Berlin

Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche

Anschrift Kirche
Händelallee 20
10557 Berlin
  • Informationen
    Kontakt / Öffnungszeiten Kirche Bitte beim Pfarramt erfragen!
    Anschrift Pfarramt Kirchengemeinde Tiergarten
    Alt-Moabit 25
    10559 Berlin
    030 3943498
    E-Mail
    Zur Webseite
    Öffnungszeiten Pfarramt MO + DI: 16.00 - 18.00 Uhr
    DO + FR: 10.00 - 12.00 Uhr
    Gottesdienstzeiten Kirche Die aktuellen Gottesdienstzeiten können online eingesehen werden unter: www.ev-gemeinde-tiergarten.de/gottesdienstkalender.
    Kirchen im Osten

Der „Seelenbohrer“

Blickt man zwischen den Stationen Zoologischer Garten und Hauptbahnhof aus der Berliner S-Bahn, entdeckt man zwei ungewöhnliche Kirchtürme: Selbstbewusst stehen die Glockenträger der katholischen Ansgar- und der evangelischen Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche seit 1957 im Hansaviertel zwischen den zur Internationalen Bauausstellung errichteten Gebäuden. Sie verkünden den Aufbruch in eine neue Zeit. Ihre zugehörigen Kirchengebäude wirken seltsam bescheiden gegenüber den hochaufragenden Fingerzeigen. „Seelenbohrer“ nannten die Berliner den filigranen Turm der Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche, dessen offene Spindeltreppe sich kühn in die Höhe schraubt. Im Inneren der Kirche erwartet den Besucher ein überraschend farbenfroh und kunstvoll ausgestalteter Gottesdienstraum.

  • Überblick
    Ort
    Berlin

    Landeskirche
    Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz


    Name der Kirche
    Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche

    Einweihung
    1957

    Architekt
    Ludwig Lemmer

    Künstler
    Charles Crodel, Willy Fries, Ludwig Peter Kowalski, Gerhard Marcks, Georg Meistermann, Walter Rössler, Hans Stocker, Heinz Trökes
    Besonderheit
    Die Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche wurde im Rahmen der Internationalen Bauausstellung 1957 errichtet.

    Nutzung
    Gemeindekirche (eine von vier Predigtstätten der Evangelischen Kirchengemeinde Tiergarten)

    Standort / Städtebau
    Die Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche ist Bestandteil des Hansaviertels, das nach Kriegszerstörung im Rahmen der Internationalen Bauausstellung komplett neu errichtet wurde. Sie bildet den südlichen Abschluss einer Blickachse, die dem Verlauf der ehemaligen Lessingstraße aus der Vorkriegszeit folgt.

  • Beschreibung

    Grundriss

    Berlin | Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche | Grundriss

    Berlin | Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche | Grundriss

    Das Ensemble der Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche besteht aus mehreren Baukörpern, die auf einem um drei Stufen erhöhten Plateau angeordnet sind: dem eigentlichen Kirchengebäude, dem östlich daran angegliederten Turm und dem Pfarrhaus. Die ursprüngliche Idee, dieses Plateau als Erweiterungsfläche für Gottesdienste zu nutzen, ist wohl niemals verwirklicht worden. Der symmetrisch angelegte, einschiffige Kirchenraum auf rechteckigem Grundriss zeigt eine klare Ausrichtung auf den Altar. Durch eine eingezogene Südostecke im Bereich des Chorraums und die westlich angeordnete Seitenkapelle wird die Symmetrie für den Betrachter optisch bewusst gestört.

     

    Außenbau

    Berlin | Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche | Außenbau | Foto: Evangelische Kirchengemeinde Tiergarten, Standort: Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche

    Berlin | Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche | Foto: ev. Kirchengemeinde Tiergarten

    Alle Gebäudeteile sind in Sichtbeton ausgeführt und präsentieren sich in einfachen geometrischen Formen. Geschickt nutzt der Architekt die Hanglage des zum Tiergarten abfallenden Grundstücks aus. So erscheinen, von der Schauseite aus betrachtet, Pfarrhaus und Kirchengebäude eingeschossig. Unter einem nach Osten abfallenden Pultdach erstreckt sich das schmale langgestreckte Pfarrhaus. Es vermittelt zur Straßenseite den Eindruck eines eingeschossigen und in seinen Dimensionen sehr bescheidenen Gebäudes. Vom Tiergarten aus betrachtet, ist jedoch sowohl die gesamte Längsausdehnung als auch das freiliegende Kellergeschoss erlebbar. Ursprünglich beherbergte es die Pfarrwohnung sowie Verwaltungsräume. Heute ist es fremdvermietet.

    Auffällig ist der 68 Meter hohe, filigrane Turm. Er besteht aus zwölf freistehenden Stützenscheiben und hat keine Umfassungsmauern. Eine offene Spindeltreppe führt nach oben zu den frei übereinander hängenden Glocken. Aufgrund von Bauschäden können diese seit Jahren nicht mehr geläutet werden. Zurzeit wird der Turm jedoch saniert. Bekrönt wird er von einem 10 Meter hohen Kreuz aus Aluminium. Der hinter einer Mauer verborgene, zwischen Kirchengebäude und Pfarrhaus befindliche Gartenhof, liegt auf der Ebene des Plateaus und ist gegenüber dem tiefergelegenen Tiergarten durch eine Stützmauer abgetrennt. Die Fassade der Kirche, die ein mehrfach gefaltetes Schalendach überfängt, wird zur Straßenseite durch Lisenen gegliedert.

     

    Innenraum

    Berlin | Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche | Innenraum | Foto: Evangelische Kirchengemeinde Tiergarten, Standort: Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche

    Berlin | Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche | Foto: ev. Kirchengemeinde Tiergarten

    Drei vom Bildhauer Gerhard Marcks gestaltete, doppelflügelige Eingangstüren markieren den Zugang zu einer schmalen querliegenden Eingangshalle an die sich der Gemeinderaum anschließt. Im Inneren zeigt der Saal nach Westen eine Seitenkapelle, heute als Mehrzweckraum genutzt. Unter diesem Gebäudeteil befinden sich zum Tiergarten hin natürlich belichtete Büros. Eine holzverkleidete Schiebewand ermöglicht die temporäre Abtrennung der Seitenkapelle vom eigentlichen Kirchenraum. Darüber und im hinteren Teil des Gemeinderaums befinden sich Emporen. Deutlich ist die Verwendung von Aluminium in der Emporenbrüstung, der Akustikdecke und im Orgelprospekt sichtbar.

  • Liturgie und Raum
    Berlin | Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche | Kanzel | Foto: Bildarchiv Monheim

    Berlin | Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche | Kanzel | Foto: Bildarchiv Monheim

    So innovativ die Kirche in Konstruktion, Materialien und Ausstattung auch sein mag, so traditionell ist der Grundriss des Gemeinderaums. Dies mag der Wiederverwendung der Fundamente des zerstörten Vorgängerbaus geschuldet sein. Der liturgische Raum präsentiert sich unverändert als Wegekirche mit einem zum Altar hin führenden Mittelgang und beidseitig angeordneten Bankreihen. Der um drei Stufen erhöhte Altarraum verjüngt sich asymmetrisch an seiner Südostecke. Davor ist die erhöhte Kanzel so platziert, dass ein Blickkontakt auch in die zuschaltbare Seitenkapelle und auf die darüberliegende Empore möglich ist. Der leicht von der Rückwand abgesetzte Altar ist nochmals um drei Stufen erhöht. Rechts davon ist das Lesepult, dahinter das Taufbecken angeordnet.

  • Ausstattung
    Berlin | Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche | Altarraum | Foto: Bildarchiv Monheim

    Berlin | Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche | Altarraum | Foto: Bildarchiv Monheim

    Für die 1950er Jahre besitzt die Kirche eine opulente künstlerische Ausgestaltung. Fenster und Mosaike tauchen den Raum in ein buntes Licht. Die gesamte Altarrückwand zeigt ein abstraktes Mosaik von Ludwig Lemmer und Hans Wagner. Der ebenfalls als Mosaik ausgeführte, apokalyptische Christus über der Kanzel wurde von dem Maler Hans Stocker gestaltet. An der südwestlichen Altarwand sind Johannes der Täufer und das Himmlische Jerusalem in einem Werk von Charles Crodel zu sehen. Der schlichte, von Konrad Adenauer gestiftete Altar aus poliertem Sellenberger Muschelkalk, korrespondiert mit dem Taufstein aus gleichem Material, geschaffen von dem Kieler Bildhauer Walter Rössler. Die Kanzel ruht auf einem Betonfundament und besteht ebenso wie das Lesepult aus matt gebürsteten Aluminiumstäben. Der Schalldeckel aus Plexiglas und Aluminium zeigt den Heiligen Geist als Taube.

    Überwältigend ist die 127 Quadratmeter große und die gesamte Ostseite des Gemeinderaums einnehmende, abstrakte Fensterwand von Georg Meistermann mit dem Titel: „Sieg des Lichts“. Ihr gegenüber sind auf der Empore drei farbige Rundfenster des Glaskünstlers Ludwig Kowalski angeordnet. Eine Fensterrose über dem Haupteingang, ebenfalls von Kowalski, zeigt die Lutherrose. In der ausgesparten Südostecke des Raums hat der Künstler Heinz Trökes ein farbenfrohes Apsisfenster gestaltet. Ein großes gegenständliches Glasfenster des Schweizer Künstlers Willy Fries befindet sich in der Seitenkapelle. Das umstrittene Kunstwerk, ein Geschenk von Bischof Otto Dibelius, versetzt die Kreuzigungsszene in die Zeit des Zweiten Weltkriegs: Die römischen Soldaten tragen Stahlhelme. Christus wird vor einer Backsteinmauer gekreuzigt. Das Orgelprospekt von Karl Schuke besteht aus Plexiglas und eloxierten Aluminiumstäben. Die Eingangsportale wurden vom Bildhauer Gerhard Marcks geschaffen.

  • Von der Idee zum Bau
    Berlin | Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche | Foto: historische Postkarte, um 1900, Dr. Trenckler & Co., Leipzig

    Berlin | Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche | Foto: historische Postkarte, um 1900, Dr. Trenckler & Co., Leipzig

    Auf den Fundamenten der 1943 nahezu komplett zerstörten ersten Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche (1895, Johannes Vollmer) wurde im Rahmen der Internationalen Bauausstellung die neue Kirche errichtet. Der Architekt Ludwig Lemmer, von 1950-56 Senatsbaudirektor von Berlin und damit einer der Hauptanreger der Interbau-Idee, verzichtete auf jegliches Mitspracherecht bei der weiteren Entwicklung des Hansaviertels, um dieses Projekt planen zu dürfen. Er hatte zuvor noch keine Kirche errichtet. Die Verwirklichung des ehrgeizigen Vorhabens wurde durch zahlreiche Spenden ermöglicht. Zu den Unterstützern zählten unter anderen Theodor Heuss, Konrad Adenauer, Prinz Louis Ferdinand von Hohenzollern, die Landesregierung von Schleswig Holstein, die Hansestädte Hamburg, Lübeck und Bremen sowie die deutsche Leichtmetallindustrie, die 30 Tonnen Aluminium zum Bau der Kirche beisteuerte. Dies brachte ihr den Spitznamen „St. Aluminium“ ein. Am 15. August 1955 legte man den Grundstein für die zweite, die moderne Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche. 1957 wurde sie als erstes Projekt der Bauausstellung vollendet und eingeweiht.

  • Der Architekt Ludwig Lemmer

    Ludwig Lemmer (1891-1983), Sohn eines Architekten und Bauunternehmers, studierte an der Staatlichen Kunstakademie in Düsseldorf sowie an den Technischen Hochschulen in Stuttgart, Danzig und Hannover. Nach dem Kriegsdienst wurde er ab 1921-33 Stadtbaurat und Beigeordneter seiner Heimatstadt Remscheid. Aus dieser Zeit stammen seine bedeutendsten Werke wie das Ärztehaus für unverheiratete Assistenz-Ärzte, das Hauswirtschaftsgebäude für die städtischen Mädchenberufs- und Haushaltsschulen sowie die Siedlungen Kleine Flurstraße und Neuenhof, allesamt in Remscheid. Diese Entwürfe von Lemmer sind klar dem Neuen Bauen zuzuordnen.

    Nach dem Zweiten Weltkrieg war Ludwig Lemmer von 1950-56 Senatsbaudirektor von Berlin und ab 1951 Professor an der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste Berlin. 1959 erhielt er das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland. Sein Bruder Ernst Lemmer (1898-1970) war Bundesminister unter Konrad Adenauer und Ludwig Erhard. Sein Sohn Gerd Ludwig Lemmer (1925-2016) war Minister des Landes Nordrhein-Westfalen, Europaabgeordneter und 1961-63 Oberbürgermeister der Stadt Remscheid.

  • Literatur (Auswahl)
    • Berlin und seine Bauten. Teil VI. Sakralbauten, Berlin 1997, 214-216, 416-417.
    • Georg Dehio: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Berlin, München/Berlin 2000, 2. Auflage, 422.
    • Christine Goetz/Matthias Hoffmann-Tauschwitz (Hg.): Kirchen Berlin Potsdam. Führer zu den Kirchen in Berlin und Potsdam, Berlin 2003, 126.
    • Die Kaiser-Friedrich-Gedächtnis-Kirche. Architekt: Ludwig Lemmer, Berlin, in: Bauwelt 47, 1956, 879.
    • Die Kaiser-Friedrich-Gedächtnis-Kirche im Hansaviertel. Architekt: Professor Ludwig Lemmer, Berlin, in: Bauwelt 48, 1957, 588.
    • Die Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche im Hansaviertel in Berlin, hg. von der Gemeinde der Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche, Berlin 2014.
    • Die neue Kaiser-Friedrich-Gedächtnis-Kirche im Berliner Hansaviertel. Architekt: Professor Ludwig Lemmer, Berlin, in: Bauwelt 45, 1954, 1023.
    • Nach Schluß der Interbau Berlin, in: Baukunst und Werkform X, 1957, 714-720.
    • Stefanie Schulz/Carl-Georg Schulz: Das Hansaviertel. Ikone der Moderne, Berlin 2015, 3. Auflage, 100-103.
    • Kerstin Wittmann-Englert: Zelt, Schiff und Wohnung. Kirchenbauten der Nachkriegsmoderne, Lindenberg im Allgäu 2006, 128, 130.

     

    Wir danken allen Bildgebern für ihre freundliche Unterstützung: Die Bildnachweise werden jeweils am Bild selbst geführt.

Text: Dr.-Ing. Rainer Fisch, Berlin (Beitrag online seit 01/2017)

Kirchen in der Nähe

Berlin | Gustav-Adolf-Kirche

Berlin | Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche

Berlin | St. Canisius

Berlin | St. Dominicus

Berlin | ev. Gedenkkirche Plötzensee

Berlin | Maria Regina Martyrum

Berlin | Zum Guten Hirten

Berlin | Kapelle der Versöhnung

Berlin | St. Augustinus

Berlin | Kreuzkirche