Bremen-Neue Vahr

St. Hedwig

Anschrift Kirche
Kurt-Schumacher-Allee 62
28327 Bremen-Neue Vahr
  • Informationen
    Kontakt / Öffnungszeiten Kirche Offen zu den Gottesdiensten, Schlüssel beim Pfarramt St. Hedwig erhältlich.
    Anschrift Pfarramt Katholische Pfarrgemeinde St. Raphael Bremen, Büro St. Hedwig
    Kurt-Schumacher-Allee 62
    28327 Bremen-Neue Vahr
    0421 4673913
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    Öffnungszeiten Pfarramt MO, MI: 9.00 - 12.00 Uhr
    DI, DO: 15.00 - 18.00 Uhr
    Gottesdienstzeiten Kirche Die aktuellen Gottesdienstzeiten finden Sie online unter: www.raphael-bremen.de/glauben/.
    Kirchen im Norden

Ein „Fisch in der Diaspora“

Sich öffnende und schließende Kurven, weiße glatte Flächen und dunkler rauer Klinker, ansteigende und abfallende Linien … Kaum ein architektonischer Gegensatz, der in der Bremer Hedwigskirche nicht vorkommt. Und dennoch fügt sich alles zu einer aussagestarken Gesamtform. Der „Fisch in der Diaspora“, der seinen Spitznamen der Ähnlichkeit des Grundrisses zum christlichen Symboltier verdankt, steht für die katholische Gemeinde im nachkriegsmodernen Prestige-Siedlungsprojekt „Neue Vahr“. Für die neue Kirche wurde ein beschränkter Wettbewerb ausgeschrieben, dessen Jury unter Rudolf Schwarz – in städtebaulicher und gestalterischer Hinsicht – den Entwurf von Theo Burlage und Bernd Niebuer empfahl. Direkt neben dem Wohnhochhaus, das der finnische Stararchitekt Alvar Aalto 1961 gestaltete, fügt sich St. Hedwig bis heute harmonisch in die moderne organische Bausprache ihrer Nachbarschaft ein.

  • Überblick
    Ort
    Bremen-Neue Vahr

    Bistum
    Bistum Osnabrück

    Name der Kirche
    St. Hedwig

    Weihe
    1963 (31. März)

    Architekt
    Theodor Burlage

    Künstler
    Rudolf Krüger-Ohrbeck
    Besonderheit
    Der geschwungene Grundriss verbindet konstrastreiche Baudetails zu einem harmonischen Ganzen in einem qualitätvollen städtebaulichen Umfeld.

    Nutzung
    Pfarrkirche im Pastoralen Raum St. Raphael

    Standort / Städtebau
    In direkter Nachbarschaft zum Aalto-Hochhaus ist die skulptural freistehende Hedwigskirche organischer Bestandteil des Bremer Prestige-Siedlungsprojekts "Neue Vahr", das die Neue Heimat 1957-61 unter großer medialer Aufmerksamkeit von den prominenten Städteplanern Ernst May, Bernhard Reichow, Max Säume und Günther Hafemann errichten ließ.

  • Beschreibung

    Grundriss

    Bremen-Neue Vahr | St. Hedwig | Grundriss

    Bremen-Neue Vahr | St. Hedwig | Grundriss

    Den Grundriss prägen zwei geschwungene Wandschalen, die in ihrer Anordnung an das alte christliche Symbol des Fischs erinnern: ICHTHYS, das griechische Wort für „Fisch“, dessen einzelne Buchstaben sich wiederum als Anfangsbuchstaben der griechischen Wendung „Jesus Christus, Sohn Gottes, Erlöser“ aufschlüsseln lassen. Der Altarraum der Hedwigskirche, der von einer der beiden Wandschalen halbrund umfangen wird, erinnert an den Fischskopf. Die Werktagskapelle, die sich gleichsam wie die Schwanzflosse zum Eingang hin ausprägt, und die Sakristei, die sich wie die Rückenflosse an die Außenwand fügt, vervollständigen den Baukörper. Die Bauchseite des Fischs verläuft in einer leichten S-Kurve, ohne die andere Wandschale zu berühren. Geschlossen wird der Raum lediglich durch zwei große, vom Boden bis zur Decke reichende Fensterflächen.

     

    Außenbau

    Bremen-Neue Vahr | St. Hedwig | Außenbau | Foto: Jürgen Howald, CC BY SA 3.0

    Bremen-Neue Vahr | St. Hedwig | Foto: Jürgen Howald, CC BY SA 3.0

    Zum Altarraum hin steigt der mächtige, von außen vollständig verklinkerte Baukörper steil an. Das flache hauchdünne Dach überragt die gerundete Wand zum Kirchplatz hin und schließt dann gerade ab. Zur Rückseite, in den begrünten Raum hinein, folgt das Dach dem geschwungenen Wandverlauf. Schmale Lichtschlitze durchziehen die eine Wandschale, während die andere ohne Fensteröffnungen dasteht. Von außen staffeln sich die Anbauten für die Werktagskapelle und für die Sakristei um den Kirchenraum.

     

    Innenraum

    Bremen-Neue Vahr | St.Hedwig | Innenraum | Foto: Anja Becker-Chouati

    Bremen-Neue Vahr | St.Hedwig | Foto: Anja Becker-Chouati

    Auch das Innere wird von den zwei großen geschwungenen Wandschalen geprägt: Die eine weiß verputzte Wandschale umfängt zunächst in einer großen Kurve den Gemeinderaum und umschließt dann in einem engeren Bogen den Altar, bevor sie geradezu unvermittelt offen im Raum zum Stehen kommt. Mit dunklem Klinker verblendet, wölbt sich die zweite Wandschale vom großen Buntglasfenster aus beinahe bedrohlich in den Gemeinderaum hinein, ehe sie am Eingang nach außen führt.

  • Liturgie und Raum
    Bremen-Neue Vahr | St.Hedwig | Tabernakel | Foto: Anja Becker-Chouati

    Bremen-Neue Vahr | St.Hedwig | Tabernakel | Foto: Anja Becker-Chouati

    Altar- und Gemeinderaum werden umfangen von der weißen Wandschale und dem Lichtband, das die Wand durchzieht. Damit nähert sich in Bremen die Wegekirche dem Rund an und nimmt die Gemeinde hinein in die Feier des Opfers am Altar. Auch die Apostelleuchter, die an zwölf geweihten Stellen der Kirche angebracht wurden, säumen die weiße Wand und leiten, ebenso wie die weißen Deckenleuchten, vom Gemeinde- zum Altarraum über: „Das Licht bindet die Menschen zusammen“ (Rudolf Schwarz) und verknüpft sie gleichsam mit Christus (Altar).

    Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil änderte man nur wenig an den liturgischen Orten: Unter dem Altar wurden einige Stufen entfernt, der Tabernakel vom Altar heruntergenommen und daneben gestellt, sodass der Priester nun hinter dem Altar der Gemeinde zugewandt die Messe zelebrieren konnte. Außerdem entstand mit dem Ambo ein Ort für die Wortverkündigung. Der Taufstein, der sich ursprünglich in der kleinen Seitenkapelle vor dem Buntglasfenster befunden hatte, wurde später zwischen Gemeinde- und Altarraum platziert und der Tabernakel in die Seitenkapelle verbracht.

  • Ausstattung
    Bremen-Neue Vahr | St.Hedwig | Kirchenddecke | Foto: Anja Becker-Chouati

    Bremen-Neue Vahr | St.Hedwig | Kirchenddecke | Foto: Anja Becker-Chouati

    Für die Innen- und Außenwirkung des Baus wesentlich ist das Betonbuntglasfenster neben dem Altarraum, das der Künstler Rudolf Krüger-Ohrbeck zu den Themen „Brennender Dornbusch“ und „Zug durch das Rote Meer“ schuf. Die kräftigen roten, blauen und weißen Glassteine prägen das Innere, ohne die klare und ruhige Atmosphäre des Altarraums zu stören. Auch die Werktagskapelle, die der Eintretende als Erstes passiert, zeigt Betonglasfenster von Krüger-Ohrbeck – hier nach Motiven aus Gleichnissen wie das vom Sämann. Auf einer hohen schlanken Stele, findet sich eine Madonna mit dem Jesuskind, wie auch der Tabernakel eine Arbeit von Krüger-Ohrbeck. Besonders markant ist die Orgel, die unmittelbar hinter dem Altar vor der Chorwand – wenn der Standort in liturgischer und denkmalpflegerischer Hinsicht auch nicht ganz glücklich gewählt ist – den hohen Stellenwert der Kirchenmusik innerhalb der lebendigen Gemeinde zum Ausdruck bringt.

  • Von der Idee zum Bau
    Bremen-Neue Vahr | St.Hedwig | Innenraum in den 1960er Jahren | Foto: Katholische Pfarrgemeinde St. Raphael Bremen

    Bremen-Neue Vahr | St.Hedwig | Innenraum in den 1960er Jahren | Foto: Katholische Pfarrgemeinde St. Raphael Bremen

    In Bremen hatten die verheerenden Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs und der folgende Zuzug von Flüchtlingen zu einem akuten Wohnraumnotstand geführt. Die von der Neuen Heimat bzw. der GEWOBA angestoßene Großsiedlung „Neue Vahr“ sollte – mit Blick auf das Bauvolumen, die beteiligten Star-Architekten von Ernst May bis Alvar Aalto sowie die politisch-mediale Öffentlichkeit – ein Prestigeprojekt werden. Mit zahlreichen Bittschreiben wandten sich viele Zugezogene aus dem katholisch geprägten (Ober-)Schlesien an den Bischof, um hier eine neue Kirche zu errichten. Den schließlich ausgeschriebenen Wettbewerb konnten die Architekten Theo Burlage und Bernd Niebuer für sich entscheiden. Am 26. November 1961 wurde der Grundstein gelegt, am 31. März 1963 die Weihe gefeiert. Als Patronin wählte man die Heilige Hedwig, die Schutzpatronin der Schlesier.

  • Der Architekt Theodor Burlage
    Theo Burlage, 1959 | Foto: Klaus Burlage

    Theo Burlage, 1959 | Foto: Klaus Burlage

    Theodor (kurz: Theo) Burlage (1894–1971), der in Stuttgart studiert, seit 1925 als selbständiger Architekt gearbeitet und nach dem Zweiten Weltkrieg Bernd Niebuer als Büropartner gewählt hatte, war vor dem Bau von St. Hedwig in Bremen bereits bekannt. Zwei Kirchen hatte er dort schon für das Bistum Osnabrück gebaut: vor dem Krieg St. Elisabeth in Bremen-Hastedt (1931), die jedoch dem Bombenhagel der späten Kriegsjahre zum Opfer fiel, und nach dem Zweiten Weltkrieg St. Bonifatius in Bremen-Findorff (1959).

    Der Entwurf für St. Hedwig bildet das einzige elliptisch-asymmetrische Konzept des Architekten. Im Verlauf der Arbeiten zeichnete Burlage für die Entwürfe verantwortlich, während sich Niebuer um die Bauausführung kümmerte. Hatte Burlage in den ersten beiden Nachkriegsjahrzehnten vor allem längsgerichtete Räume entwickelt, suchte er mit St. Hedwig offensichtlich wieder den Übergang zur gerundeten Form. Wie mit seinem wohl bekanntesten Frühwerk St. Bonifatius in Leipzig-Connewitz (1930), krönte er sein Spätwerk mit zwei Rundbauten: St. Pius in Marl-Brassert (1965) und St. Ansgar (1966) in Twist.

  • Literatur (Auswahl)
    • Anja Becker-Chouati: Ein katholisches Kirchdorf inmitten einer modernen Hochhaus-Siedlung – St. Hedwig in der Neuen Vahr, in: Denkmalpflege in Bremen 2015, 12, 36–55.
    • Leichtes Zelt und feste Burg. Sakralbau in Bremen seit 1945 (Schriftenreihe des Bremer Zentrums für Baukultur 12), Bremen 2016, 2. aktualisierte Auflage.

     

    Wir danken allen Bildgebern für ihre freundliche Unterstützung: Die Bildnachweise werden jeweils am Bild selbst geführt, sie werden beim Klick auf das jeweilige Bild sichtbar.

Text: Anja Becker-Chouati M. A., Köln (Beitrag online seit 09/2016)

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