. Fronleichnam als völlig ohne schmückende Gliederungselemente auskommender Quader mit flachem Satteldach und flach gedecktem Seitenschiff. Nur ein Band quadratischer Fenster sowie ein paar wenige Stahltüren, die mit Kupfer bezogen sind, durchbrechen die ansonsten weiß verputzten Wände. Die Altarwand kommt sogar ganz ohne Fensteröffnungen aus. Der mit seinen 40 Metern das Hauptschiff überragende Glockenturm passt sich in seiner Gestaltung der kühlen Funktionalität des Baus an.

     

    Innenraum
    Aachen | St. Fronleichnam | Innenraum | Foto: Florian Monheim

    Man betritt die Kirche durch einen mit Glaswänden vom Seitenschiff abgetrennten Windfang. Das Westportal wird nur zu besonderen Gelegenheiten geöffnet. Vom Windfang aus kann man entweder einen Blick ins niedrige, fensterlose und damit kontemplativ-dunkle Seitenschiff werfen oder direkt den stützenlosen, kubischen Hauptraum betreten, ein „reiner Einraum“, wie Rudolf Schwarz ihn selbst genannt hat.

    Seine architektonische Klarheit erhält der Raum durch den einheitlichen weißen Putz von Wänden und Flachdecke. Fußboden, Altarstufen sowie einige weitere Ausstattungselemente sind dagegen kontrastvoll in dunklem Ardennen-Blaustein ausgeführt, das Gestühl in schwarz gebeiztem Holz. Licht fällt in den Hauptraum über ein hoch gelegenes Band quadratischer Sprossenfenster ein. Nur in der nordöstlichen Langhauswand wurden zweimal drei Fensterquadrate übereinandergestellt, sodass der erhöhte Stufenberg mit dem Altar eine besondere Beleuchtung erfährt.

  • Liturgie und Raum

    „Der Weg“ nannte Rudolf Schwarz das Konzept, das er St. Fronleichnam zugrunde legte: Es sieht die gemeinsame liturgische Ausrichtung aller Gläubigen – ursprünglich auch des Priesters – in ein und dieselbe Richtung vor: nach Osten zum erhöhten Altar hin. Gott selbst stellt folglich das Ziel des Weges dar. Der Raum und die Wand hinter dem Altar müssen daher konsequenterweise leer bleiben.

    Von diesem Konzept ausgehend, führte Schwarz den Kirchenraum auf sein Elementarstes, d. h. drei Zonen, zurück: 1. das Kirchenschiff, dort wo sich die Gemeinde in gleichförmigen Bankreihen versammelt – in St. Fronleichnam gleichsam „marschbereit“ auf Gott zu, 2. den mit Stufen erhöhten Altarraum als Raum des Übergangs, die „Schwelle“, wo Christus wohnt, und dahinter 3. den nicht betretbaren Raum des Herrn, auf den hin wir unsere Gebete sprechen und von wo wir Gottes Antwort vernehmen – das Ziel des Weges.

    Aachen | St. Fronleichnam | Innenraum | Foto: Moritz Bernoully, GFDL oder CC BY SA 3.0

    Einen anderen Stellenwert nimmt die kastenförmige Kanzel ein: Da die Predigt bis zur Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils nicht als Bestandteil der eucharistischen Liturgie galt, wurde die Kanzel außerhalb des Altarbereichs, am Pfeiler zwischen Haupt- und Seitenschiff, angebracht.

    Eine Verwässerung des liturgischen Konzepts von Schwarz ergab sich 1980 aus dem „Herausziehen“ einer zweiten Altarebene aus dem Stufenberg (wofür auch davor befindliche Altarschranken weichen mussten) und dessen Bestückung mit einem Zelebrationsaltar und einem Ambo. Durch diese Annäherung der zentralen liturgischen Handlungsorte an den Gemeinderaum sollte (ganz im Sinne der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils) stärker zum Ausdruck gebracht werden, dass Liturgie nicht Feier für die Gemeinde ist, sondern Feier der ganzen Gemeinde.

  • Ausstattung

    Aachen | St. Fronleichnam | Tabernakel | Foto: S. Angerhausen

    Wie die Architektur selbst, lag auch die Ausstattung des Innenraums in der Verantwortung des Architekten Rudolf Schwarz. Die einzelnen Gestalter kamen aus dem Kreis der Lehrer der Kunstgewerbeschule Aachen, deren Leitung er ab 1927 innehatte. Auf einige Details sei ausdrücklich hingewiesen: Vom bedeutenden Kirchengoldschmied Fritz Schwerdt (1901-70) stammen eine Reihe kleinerer Arbeiten: das emaillierte Altarkreuz (mit einem kleinen Elfenbeinkruzifixus von Walter Ditsch), mehrere Leuchter sowie der erst 1958 geschaffene, teilweise farbig gefasste und mit Steinen besetzte Tabernakel, der ein einfach gestaltetes kastenförmiges Modell aus der Erbauungszeit ersetzte.

    Aachen | St. Fronleichnam | Kreuzweg | Foto: S. Angerhausen

    Nach Entwürfen des Malers Wilhelm Rupprecht (1886-1963) stickte dessen Frau bis 1936 die 14 Kreuzwegstationen im Seitenschiff. Auch das Gemälde einer Madonna mit Kind neben dem Seitenaltar entspringt seiner Hand. Das Brustbild der heiligen Theresa von Lisieux malte dagegen der Architekt Hans Schwippert (1899-1973). Auf diesen am Entwurf für St. Fronleichnam maßgeblich beteiligten Mitarbeiter von Rudolf Schwarz geht auch das quadratische Orgelgehäuse zurück.

    Die geschnitzten Standbilder der heiligen Judas Thaddäus und Joseph, des Patrons der Arbeiter und der Mutterpfarrei, stellten im Gegensatz zu den anderen Ausstattungsgegenständen in den Augen von Rudolf Schwarz nur „bedauerliche Zutaten“ dar. Ebenfalls von Schwarz konzipierte Ausstattungsdetails stellen mehrere von der Decke herabhängende Lichtschnüre dar, die an ihrem unteren Ende mit Bleikugeln beschwert sind. An ihnen sind jeweils zwölf Leuchtzylinder befestigt.

  • Von der Idee zum Bau

    Für die seit den 1920er Jahren stark wachsende Gemeinde St. Josef im Aachener Ostviertel, einem typischen Arbeiterquartier der damaligen Zeit, wurde im Jahre 1928 von dem zuständigen Pfarrer Peter Tholen der Bau einer zweiten Kirche in die Wege geleitet. Mit der Planung beauftragte er den Architekten Rudolf Schwarz, der sich als Direktor der Kunstgewerbeschule Aachen sowie durch Entwürfe anlässlich des Wettbewerbs zur Aachener Heilig-Geist-Kirche empfohlen hatte.

    Die insgesamt vier von Schwarz und seinem Mitarbeiter Hans Schwippert vorgelegten Entwürfe wurden zunächst weder vom Generalvikariat in Köln noch von der städtischen Baubehörde genehmigt. Das Bistum bemängelte insbesondere den fehlenden kirchlichen Charakter der Pläne, während die Aachener Stadtverwaltung die eingereichten Unterlagen ohne Begründung als „nicht besprechungsfähig“ einstufte. Einzig einer Intervention des Kunstbeirats der Stadt ist schließlich die kommunale Baugenehmigung zu verdanken. Eine Genehmigung des Kölner Erzbistums blieb indessen aus. Jedoch wähnte die Kölner Kirchenbehörde die Verantwortung bei dem gerade erst neu gegründeten Bistum Aachen, das keine Aktivität in der Angelegenheit zeigte, sodass Pfarrer Tholen und Schwarz die Zeit nutzten, um Tatsachen zu schaffen: Richtfest konnte man bereits im August 1930 feiern, die Weihe folgte am 21. Dezember 1930.

    Der Raum blieb seitdem fast unverändert erhalten. Rudolf Schwarz und später seiner Witwe Maria gelang es, sich zumeist erfolgreich gegen jegliche Veränderungen am Bau oder in der Ausstattung, etwa gegen die Bemalung der leeren Ostwand, zu wehren. So konnte die Gemeinde letztlich nur wenige Veränderungen umsetzen, wie z. B. im Jahre 1980 die Errichtung des unteren Podestes (Josef Röhrlich, Aachen) mit Zelebrationsaltar (Klaus Iserlohe, Aachen) und Ambo im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils.

  • Der Architekt Rudolf Schwarz

    Die Bedeutung der Pfarrkirche St. Fronleichnam für das architektonische Werk von Rudolf Schwarz (1897-1961) und die Geschichte der modernen Sakralarchitektur kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Hier gelang es dem damals noch jungen Architekten, seine Vorstellung von einem zeitgemäßen Kirchenbau konsequent umzusetzen.

    St. Fronleichnam hätte es ohne die enge Beziehung, die Rudolf Schwarz zur katholischen Jugendbewegung „Quickborn“, pflegte, nicht gegeben. Deren Sammelpunkt, Burg Rothenfels in Unterfranken, stieg unter der Leitung des Religionsphilosophen und Theologen Romano Guardini ab 1924 zu einem Zentrum der Liturgischen Bewegung auf. Rudolf Schwarz wurde mit der Renovierung der maroden Burg beauftragt. Hier konnte er bei der Sanierung der Burgkapelle sowie des ebenfalls liturgisch genutzten Rittersaals erstmals die Anliegen der Liturgischen Bewegung in die Realität umsetzen. Architektonisch begleiteten ihn damals schon die Ideen des Bauhauses, des Neuen Bauens.

  • Literatur (Auswahl)
    • August Brecher: Eine junge Pfarre im Aachener Ostviertel. Die Pfarre St. Fronleichnam 1930-1996, Aachen 1997.
    • Romano Guardini: Die neuerbaute Fronleichnamskirche in Aachen, in: Schildgenossen 11, 1931, 266-268.
    • Hans Karlinger: Die Fronleichnamskirche in Aachen, in: Die christliche Kunst 27, 1930/31, 248-250.
    • Religiana.com: Corpus Christi Church, Aix-la-Chapelle
    • Ulrich Schäfer: Die Pfarrkirche St. Fronleichnam in Aachen, München 2007.
    • Rudolf Schwarz: Erneuerung des Kirchbaus?, in: Die Form 5, 1930, 545-556.
    • Rudolf Schwarz: Kirchenbau. Welt vor der Schwelle, 2. Aufl. hg. von Maria Schwarz u. a., Regensburg 2007.
    • Rudolf Schwarz: Zum Bau der Kirche, 3. Aufl., Salzburg u. a. 1998.
    • Walter Zahner: Rudolf Schwarz. Baumeister der Neuen Gemeinde. Ein Beitrag zum Gespräch zwischen Liturgietheologie und Architektur in der Liturgischen Bewegung (Münsteraner Theologische Abhandlungen 15), Altenberge 1992.

     

    Wir danken allen Bildgebern für ihre freundliche Unterstützung: Die Bildnachweise werden jeweils am Bild selbst geführt.

Text: Manuel Uder M. A., Trier (Beitrag online seit 08/2016)

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