Alzenau-Kälberau

Maria zum rauhen Wind

Anschrift Kirche
Michelbacher Straße 14
63755 Alzenau-Kälberau
  • Informationen
    Kontakt / Öffnungszeiten Kirche tagsüber geöffnet
    Anschrift Pfarramt Pfarr- und Wallfahrtsbüro Alzenau-Michelbach
    Trageser Weg 2
    63755 Alzenau-Michelbach
    06023 1354
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    Öffnungszeiten Pfarramt Öffnungszeit am Verwaltungssitz Michelbach:
    DO: 9.00 - 11.00 Uhr
    FR: 15..00 - 17.00 Uhr
    Öffnungszeit in der Aussenstelle Kälberau:
    MI: 15.30 - 16.30 Uhr
    Gottesdienstzeiten Kirche Die Wallfahrtstage sind: Krankenwallfahrten, Pfingsten, Mariä Heimsuchung (2. Juli), Mariä Geburt (Patrozinium: 8. September).
    Die Gottesdienstzeiten können online abgerufen werden unter: www.pg-apostelgarten.de/aktuelles/gottesdienstordnung
    Kirchen im Süden

„Die froheste Kirche unseres Jahrhunderts“

Welch’ ein Glück, wenn eine Vision von der Wirklichkeit eingeholt wird. Gerade vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65) war das häufiger der Fall. Architektonische Erprobungen gaben oft erst den Anstoß für kirchliche Verlautbarungen. So auch in Kälberau. Dort entwarf Hans Schädel den Erweiterungsbau für die spätgotische Wallfahrtskirche: einen Zentralraum mit dem Altar in der geometrischen Mitte. Als der Bau 1957 geweiht wurde, stand der Altar jedoch ganz traditionell in der mittleren Konche des kleeblattförmigen Grundrisses. Auch die Idee, wenigstens die Marienfigur in die Mitte zu rücken, wurde nicht verwirklicht. Die Liturgie hatte aus dem Zentralbau einen gerichteten Raum gemacht. Erst nach dem Konzil kam man auf den ursprünglichen Gedanken zurück und stellte den Altar in die Mitte des heiteren lichtdurchfluteten Raums.

  • Überblick
    Ort
    Alzenau-Kälberau

    Bistum
    Bistum Würzburg

    Name der Kirche
    Maria zum rauhen Wind

    Weihe
    1957 (6. Oktober)

    Architekten
    Hanns Rüppel, Hans Schädel

    Künstler
    Max Bessler, Herbert Heinisch, Curd Lessing
    Besonderheit
    Die spätgotische Wallfahrtskirche ergänzte Hans Schädel um einen lichtdurchfluteten Anbau auf kleeblattförmigem Grundriss. Der Kunsthistoriker Hugo Schnell nannte "Maria zum rauhen Wind" die "froheste Kirche unseres Jahrhunderts".

    Nutzung
    Wallfahrtskirche und Kuratiekirche der Pfarreiengemeinschaft "Maria im Apostelgarten"

    Standort / Städtebau
    Am oberen Ende des Dorfs und von einer Ringmauer umgeben, erhebt sich die Kirche über dem Kahlgrund inmitten der Hänge der Spessartausläufer.

  • Beschreibung
    Grundriss

    Alzenau-Kälberau | Maria zum rauhen Wind | Grundriss

    Alzenau-Kälberau | Maria zum rauhen Wind | Grundriss

    Der Grundriss ähnelt einem vierblättrigen Kleeblatt. Zwischen vier schlanken – im Quadrat stehenden und die Decke tragenden – Betonpfeilern wölben sich vier parabelförmige Konchen nach außen. Die hintere (südliche) geht über in einen fensterlosen tonnengewölbten Verbindungstrakt (10 × 6 Meter) zur alten Wallfahrtskirche, der anstelle ihres abgebrochenen nördlichen Seitenschiffs entstand. Turm, Chor und Hauptschiff der alten Wallfahrtskirche blieben erhalten. Die Kirche steht auf einem durch eine Ringmauer umgebenen Hügel, der zum Flüsschen Kahl hin abfällt. Dadurch ergibt sich ein starkes, bis zu 10 Meter hohes Gefälle für das Neubaugelände. Unter dem Kirchenraum sind daher Heizungsraum und Pfarrsaal angeordnet.

     

    Außenbau

    Alzenau-Kälberau | Maria zum rauhen Wind | Außenbau | Foto: Michael Pfeifer, Aschaffenburg

    Alzenau-Kälberau | Maria zum rauhen Wind | Foto: Michael Pfeifer, Aschaffenburg

    Der Neubau thront über dem Tal. Seine eigenwillige Bauform setzt einen eindeutigen architektonischen Akzent in der von Weinbergen und Streuobstwiesen geprägten Landschaft der Spessartausläufer. Die vier schlanken, sich nach oben etwas verbreiternden Pfeiler werden verbunden durch nach oben und außen schwingende Elemente. Die Decke selbst ist in Spannbeton ausgeführt. Dieser Baldachin aus Beton trägt das mit Kupfer belegte Dach, das mittig ein schlanker, ebenso hoch aufragender wie spitzer Dachreiter bekrönt und damit nach außen die heutige Altarstelle markiert. Die Wände sind gemauert und verputzt. Zwischen der Betonkonstruktion und den Wandflächen schieben sich Fensterbänder ein, die größtenteils klar verglast sind und dadurch von innen den Blick in die umgebende Landschaft freigeben.

     

    Innenraum

    Alzenau-Kälberau | Maria zum rauhen Wind | Innenraum | Foto: Michael Pfeifer, Aschaffenburg

    Alzenau-Kälberau | Maria zum rauhen Wind | Foto: Michael Pfeifer, Aschaffenburg

    Aus der alten Wallfahrtskirche kommend, betritt man zunächst den einige Stufen abgesenkten, niedrigen Verbindungsgang der beiden Bauglieder. Danach weitet sich – wiederum einige Stufen abwärts und durch einen großen Rundbogen geöffnet – der Zentralraum. Die drei halbrunden Konchen, an deren nach außen geschwungenen Wänden sich das Auge nicht festhalten kann, lassen den hellen Raum größer erscheinen als er ist (29 × 27 Meter). Die hölzerne Unterkonstruktion der Decke zentriert den Raum durch radial zulaufende Paneele.

  • Liturgie und Raum
    Alzenau-Kälberau | Maria zum rauhen Wind | Marienfigur | Foto: Michael Pfeifer, Aschaffenburg

    Alzenau-Kälberau | Maria zum rauhen Wind | Marienfigur | Foto: Michael Pfeifer, Aschaffenburg

    Sollte der Altar nach ursprünglicher Planung bereits im Zentrum des Raums zu stehen kommen, wurde dieser Plan erst 1966 umgesetzt. Doch schon 1957 befand sich auf dem Altar kein Tabernakel, wie es üblich gewesen wäre. Dieser wurde für die neue Retabelanlage in der alten Wallfahrtskirche von Max Bessler (Würzburg) geschaffen. Über dem Tabernakel findet sich nun das eigentliche Gnadenbild: ein Hochrelief aus dem späten 14. Jahrhundert. Dieser dunkle bergende Raum mit zurückhaltender Verglasung von Curd Lessing (Würzburg) bietet Gelegenheit zum persönlichen Gebet.

    Das Marienbild aus dem 15. Jahrhundert, das hinter dem Altar der neuen Kirche auf einer Säule steht, wirkte vor der sich nach außen wölbenden Konche fast schwerelos. 2013 wurde an dieser Stelle die aus der Schlosskirche Bonn übernommene Orgel platziert. Der Taufort, der zugleich als Weihwasserbecken dienen kann, ist zentral im Verbindungsgang der beiden Bauglieder angeordnet.

  • Ausstattung
    Alzenau-Kälberau | Maria zum rauhen Wind | Kreuzweg | Foto: Michael Pfeifer, Aschaffenburg

    Alzenau-Kälberau | Maria zum rauhen Wind | Kreuzweg | Foto: Michael Pfeifer, Aschaffenburg

    Dem Tischaltar aus Treuchtlinger Marmor, dessen massive Mensa auf einem sich nach unten verjüngenden Stipes ruht, wurden 1966 nach Entwürfen des bischöflichen Bauamts aus gleichem Material ein Ambo und eine Zelebrantenbank auf rechteckiger sowie ein niedriger Kredenztisch auf fünfeckiger Grundfläche hinzugefügt. Auch der Fußboden ist mit Treuchtlinger Marmor belegt. Im Zuge der liturgischen Neuordnung wurde auch das Gestühl ausgetauscht und dreiseits um die lediglich um eine Stufe erhöhte Altarinsel angeordnet. Das emaillierte Kreuz neben dem Altar stammt von Max Bessler (Würzburg). Der Kreuzweg ist nicht mehr im Verbindungsbau in der Nähe des Tauforts angeordnet, sondern findet sich nun direkt im Kirchenraum, rechts und links des bogenförmigen Durchgangs zur alten Wallfahrtskirche. Die verschiedenformatigen rechteckigen Tafeln von Herbert Heinisch (Frankfurt) bringen die Themen reduziert und fast symbolisch zum Ausdruck. Dass der Kreuzweg nicht mit der 14. Station, sondern mit einem kreisrunden Bild der Auferstehung endet, galt 1962 noch als außergewöhnlich.

  • Von der Idee zum Bau

    Ab 1947 wurde Kälberau zum Ziel der Kriegsheimkehrer aus dem Kahlgrund. Alljährlich traf man sich zum Gebet für gefallene, gefangene und vermisste Soldaten, für Witwen und Waisen und den Frieden in der Welt. Davon ging die Anregung zur Errichtung der neuen Wallfahrtskirche und zur Wiederbelebung der Wallfahrt zur „Muttergottes zum rauhen Wind“ aus. Erste Planungen stammen aus dem Jahr 1954. Hans Schädel war damals Leiter des bischöflichen Bauamtes in Würzburg. Auch der Architekt Hanns Rüppel (1898-1960) war an den Planungen beteiligt. Anfang 1956 begannen die Erdarbeiten, am 3. Juni wurde der Grundstein gelegt. Die Konsekration nahm Bischof Josef Stangl am 6. Oktober 1957 vor. Sein Vorgänger Julius Döpfner hatte Plan und Fortgang des Baus mit besonderer Hingabe verfolgt.

  • Der Architekt Hans Schädel
    Alzenau-Kälberau | Maria zum rauhen Wind | Kirchendecke | Foto: Michael Pfeifer, Aschaffenburg

    Alzenau-Kälberau | Maria zum rauhen Wind | Kirchendecke | Foto: Michael Pfeifer, Aschaffenburg

    Hans Schädel, 1910 in Randersacker geboren und ebendort 1996 verstorben, schuf allein im Bistum Würzburg mehr als 60 Neu-, Um- und Erweiterungsbauten. Nach einer Steinmetzlehre, nach Intermezzi an der Bauschule Nürnberg und dem Architekturbüro Zippelius, fand er 1934 eine Anstellung im Bauamt der Stadt Würzburg, wo er 1938 zum Stadtbaumeister avancierte. Ab 1945 übernahm Schädel Notsicherungsprojekte für die Diözese Würzburg: ab 1956 als Dom-, ab 1971 als Diözesanbaumeister. Mit dem neuen Bischof Julius Döpfner zeigte sich das Bistum ab 1948 offen für neue Raumkonzepte. Ergänzend stellte der Benediktiner Urban Rapp (1915-98) Kontakte zu Künstlern wie Georg Meistermann her.

    Durch Rudolf Schwarz war Schädel in Kontakt mit der Liturgischen Bewegung gekommen. In der Kapelle auf Burg Rothenfels, dem Zentrum des Quickborn, hatte 1938 seine Trauung stattgefunden. Auch wenn Schädels Entwürfe von großer Formenvielfalt geprägt sind, kommt er doch immer wieder auf das „Zelt“ zurück. Angestoßen durch die Rede des Zweiten Vatikanums vom „pilgernden Gottesvolk“, erfreute sich dieser Baugedanke damals großer Beliebtheit. Schädels Kirchen sind einerseits gültige Zeugnisse liturgiegerechten Bauens der Vor- und Nachkonzilszeit, reagieren aber auch auf städtebauliche und landschaftliche Gegebenheiten und beinhalten nicht zuletzt eigenständige künstlerische Impulse.

  • Literatur (Auswahl)
    • Karl Amberg: Der Kreuzweg von Kälberau, Alzenau-Kälberau 1976 (Manuskriptdruck).
    • Barbara Kahle: Moderner Kirchenbau und liturgische Erneuerung. Das Wirken von Hans Schädel, in: Würzburger Diözesangeschichtsblätter 79, 2016, 105-126.
    • Jürgen Lenssen: Aufbruch im Kirchenbau. Die Kirchen von Hans Schädel, Würzburg 1989.
    • Julia Pfetzing: 50 Jahre neue Wallfahrtskirche 1957-2007, Alzenau-Kälberau 2007 (Manuskriptdruck).
    • Hugo Schnell/Konrad Kant: Wallfahrtskirche Kälberau (Kleiner Kunstführer), 4. Auflage, Regensburg 1992.

     

    Wir danken allen Bildgebern für ihre freundliche Unterstützung: Die Bildnachweise werden jeweils am Bild selbst geführt.

Text: Michael Pfeifer, Aschaffenburg (online seit 06/2017)

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