Freiburg-Neuburg

Ludwigskirche

Anschrift Kirche
Starkenstraße 8
79104 Freiburg im Breisgau
  • Informationen
    Kontakt / Öffnungszeiten Kirche Wochentags tagsüber geöffnet.
    Anschrift Pfarramt Pfarrgemeinde Nord
    Starkenstraße 8
    79104 Freiburg im Breisgau
    0761 36139
    Zur Webseite
    Öffnungszeiten Pfarramt DI, DO, FR: 10.00 -12.00 Uhr
    MI: 15.00 - 17.00 Uhr
    Gottesdienstzeiten Kirche Die aktuellen Gottesdienstzeiten können online abgerufen werden unter: www.pfarrgemeinde-nord.de/events/gottesdienst-ludwigskirche/.
    Kirchen im Südwesten

Beton zum Wohlfühlen

Von hohen Bäumen umgeben, steht der moderne Skelettbau mitten auf einer Wiese. Kompromisslos modern – dieses Anliegen ist zur Gänze erfüllt. Ziemlich bald nach dem Zweiten Weltkrieg tat sich Pfarrer Otto Katz mit dem Architekten Horst Linde in der Planung zusammen. Getragen wurde der Entwurf von dem Gedanken, das Kirchenbau-Konzept nicht aus der Tradition herzuleiten, sondern aus der spontanen Überzeugungskraft eines atmosphärischen Eindrucks. So entfaltet sich dieser auch erst beim Betreten der Ludwigskirche. Ein Betonskelettgerippe auf dünnen Stützen weitet den Raum mit warmen Ziegelwänden. Der vollständig verglaste Altarbereich strahlt dem Besucher in hellem Licht entgegen. Das einzige Erdverbundene scheint der massige Altarblock zu sein, der in spannungsvollen Kontrast zu der massiven Betondecke steht.

  • Überblick
    Ort
    Freiburg-Neuburg

    Landeskirche
    Evangelische Landeskirche in Baden


    Name der Kirche
    Ludwigskirche

    Einweihung
    1954 (21. März)

    Architekt
    Horst Eduard Linde

    Künstler
    Harry McLean
    Besonderheit
    Achsensymmetrischer Aufbau, schlanke Betonskelettbauweise und asymmetrische Raumgestaltung verleihen dem Bau besonders im Inneren eine atmosphärische Ausstrahlung.

    Nutzung
    Gemeindekirche der Pfarrgemeinde Freiburg-Nord

    Standort / Städtebau
    Die neue Ludwigskirche ist am nördlichen Rand des Freiburger Alten Friedhofs, freistehend und umgeben von hohen Bäumen errichtet.

  • Beschreibung
    Freiburg im Breisgau | Ludwigskirche | Grundriss

    Freiburg im Breisgau | Ludwigskirche | Grundriss

    Grundriss

     

    Die Ludwigskirche ist nahezu idealtypisch geostet am Rande des Alten Friedhofs, umgeben von hohen Bäumen errichtet. Entlang der Südseite sind der Glockenturm, ein Seitenraum und die Sakristei dem längsgerichteten Kirchenraum angegliedert. Kindergartenräume schließen sich in einem stumpfen Winkel an die Sakristei an. Der hohe, dreischiffige Hallenraum mit offener, konvexer Vorhalle schließt im Osten mit einem großen lichtdurchfluteten Halbrund. Der Presbyteriumsbereich ist kaum merklich um eine Stufe über dem Langhaus angehoben. Die halbrunde Position der Stützen im Eingangsbereich definiert die Raumbewegung und folgt den Längsseiten sowie der Rundung des Altarraum.

     

    Außenbau

    Freiburg | Ludwigskirche | Außenbau | Foto: ev. Kirchengemeinde Freiburg-Nord

    Freiburg | Ludwigskirche | Foto: ev. Kirchengemeinde Freiburg-Nord

    Der Außenbau zeigt sich als einfacher, langgestreckter Kubus ohne Zierrat. Der Farbwechsel zwischen dem betonsichtigen Trägergerüst und den hell verputzten Wandflächen verleiht ihm jedoch deutliche Präsenz. Extrem dünne Stützen teilen den Bau an der Fassade in drei, an der Längsseite in vier Abschnitte. Die Segmentbogentonne des Mittelschiffs erhebt sich nur wenig über dem Kubus. Die zwischen den Stützen eingefügte Wand wirkt dünn und fragil. Daneben erheben sich schmale, hochrechteckige Fensterbänder, die die Seitenschiffe des Innenraums abstecken. Der Betrachter ahnt, dass hier aus der Gotik bekannte Konstruktionsprinzipien mit modernen Mitteln neu interpretiert wurden. Die Auflösung der östlichen Wände in vollständig verglaste Flächen deckt sich mit dieser Einschätzung. Der durch einen wesentlich niedrigeren Anbau stegartig verbundene Glockenturm ist in derselben Weise konstruiert. Schmale Stützen nehmen an den Ecken die volle Höhe ein, dünne Wandelemente bilden den Korpus des Turmes aus. Das Glockengeschoss ist denkbar einfach gefertigt – es ist vollständig offen und wird nur durch Schallsegel, wie sie ähnlich an Kanzeln zu sehen sind, gedeckt.

     

    Innenraum

    Freiburg | Ludwigskirche | Innenraum | Foto: ev. Kirchengemeinde Freiburg-Nord

    Freiburg | Ludwigskirche | Foto: ev. Kirchengemeinde Freiburg-Nord

    Der Innenraum wirkt trotz angedeuteter Mehrschiffigkeit als großer und heller Einheitsraum. Besonders drei Materialien bestimmen sein Aussehen. Aus Beton sind die extrem schlanken Rundstützen und die entsprechenden Pfeilerkerne in den Außenwänden gefertigt. Sie tragen die Segmentbogentonne im Mittelschiff und die am Rand umlaufenden Quertonnen; auch diese sind aus Beton gefertigt. Aus Backstein bestehen die Ausfachungen der Außenwände. Unverputzte, rote und gelbe Viellochziegel wechseln mit gelben Backstein-Bindern, die die Wand in der Horizontalen gliedern. Glaswände vom Fußboden bis zur Gewölbezone schließlich verleihen dem Halbrund des Altarraumes großzügige Transparenz und Helligkeit. Von der Skelettstruktur her ist die Kirche streng achsensymmetrisch aufgebaut, und doch besitzt der Raum eine ebenso klare Asymmetrie. Die Orgelempore über dem Eingang ist auf der Nordseite um zwei Joche weiter Richtung Altarbereich geführt. Auf der gegenüberliegenden Längsseite bietet eine hölzerne Faltwand die Möglichkeit, den Anraum mit dem Hauptraum zu verbinden. Besonders aber fällt ins Gewicht, dass die großflächigen Farbfenster einseitig verteilt sind: Im Norden schließt die gläserne Wand fast an die schräg auslaufende Empore, während sie im Süden knapp hinter dem Altarblock endet. Auf diese Weise fällt sehr viel Licht in den Raum, ohne Schlagschatten zu erzeugen. Durch die klaren Scheiben wird auch das Grün der Umgebung sichtbar.

  • Liturgie und Raum
    Freiburg | Ludwigskirche | Altarraum | Foto: ev. Kirchengemeinde Freiburg-Nord

    Freiburg | Ludwigskirche | Altarraum | Foto: ev. Kirchengemeinde Freiburg-Nord

    Der Altarbereich mit dem Taufstein zur Linken und der Kanzel zur Rechten ist zwar um eine Stufe vom Gemeinderaum abgesetzt erhöht, aber beide Räume werden in der Raumgestaltung intensiv miteinander verzahnt. Das System der schlanken Stützen und die durchgehende Decke fassen Langhaus und Halbrund unterschiedslos zusammen. Demgegenüber ist die Wandverglasung einseitig bis in den Gemeinderaum hineingeführt. Liturgischer Feierort und Gemeinde rücken zusammen. Die Asymmetrien der Innenraumgestaltung sind jedoch nicht nur einer spannungsvolleren Wirkung geschuldet. Sie gleichen vielmehr das Ideal der evangelischen Einheit von Wort und Mahl auf konstruktive Weise aus. Der Altar steht im Zentrum der Blickrichtung, doch die asymmetrische Lichtaureole der Glaswand verortet ihn auf die der Kanzel gegenüberliegende Seite des Altarraums, zusammen mit der Taufe.

  • Ausstattung
    Freiburg | Ludwigskirche | Fenster | Foto: Martin Flashar

    Freiburg | Ludwigskirche | Fenster | Foto: Martin Flashar

    Vollkommen neu hergestellt wurden für die neue Ludwigskirche die Orgel und die Glasfenster. Die Orgel aus der Erbauungszeit von der Firma Walcker (Ludwigsburg) wurde 1994/95 durch die aktuelle ersetzt, welche die Schweizer Orgelbaufirma Mathis (Näfels) errichtete. Den Entwurf für die Glasfenster lieferte der Künstler Harry MacLean (1908-1994), der 1945 zur Bauhütte der Heidelberger Heiliggeistkirche kam und in den folgenden Jahrzehnten vor allem sakrale Kunst schuf. Die hellen Glasfenster, die aus statischen Gründen in schmalen Bahnen im rechten Winkel zueinander stehen, zeigen in aufsteigender Folge Fische, Vögel und Engel, wobei ihre Einfärbung das Farbenspektrum von unten nach oben durchläuft. Das bronzene Altarkreuz stammt vom Architekten Horst Linde. In den eingelassenen Bergkristallen bricht sich das Licht der vormittäglichen Sonne. Ein weiterer Teil der Ausstattung beruht auf Bruchstücken der alten Ludwigskirche, die hierher verbracht wurden. Die Altarplatte liegt auf einem romanischen Rundbogenfries, der Kanzelkorb sitzt auf einem Halbsäulenstück auf. An den Innenseiten des Langhauses sind Basisteile und Fragmente von Konsolen und Kapitellen eingelassen, jeweils in der Höhe, in der sie auch in der alten Kirche gesessen haben. In der Decke der Vorhalle wird das altchristliche Alpha-Omega-Motiv im Ähren- und Kreuz-Kranz als Steinmosaik präsentiert, wobei die Mosaiksteinchen aus gemahlenen Trümmersteinen bestehen. Die Erinnerung an die alte Ludwigskirche wird dadurch lebendig gehalten, ohne dass die alte Kirche Gestalt oder Aussehen der neuen Kirche bestimmt hätte. Neben dem Altar dient ein Teil einer gotischen Fiale als Ständer der Osterkerze. Die Fiale wurde als Geschenk der Erzdiözese in den 1980er-Jahren beim Altar aufgestellt, hat also nichts mit dem ursprünglichen Baukonzept der neuen Ludwigskirche zu tun.

  • Von der Idee zum Bau
    Freiburg im Breisgau | Ludwigskirche | Vorgängerbau, Bildquelle: Freiburg im Breisgau, Die Stadt und ihre Bauten, 1898, via wikimedia commons

    Freiburg im Breisgau | Ludwigskirche | Vorgängerbau, Bildquelle: Freiburg im Breisgau, Die Stadt und ihre Bauten, 1898, via wikimedia commons

    Die evangelische Gemeinde hatte in Freiburg seit 1807 eine Predigtstelle. Als erste Kirche wurde 1839 die (alte) Ludwigskirche eingeweiht – die nach Freiburg versetzte und veränderte Tennenbacher Klosterkirche aus dem 13. Jahrhundert. Sie spielte seit ihrer Errichtung eine bedeutende Rolle als Ort der Ökumene. Die alte Ludwigskirche, nur wenig außerhalb der Altstadt gelegen, wurde während des großen Luftangriffs am 27. November 1944 völlig zerstört. Ein historisierender Wiederaufbau wurde ideologisch ausgeschlossen. Die Kirche wurde an anderer Stelle neu errichtet. Idee und Konzept sind wohl dem Zusammenwirken des Pfarrers Otto Katz (1904-1976, Gemeindepfarrer 1950-1969) mit dem Architekten Horst Linde zu verdanken. Abseits der Hauptverkehrsstraße sollte mit neuen technischen Möglichkeiten auch ein kirchlicher Neuanfang zum Ausdruck gebracht werden, wobei die Symbolik (Ostausrichtung der Kirche, Osterkreuz, Glasfenstermotive etc.) auf das frühe Christentum Bezug nimmt. Horst Linde war kein spezifischer Kirchenbaumeister, sondern seit 1947 neu in Freiburg und mit dem Wiederaufbau der Universität, dann der zerstörten Innenstädte von Freiburg und auch Karlsruhe beschäftigt. Otto Katz und Horst Linde erkannten als wichtigste Aufgabe, eine evangelische Predigtkirche zu errichten. Dem gesprochenen Wort sind die roh belassenen Viellochziegelsteine geschuldet, aus denen die Wände bestehen. Sie sind ideal für Predigten. „Gott erhalte Euch diesen Rohbau“, kommentierte Otto Bartning, der Altmeister des evang. Kirchenbaus. Der Bau erhielt nur so viel Altmaterial aus der ersten Kirche, wie unbedingt notwendig war, um die Kontinuität der evangelischen Gemeinde zu erkennen. Die Grundsteinlegung erfolgte am 8. Juni 1952, die Einweihung am 21. März 1954. Die Ludwigskirche hat nur wenige Veränderungen erfahren. 1994 wurden Teile der Innenwände verglast, um die Akustik für musikalische Veranstaltungen zu verbessern.

  • Der Architekt
    Freiburg | Ludwigskirche | Altarseite | Foto: ev. Kirchengemeinde Freiburg-Nord

    Freiburg | Ludwigskirche | Altarseite | Foto: ev. Kirchengemeinde Freiburg-Nord

    Horst Eduard Linde (1912-2016) hat in den 1930er-Jahren an der Technischen Hochschule Karlsruhe (heute KIT) Architektur studiert. Nach der Kriegsgefangenschaft war er vor allem in den Bauabteilungen des Badischen Finanzministeriums, später Baden-Württembergs, in der Hochbauverwaltung tätig; erst in Freiburg, dann in Stuttgart. Seit 1961 hatte er zugleich eine ordentliche Professur für Hochschulplanung an der TH Stuttgart inne. Seine bekanntesten Bauten sind wohl das Haus des Landtags und die Württembergische Landesbibliothek in Stuttgart.
    Als freier Architekt errichtete er immer wieder Kirchenbauten. Die Freiburger Ludwigskirche war sein erster Sakralbau, mit dem er die Grundlagen für künftige Entwürfe legte. In Freiburg hatte er einst Auguste Perret (1874-1954) getroffen, den leitenden Architekten der französischen Besatzungszeit, dem er wesentliche Impulse verdankte. Perrets Kirche Notre-Dame-de-la-Consolation in Le Raincy (1922-23) in Sichtbeton-Schalenkonstruktion wurde das offensichtliche Vorbild für die neue Ludwigskirche. Beim Wiederaufbau der Stadtkirche in Karlsruhe (1953-56) sind manche Gestaltungsgedanken aus Freiburg wiederzufinden, auch wenn die äußere Hülle, der Weinbrennerbau, bestehen blieb. Die evangelische Johanneskirche in Bad Dürrheim (1960-61) war der letzte große Kirchenbau aus seiner Hand.

  • Literatur (Auswahl)
    • Zoltán Toth, Horst Wein (Bearb.): 20 Jahre Kirchenbau in der Evangelischen Landeskirche in Baden; Karlsruhe 1968
    • Gerhard Langmaack: Evangelischer Kirchenbau im 19. und 20. Jahrhundert. Geschichte, Dokumentation, Synopse; Kassel 1971
    • Hugo Schnell: Der Kirchenbau des 20. Jahrhunderts in Deutschland. Dokumentation, Darstellung, Deutung; München 1973
    • Kai Kappel: Memento 1945? Kirchenbau aus Kriegsruinen und Trümmersteinen; München 2008
    • Horst Mayer, Georg Pfleiderer: Ludwigskirche Freiburg; Freiburg 1994
    • Fotoporträt zur Ludwigskirche Freiburg, von Lothar D. Zickermann (Orgelarchitektur Zickermann, Burgdorf), auf: flickr.com (www.flickr.com/photos/37338861@N05/18187770034, Abrufdatum: 17. Dezember 2018).

     

    Wir danken allen Bildgebern für ihre freundliche Unterstützung: Die Bildnachweise werden jeweils am Bild selbst geführt.

Text: Prof. Dr. Jürgen Krüger, Karlsruhe (Beitrag online seit 03/2019)

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