Dortmund

St. Bonifatius

Anschrift Kirche
Bonifatiusstraße 1
44139 Dortmund
  • Informationen
    Kontakt / Öffnungszeiten Kirche 0231 9120210
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    MO: 9.00 Uhr - 17.00 Uhr (nur Kapelle)
    Die Kirche ist zu den Gottesdienstzeiten und nach Vereinbarung (Pfarramt) geöffnet.
    Anschrift Pfarramt Pfarramt St. Bonifatius
    Bonifatiusstraße 3
    44139 Dortmund
    0231 9120210
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    Öffnungszeiten Pfarramt MO - FR: 10.00 Uhr - 12:00 Uhr
    DO: 16.00 Uhr - 18.00 Uhr
    Das Pfarrbüro ist weiterhin für den Publikumsverkehr geschlossen. Telefonisch und per E-Mail ist es zu den normalen Öffnungszeiten erreichbar.
    Gottesdienstzeiten Kirche Die aktuellen Gottesdienstzeiten finden Sie online unter: www.bonifatius-dortmund.de/gottesdienst-und-gebet/.
    Kirchen im Westen

Neuanfang in Einfachheit und Armut

Da stimmt etwas nicht, ist der erste Eindruck: ein massiver, kompakter Bau mit mehreren Gebäuden aus Bruchstein mitten im Wohngebiet. Ein Kloster mit fensterlosem Chor, einem Marienbildstock und einem Innenhof? – Einerseits wirkt das Gebäude durch sein Mauerwerk aus kleinteiligem Bruchsandstein geschlossen wie eine Burg, doch zugleich sich öffnend durch große Rundbogenfenster und einen einladenden Vorhof. Die Helligkeit und Größe des Raumes ohne Stütze im Inneren überrascht. Das Tageslicht fällt durch farblose Fenstergläser auf den Taufbrunnen und den Altarbereich vor dem Chorraum. Ein insgesamt schlichter Raum, ein Saal mit schmucklosen, weißen Wänden, die die Backsteine erkennen lassen.

Aus Trümmerresten der neuromanischen Vorgängerkirche hat der Architekt Emil Steffann 1953/1954 für die Gemeinde und das Oratorium des Heiligen Philipp Neri eine Kirche gebaut, die Vergangenes mit der Moderne verbindet und Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils vorwegnahm. Sein Leitwort war: „Architektur geprägt in Einfachheit und ‘Armut’ (nicht ‘Ärmlichkeit’)“.

  • Überblick
    Ort
    Dortmund

    Bistum
    Erzbistum Paderborn

    Name der Kirche
    St. Bonifatius

    Weihe
    1954 (29. Mai)

    Architekt
    Emil Steffann

    Künstler
    Heinrich-Gerhard Bücker, Hildegard Domizlaff, Theo Heiermann, Hans Kaiser, Hugo Kükelhaus
    Besonderheit
    Vorwegnahme liturgischer Reformen und Verbindung von Geschichte und Moderne

    Nutzung
    Pfarrkirche der Katholischen Bonifatius-Gemeinde Dortmund-Mitte im Pfarrverbund „Heiliger Weg“ Dortmund

    Standort / Städtebau
    Lage im Dortmunder Stadtbezirk Innenstadt-Ost, unweit der Bundesstraße 1

  • Beschreibung

    Außenbau

    Aufriss | DLI

    Dortmund | St. Bonifatius | Reproduktion von Rolf-Jürgen Spieker | Foto: © Rolf-Jürgen Spieker / Dokumentationsstelle für Dortmunder Kirchengeschichte

    Vom Architekten wurden die Kirche, ein Vorhof und der geschlossene, große Pfarrhof mit Gemeinde- und Pfarrhaus als Einheit geplant.
    Die Kirche wurde aus Trümmerresten, zwei erhalten gebliebenen runden Ecktürmen und einem Glockenturm, gebaut. Sie betonen die Vertikale und Horizontale des Komplexes. Das Dach senkt sich nach Norden und wendet sich damit dem Wohngebiet zu. Der Vorhof – ein etwas größerer Platz westlich vor der Kirche – kann offen von der Straße betreten werden oder gebückt durch einen niedrigen Bogen in einer Mauer mit einem „Kamel im Nadelöhr“ (vgl. Lk 18,25). Durch einen überdachten Zwischengang gelangt man in die Kirche oder das Pfarrhaus und in den Innenhof mit dem Gemeindehaus.

     

    Innenraum

    St. Bonifatius | DLI

    Dortmund | St.Bonifatius | Foto: © Rolf-Jürgen Spieker / Dokumentationsstelle für Dortmunder Kirchengeschichte

    Die Kirche selbst besteht aus drei miteinander verbundenen Räumen von unterschiedlicher Größe und sakraler Bedeutung. Der Innenraum ohne Säulen und Stützen vom großen Rundbogenfenster im Westen bis zur Apsis des geschlossenen Chorraumes bildet die Mittelachse und wirkt wie eine helle Festhalle. An der Wand der Rundung des leeren, fensterlosen Chorraumes mit der Orgel steht eine flache Bankreihe. Vor dem Chorraum wird der vom Tabernakel getrennte Altarbezirk wirkungsvoll durch ein Rundbogenfenster, das die Südwand durchbricht, erhellt. Ganz im Zentrum steht der Altar mit seiner wuchtigen Altarplatte aus Muschelkalk, getragen von zwei Blöcken aus Sandstein. Das Kirchenschiff öffnet sich zur Werktagskapelle im Seitenschiff durch einen weitgezogenen Bogen. Dieser läuft zugleich auf den Tabernakel zu, hinter dem die Andachtskapelle sichtbar wird und ein farbiges Fenster aufleuchtet

  • Liturgie und Raum

    Die „gestufte Räumlichkeit“ des gesamten Komplexes bietet unterschiedliche Möglichkeiten der Kommunikation mit den Menschen und mit Gott.

    Der Vorhof im Westen als Übergang von der Straße bildet die nach außen erweiterte Kirche; der begrenzte Innenhof, der durch das südliche Fenster auf den Altar und Tabernakel bezogen ist, soll der Einkehr und Besinnung und für Feiern dienen; ebenso das mit der Kirche baulich verbundene Gemeindehaus.

    Die innere Ordnung des Gotteshauses ist „eine aus der Heilsgeschichte abgeleitete Raumfolge.“ Über den Vorhof und eine Vorhalle soll man schrittweise zur Ruhe kommen. In der Kirche geht man auf den Taufbrunnen zu: Die Taufe ist die „Pforte zu allen Sakramenten“.

    Dortmund | St. Bonifatius | Foto: © Rolf-Jürgen Spieker / Dokumentationsstelle für Dortmunder Kirchengeschichte

    Im Zentrum steht, vorgezogen vom Chorraum und getrennt vom Tabernakel, der Altar, der zur tätigen Mitfeier frei umgangen werden kann. Tabernakel, Altar und Ambo als Ort der Verkündigung der Frohen Botschaft bilden in ihrer Dreiheit eine Einheit.

    Das auf den Hauptaltar ausgerichtete Seitenschiff dient als Werktagskapelle; die vom Seiteneingang zugängliche kleine Kapelle dient dem stillen Gebet und der Meditation. Der Tabernakel, für den Architekten „Kern der Kirche“, verbindet die drei Räume. Die aus brasilianischem Kiefernholz gestaltete Decke erinnert an das „Zelt Gottes unter den Menschen.“

  • Ausstattung

    Die Ausgestaltung der Kirche geschah im Rückgriff auf alte christliche Symbole, die mit natürlichen Materialien modern gestaltet wurden.

    Dortmund | St. Bonifatius | Foto: © Rolf-Jürgen Spieker / Dokumentationsstelle für Dortmunder Kirchengeschichte

    Auf dem Deckel des von Heinrich Gerhard Bücker (1922-2008) als Brunnen gestalteten Taufbrunnens sitzen als Sinnbilder der Auferstehung und Unsterblichkeit drei Pfauen, darüber schwebt eine Taube, die die Herabkunft des Heiligen Geistes symbolisiert. Durch einen Hebemechanismus – wie ein Mobile – senkt sich die Taube und der Taufbrunnen wird geöffnet.

    Der nach einer Idee von E. Steffann von H. G. Bücker gestaltete Altar ohne jeden Aufbau ist als Tisch, der zum Mahl einlädt, gestaltet. Hinter dem Altar steht zwischen schlichten Leuchtern ein von Hildegard Domizlaff (1898-1987) gestaltetes, mit Halbedelsteinen besetztes Triumphkreuz ohne Corpus. Auf dem Ambo aus finnischer Mooreiche liegt aufgeschlagen eine Bückerbibel. Der ebenfalls von H. G. Bücker gestaltete Tabernakel symbolisiert einen Lebensbaum: in seiner Mitte auf einer Bergkristallscheibe das Lamm Gottes – die Eucharistie. Dahinter wird das farbige Fenster „Brennender Dornbusch“ von Hans Kaiser (1914-1982) in der Anbetungskapelle sichtbar.

    Im Seitenschiff befindet sich an der Rückwand ein Kreuzweg. An mehreren Stellen ist eine Heiligenverehrung möglich: außerhalb der Kirche vor einem Marienbildstock, im Eingangsbereich vor einer Bonifatiusfigur, im Innenbereich vor einer Pieta von Theo Heiermann (1925-1996) oder einer alten Marienfigur. Die hellbraunen Bänke aus Eiche und die Beichtstühle wurden von Hugo Kükelhaus (1900-1984) gestaltet.

  • Von der Idee zum Bau

    1910 entstand die erste vom Mainzer Dombaumeister Ludwig Becker (1855-1940) im neuromanischen Stil erbaute Kirche, die im Krieg nahezu völlig zerstört wurde. In der Gemeinde gründete nach dem Krieg eine Priestergruppe ein Oratorium des Hl. Philipp Neri (bis 1980) und suchte nach dem „Chaos der braunen Diktatur“ einen Neuanfang in Liturgie, Pastoral und Erwachsenenbildung. Der neue Pfarrer Adolf März, Leiter des Oratoriums, fand 1949 einen Entwurf für den Neubau der Kirche von Rudolf Schwarz (1897-1961) vor, den er ablehnte. 1951 lernte er auf Burg Rothenfels Emil Steffann kennen, der gemeinsam mit ihm und den Künstlern Heinrich Gerhard Bücker (1922-2008), Hildegard Domizlaff (1898-1987) und Hugo Kükelhaus (1900-1989) den Kirchbau und seine Ausstattung entwickelte. Während die Kirche in den Jahren 1953/1954 gebaut wurde, konnte das Gemeindehaus nach einem Entwurf des Architekten Wolfram Funke erst 1982 verwirklicht werden.

  • Der Architekt Emil Steffann

    Emil Steffann (1899-1968) gehört zu den bedeutendsten katholischen Kirchbauarchitekten der Nachkriegszeit. Als Sohn eines Arztes in Bethel besuchte er nach dem Krieg Bildhauerklassen in Bielefeld und Berlin und fasste 1921 nach Aufenthalten in Rom und Assisi den Entschluss, Architekt zu werden. 1926 konvertierte er in Assisi zur katholischen Kirche, begegnete 1927/1928 Walter Gropius und machte 1931 die Bekanntschaft mit Rudolf Schwarz. Nach einer „inneren Emigration“ in den Jahren 1933 -1939 wurde er als Architekt von der Wehrmacht in Frankreich eingesetzt, von 1941-1944 mit Rudolf Schwarz beim Wiederaufbau zerstörter Ortschaften in Lothringen. Nach seiner Internierung in Frankreich wurde er 1947 in Köln mit der Bauleitung des Siedlungsbaus der Diözese betraut. Seit 1950 war er in Mehlem als selbständiger Architekt tätig. Er starb 1968 an den Folgen eines Autounfalls.

    Die geistigen Grundlagen der von ihm gebauten Kirchen, Klöster und Gemeindezentren sind biographische Ereignisse und Begegnungen, vor allem Assisi, der Rothenfelser Kreis um Romano Guardini und die Liturgiereform. Bei seinen Bauten verwertete er das Trümmermaterial zerstörter Kirchen und nimmt Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils vorweg: Der Altar, der umstanden und umgangen werden kann, bildet getrennt vom Tabernakel die Mitte des liturgischen Geschehens. Theologisch steht nicht der „Opfergedanke“, sondern das „Mahl“ im Zentrum. Weitere Leitprinzipien sind Armut und Einfachheit, Material- und Konstruktionsgerechtigkeit mit einer Vorliebe für natürliche Materialien und den Rundbogen.

  • Literatur (Auswahl)
    • Diözesan-Kunstverein Linz (Hg.): Der Architekt Emil Steffann 1899-1968, in: Christliche Kunstblätter H 3, Linz 1969 (Werkverzeichnis).
    • Johannes Heimbach: Quellen menschlichen Seins und Bauens offen halten. Der Kirchenbaumeister Emil Steffann (1899-1968), Altenberge 1995.
    • Anton Henze: Der Kirchenbaumeister Emil Steffann, in: Das Münster 7/8 (1957) 264-267.
    • Dieter Höltershinken: Pfarrei St. Bonifatius, in: Paul Montag u. a. (Hg.), Die katholische Kirche in Dortmund. Ihre Geschichte und Pfarrgemeinden, Paderborn 2006, 302-303.
    • Dieter Höltershinken: Das Oratorium des Hl. Philipp Neri St. Bonifatius Dortmund-Mitte. Dargestellt in Selbstzeugnissen und Dokumenten, Bochum/Freiburg 2011.
    • Gisbert Hülsmann (Hg.): Emil Steffann (Katalog der Kunsthalle Bielefeld, 16.11.-30.12.1980; Werkverzeichnis), Bielefeld 1980.
    • Kath. Pfarramt St. Bonifatius (Hg.): St. Bonifatius-Kirche Dortmund-Mitte, Dortmund o. J. (Text: Susanne Lenfers-Roth).
    • Markus Jager: Einfach zeitlos. St. Bonifatius, Dortmund, 1952-1954, von Emil Steffann, in: Sonja Hnilica/Marcus Jager/Wolfgang Sonne (Hg.), Auf den zweiten Blick. Architektur in der Nachkriegszeit in Nordrhein-Westfalen, Bielefeld 2010, 125-131.
    • Adolf März: Aus der Geschichte der St. Bonifatius-Gemeinde, in: Pfarramt St. Bonifatius (Hg.), Ein neues Gemeindehaus für St. Bonifatius, Dortmund-Mitte, Dortmund 1982, 19-30.
    • Herbert Muck: Zonen der Kommunikation in den Raumfolgen Emil Steffanns und Mythologien, in: Bauwelt 70. Jg. H 19, 18.5. 1979.
    • Emil Steffann: Die St. Bonifatiuskirche in Dortmund, in: Priester des Oratoriums an St. Bonifatius Dortmund (Hg.), St. Bonifatius Dortmund. Festschrift zur Feier der Konsekration am 29.5.1954, Dortmund 1954, 14-16.
    • Heinrich Otten: Der Kirchbau im Erzbistum Paderborn 1930-1975, Paderborn 2009.
    • Inge Wolf: Sakrale Orte – Kirchenbauten von Emil Steffann (1899-1968), in: Deutsches Architektur-Museum Frankfurt am Main (Hg.), Architektur in Deutschland, München 2003.

     

    Wir danken allen Bildgebern für ihre freundliche Unterstützung: Die Bildnachweise werden jeweils am Bild selbst geführt, sie werden beim Klick auf das jeweilige Bild sichtbar.

Text: Dr. Dieter Höltershinken, Dortmund (Beitrag online seit 07/2015)

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