Mannheim

St. Konrad

Anschrift Kirche
Vorderer Sporwörth 9
68219 Mannheim

Kegel mit Zylinder

Aus klaren Grundformen zusammengesetzt, wird die dynamische Mannheimer Kirche St. Konrad im Volksmund „Himmelfahrtsrakete“ genannt. (Ein Bild, das durch die silbrig glänzende Aluminiumverkleidung umso augenscheinlicher wird.) Kunsthistoriker verbinden diese beispiellose Kombination mit dem Circumstantes-Entwurf (1922/23) der Architekten Dominikus Böhm und Martin Weber. Veröffentlicht wurde diese Idealkirche 1923 zusammen mit dem Entwurf „Lumen Christi“ (Licht Christi) in der zweiten Auflage von Johannes van Ackens Schrift „Christozentrische Kirchenkunst“. Doch gebaut wurde eine solche Circumstantes-Kirche nie, bis man in Mannheim 1966 zu Kegel und Zylinder griff.

  • Überblick
    Ort
    Mannheim

    Bistum
    Erzbistum Freiburg

    Name der Kirche
    St. Konrad

    Weihe
    1966 (19. Juni)

    Architekten
    Heinz Heß, Gerhard Trefs

    Künstler
    Hayno Focken, Franz Schömbs, Anna Tzaneva
    Besonderheit
    Die während des Zweiten Vatikanischen Konzils erbaute Kirche lehnt sich eng an den Circumstantes-Entwurf (1922/23, Dominikus Böhms/Martin Weber) an.

    Nutzung
    mit St. Antonius, St. Johannes, St. Theresia und Hl. Kreuz Teil der Katholischen Seelsorgeeinheit Mannheim Süd

    Standort / Städtebau
    St. Konrad liegt im Stadtteil Casterfeld, der ab 1934 als Industriesiedlung mit Arbeiterhäusern zwischen den Bezirken Rheinau und Neckarau entstand. Rheinau, das unmittelbar an den Rheinhafen grenzt, ist bis heute von Industrie geprägt.

  • Beschreibung

    Grundriss

    Mannheim | St. Konrad | Lageplan

    Mannheim | St. Konrad | Lageplan

    Die Kirche wurde über dem Grundriss einer – mit 24 Meter langen und 27 Meter breiten fast zum Kreis geweiteten – Ellipse errichtet. Im Südosten wird sie glatt durch den Riegel der angrenzenden Sakristeiräume abgeschnitten. Dazwischen setzt der runde Kegelturm mit einem Durchmesser von 11,5 Metern an. Er dringt etwa zur Hälfte in die Kirche ein und bildet dort den Chorraum aus. Zur Kirche gehören auch der Kindergarten und ein Pfarrhaus, die im Süd- bzw. Nordosten an die Sakristeiräume anschließen.

     

    Außenbau

    Mannheim | St. Konrad | Foto: Michaela Kalusok/Jürgen Wiener

    Mannheim | St. Konrad | Foto: Michaela Kalusok/Jürgen Wiener

    Die gedrungene Grundriss-Ellipse erscheint außen wie ein Rundbau, hinter dem der kegelförmige, 46 Meter hohe Turm herausragt. In diesen ist ein parabelförmiges Fenster eingeschnitten, das darüberliegende Geschoss beherbergt drei Glocken. Die gezackten Kirchenwände bilden sich aus 30 radial zur Turmachse aufgefächerten Betonstelen. Deren Zwischenräume zeigen in den oberen zwei Dritteln der Fassade jeweils drei grau getönte, im rechten Winkel angesetzte Spiegelrohglas-Scheiben, während sie bis in eine Höhe von ca. 2,50 Meter geschlossen bleiben. Man betritt die Kirche durch das zweiflügelige Hauptportal, je zwei weitere Eingänge befinden sich an den Seiten. Nach außen zeigt der Kirchenbau heute eine hell glänzende Aluminiumverkleidung.

     

    Innenraum

    Mannheim | St. Konrad | Foto: Michaela Kalusok/Jürgen Wiener

    Mannheim | St. Konrad | Foto: Michaela Kalusok/Jürgen Wiener

    Im Inneren greift der Bodenbelag das Material Waschbeton vom Außenbereich wieder auf. Eine bis zur Chorwand umlaufende Empore umfängt die Kirche oberhalb des Gemeinderaums, der mit konzentrisch angeordneten Bankreihen auf den Chor verweist. Dieser findet sich im geöffneten Kegelmantel des Turms. Eine stehende Parabel schneidet in den Turmkegel ein: Indirektes Licht fällt aus der durchfensterten Krümmung auf den Altarbereich. Gleichzeitig umfängt der offene Turmstumpf den Altarraum wie ein Baldachin. Der Chorbereich ist als den Turmfuß umschreibendes, kreisrundes Podest hervorgehoben. Darauf steht, nochmals über sechs Stufen erhöht, der Altar. Während die radial gestellten Betonwände den Chor nur indirekt belichten, öffnen sich die Fensterscheiben in der Gegenrichtung blendend hell. Der Raum wird überspannt von einer flach gewölbten, kassettierten Betondecke. Unter dem Chor bildet das runde Turmfundament eine Krypta.

  • Liturgie und Raum
    Mannheim | St. Konrad | Foto: Michaela Kalusok/Jürgen Wiener

    Mannheim | St. Konrad | Foto: Michaela Kalusok/Jürgen Wiener

    In Mannheim finden sich die beiden Kernthemen von Dominikus Böhm: zum einen der Circumstantes-Gedanke, die Gemeinde umringt den Altar. Zum anderen ist es die Lichtführung („Lumen Christi“), die St. Konrad mit Dominikus Böhm verbindet: Die unter der Empore verschattete Gemeinde schaut hinauf zum Licht, das aus Turm und Fenstern auf den erhöhten Altar fällt. 40 Jahre nach ihrer Entstehung wird die Idee des christozentrischen Kirchenbaus in Mannheim neu verwirklicht. So erfüllt St. Konrad, dessen Bauzeit mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil zusammenfällt, unmittelbar dessen Forderung nach einer „actuosa participatio“ (tätigen Teilnahme) der Gemeinde an der Liturgie.

  • Ausstattung

    Mannheim | St. Konrad | Foto: Michaela Kalusok/Jürgen Wiener

     

    Der Altar – wie die Sedilien aus dunkelgrauem Granit gefertigt – birgt Reliquien der Märtyrer Justin und Florentina. Im Chorrund findet sich seit 1993 die farbige vierteilige Bildplastik „Der abstrakte Altar“ von Franz Schömbs. 1966 bildete das streng abstrahierte Hängekreuz des Metallbildners Hayno Focken aus Lahr im Schwarzwald den einzigen Schmuck der Kirche. Focken gestaltete außerdem das in die Altarmensa eingelassene Tabernakel, die Weihekreuze zuseiten des Altars, den Osterleuchter (ein Teil davon findet sich heute in der Krypta), die Apostelleuchter, das Ewige Licht, ein mobiles Taufbecken, die Weihwasserschalen, den Turmhahn sowie die mit getriebenem Stahlblech verkleideten Kirchenportale mit Jesus- und Engel-Szenen. Für den aus sieben Alu-Elementen zusammengesetzten Ambo schuf die Künstlerin Ana Tzaneva 1990 eine Bronzeplastik des Kirchenpatrons St. Konrad. Die thronende Marienfigur, die wohl im 14. Jahrhundert entstand, wurde 1965 aus Privatbesitz gestiftet und zuseiten des Altars verortet. Die Orgel kam 1989 aus der Werkstatt Fischer & Krämer in Endingen am Kaiserstuhl, das Positiv auf der Empore stammt aus der Werkstatt Michael Weise in Plattling.

  • Von der Idee zum Bau
    Mannheim | St. Konrad | Foto: Michaela Kalusok/Jürgen Wiener

    Mannheim | St. Konrad | Foto: Michaela Kalusok/Jürgen Wiener

    Als nach dem Zweiten Weltkrieg die Zahl katholischer Gemeindemitglieder im Stadtteil Casterfeld anstieg, entstand 1950 eine Notkirche, die sog. Marienkapelle. Dieses Provisorium hatte bis 1964 Bestand. Bereits 1959 wurde auf Initiative des Stadtpfarrers Johannes Egger mit den Überlegungen für eine neue Kirche begonnen. Plan und Modell des Mannheimer Architekten Heinz Heß (unter Mitarbeit von Gerhard Trefs), der 1960 bereits die benachbarte Antoniuskirche erbaut hatte, wurden im Januar 1961 vorgestellt. Der Grundstein konnte am 30. Juni 1963 gelegt werden. 1964 war mit der Vollendung des Kirchenbaus auch die neue Gemeinde St. Konrad gegründet worden, die etwa 8.000 Katholiken umfasste. Am 20. Dezember 1964 wurde die Kirche benediziert. Die Weihe unter dem Patrozinium des heiligen Bischof Konrad von Konstanz und des heiligen Pfarrer von Ars, Johannes Maria Vianney, erfolgte erst am 19. Juni 1966 – wegen des Zweiten Vatikanischen Konzils stand hierfür zunächst kein Bischof zur Verfügung. Das Gemeindezentrum, das in den 1960er Jahren aus finanziellen Gründen nicht ausgeführt wurde, entstand erst 1982. Im selben Jahr sanierte man den ursprünglich betonsichtigen Außenbau und verkleidete ihn mit Aluminiumelementen, da die Armierungen im Sichtbeton durch die Witterung angegriffen waren. Zuletzt erfolgte 2003/04 eine Dachsanierung.

  • Der Architekt Heinz Heß
    Mannheim | St. Konrad | Foto: Michaela Kalusok/Jürgen Wiener

    Mannheim | St. Konrad | Foto: Michaela Kalusok/Jürgen Wiener

    Der am 2. Juni 1922 in Kehl am Rhein geborene Architekt und Baurat Heinz Heß studierte ab 1940 an der TH Karlsruhe bei Otto Ernst Schweizer und Heinrich Müller. Nach seinem Studium, das er als Soldat von 1941 bis 1945 unterbrechen musste, arbeitete er als Assistent bei Heinrich Müller. Seit 1951 war Heß im Staatsdienst tätig. Von der in Freiburg angesiedelten staatlichen Bauverwaltung von Baden wechselte er 1956 zum Erzbischöflichen Bauamt Heidelberg. Dessen Außenstelle Mannheim leitete er bis 1986 als Nachfolger Hans Rollis. Von 1972 bis 1977 stand er zudem dem Bauamt in Heidelberg vor. Am 5. März 1992 verstarb Heinrich Heß in Mannheim im Alter von 69 Jahren.

    Allein in Mannheim entstanden nach seinen Plänen neun Kirchenbauten, darunter die ebenfalls über parabelförmigem Grundriss erbaute St. Antonius Kirche in Mannheim-Rheingau (mit Hans Rolli, 1960), St. Theresia in Mannheim-Pfingstberg (1961), St. Hildegard in Mannheim-Käfertal (1961), St. Martin in Mannheim-Luzenberg (1966), Zwölf-Apostel in Mannheim-Vogelstang (1969) und St. Michael in Mannheim-Blumenau (1971). Gerade seine Kirchenräume der 1960er Jahre zeigen in ihren dynamisch gerundeten Formen den Geist der Liturgischen Erneuerung.

  • Literatur (Auswahl)
    • Festschrift, hg. aus Anlass der Einweihung des Gemeindehauses der Kath. Pfarrgemeinde St Konrad Mannheim-Rheinau-Casterfeld, Mannheim 1983.
    • Andreas Schenk: Architekturführer Mannheim, Berlin 1999.
    • Werner Wolf-Holzäpfel: Katholische Kirchen in: Mannheim und seine Bauten 1907–2007. Band 3. Bauten für Bildung, Kultus, Kunst und Kultur, Mannheim 2002.
    • Ders.: Katholischer Kirchenbau in Mannheim von 1874 bis heute. Zur Geschichte des Sakralbaus in Nordbaden im 19. und 20. Jahrhundert, Mannheim 1999.
    • Konstantin Groß: Rheinau II und Pfingstberg., in: Mannheim vor der Stadtgründung. Teil II. Band 2. Die Mannheimer Vororte und Stadtteile, Regensburg 2008, 685.
    • Melanie Mertens: Nacherfassung in der Inventarisation Mannheimer Kirchen, in: Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1, 2010, 8-13.
    • Ursula Peters: Brückenschlag zwischen Tradition und Moderne – Hayno Focken und Karl Raichle, Kunsthandwerker und Designer, in: KulturGut 2010, 4, 8-12.

     

    Wir danken allen Bildgebern für ihre freundliche Unterstützung: Die Bildnachweise werden jeweils am Bild selbst geführt.

Text: Dr. Michaela Kalusok, Düsseldorf (Beitrag online seit 11/2017)

Kirchen in der Nähe

Mannheim | Pfingstbergkirche

Mannheim | Versöhnungskirche