Münster-Coerde

Andreaskirche

Anschrift Kirche
Breslauer Straße 158
48157 Münster-Coerde
  • Informationen
    Kontakt / Öffnungszeiten Kirche 0251 249900
    E-Mail
    Bitte beim zuständigen Pfarramt erfragen!
    Anschrift Pfarramt Evangelische Andreas-Kirchengemeinde Münster
    Breslauer Straße 158
    48157 Münster
    0251 249900
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    Öffnungszeiten Pfarramt DI, FR: 9.00 Uhr - 12.30 Uhr
    MI: 15.00 Uhr - 17.00 Uhr
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    Kirchen im Westen

In der Kuhle

Für sein Wohnzimmer fand der Architekt Lothar Kallmeyer im westfälischen Münster eine bestechende Lösung: die Kuhle. In einem offenen Raum führen einige Stufen tiefer zu Tisch und Sesseln – perfekt zum Klönen, Dösen und Schmökern. Ebenfalls im Norden von Münster baute Kallmeyer eine Kuhle für die evangelische Andreaskirchengemeinde. Im großzügigen Hauptraum des Zentrums ist die „tiefergelegte“ Kuhle vor dem Altar offen für die private Andacht, das Abendmahl oder ein Konzert. Der liturgische Kern wird zum Dreh- und Angelpunkt aller gemeindlichen Räume und Veranstaltungen.

  • Überblick
    Ort
    Münster-Coerde

    Landeskirche
    Evangelische Kirche von Westfalen


    Name der Kirche
    Andreaskirche

    Einweihung
    1982 (12. September)

    Architekt
    Lothar Kallmeyer

    Künstler
    Werner Habig, Wolfgang Kreutter, Eva Kuhl, Johannes Schreiter
    Besonderheit
    Statt den liturgisch genutzten Kern des Zentrums zu überhöhen, legte ihn Lothar Kallmeyer mit der sog. Kuhle um einige Stufen tiefer und schuf damit eine ebenso intime wie offen bespielbare Raumzone.

    Nutzung
    Gottesdienst-, Kultur-, Gemeinde- und Wohnraum

    Standort / Städtebau
    Am nördlichen Rand des Stadtteilzentrums Coerdemarkt, südwestlich des katholischen Kirchenbaus, leitet das flachgedeckte Ensemble der Andreaskirchengemeinde vom öffentlichen Raum zur umgebenden Wohnbebauung über.

  • Beschreibung

    Grundriss

    Münster-Coerde | Andreaskirche | Grundriss

    Münster-Coerde | Andreaskirche | Grundriss

    Im Neubaugebiet Münster-Coerde erstreckt sich zwischen zwei Ausläufern der Breslauer Straße das Ensemble der evangelischen Andreaskirchengemeinde. Die weitläufige Anlage aus Pfarrhaus im Süden, Kindergarten im Westen, Haus der Jugend im Nordwesten und Gemeindezentrum mit Glockenträger im Norden umfängt einen Kirchplatz.

     

    Außenbau

    Münster-Coerde | Andreaskirche | Foto: Ev. Andreas-Kirchengemeinde zu Münster-Coerde

    Münster-Coerde | Andreaskirche | Foto: Ev. Andreas-Kirchengemeinde zu Münster-Coerde

    Die flachgedeckten backsteinsichtigen Bauglieder des kubisch gestaffelten Ensembles werden teilweise durch Fensterbänder und tragende Betonelemente belebt. Schon nach außen ist die gottesdienstlich genutzte Raummitte des Gemeindezentrums durch ein erhöhtes Oberlicht ablesbar. Über den Kirchplatz und den aufgeständerten Glockenträger wird der Bau von Süden erschlossen.

     

    Innenraum

    Münster-Coerde | Andreaskirche | Altarraum | Foto: Ev. Andreas-Kirchengemeinde zu Münster-Coerde

    Münster-Coerde | Andreaskirche | Altarraum | Foto: Ev. Andreas-Kirchengemeinde zu Münster-Coerde

    Zwischen den Funktionsräumen im Westen und Osten betritt man über ein großzügiges Foyer den Gemeindesaal. Nach Norden folgt die Kuhle, eine um zwei Stufen eingetiefte Raumzone vor dem Altar. Die beweglichen Hauptstücke – Lesepult, Altartisch und Taufbecken – kann man in der wieder um zwei Stufen erhöhten Nordwestecke verorten. Erhellt und betont wird die Kuhle durch Fensterbänder sowie das um drei Meter erhöhte Oberlicht. Im Osten schließt sich eine separat nutzbare Bühne an.

  • Liturgie und Raum

    Die Andreaskirche bietet für gemeindliche wie liturgische Veranstaltungen die größtmögliche Freiheit. In einem weiten, jedoch vielfach gestaffelten Raum spannen sich unterschiedlich nutzbare Orte auf: Die Kuhle kann zur Kapelle für Einzelne und kleinere Gruppen, aber ebenso zur Mitte einer größeren Veranstaltung werden. Zur Bauzeit bespielte man diese Raumlandschaft z. B. für die Abendmahlsliturgie: Am Altar feierten die Erwachsenen das traditionelle Sakrament und gleichzeitig trafen sich die Kinder auf der östlichen Bühne zum Liebesmahl. Damit berücksichtigte man die unterschiedlichen Bedürfnisse der beiden Altersgruppen und betonte trotzdem, dass sie zu einer Gemeinschaft gehören.

    Letztlich profitierte die Gemeinde von der ungewollt langen Warte- und Bauzeit. Seit 1968 improvisierte sie in einer damals bestehenden Kirchenbaracke mit verschiedenen Veranstaltungsformen. Diese Offenheit übertrug sie auf die 1982 eingeweihte Andreaskirche: Lässt sich das Zentrum grundsätzlich durch Schiebewände und Raumteiler untergliedern, funktioniert es doch ebenso gut als Ganzes. Wenn im Gemeindesaal eine politische Diskussion oder auf der Bühne eine Konfirmandenstunde stattfindet, bleibt die Kuhle dann immer im Bewusstsein, bleibt der Ort immer (auch) Kirche. Eine Lösung, die dem sozialen Verantwortungsgefühl der Bauzeit ebenso gerecht wird wie der heute wiederkehrenden Sehnsucht nach „andersartigen“ Räumen.

  • Ausstattung
    Münster-Coerde | Andreaskirche | Glasgestaltung | Foto: Ev. Andreas-Kirchengemeinde zu Münster-Coerde

    Münster-Coerde | Andreaskirche | Glasgestaltung | Foto: Ev. Andreas-Kirchengemeinde zu Münster-Coerde

    Im Laufe der Jahre erhielt die Andreaskirche eine – für das evangelische Westfalen der Nachkriegsjahrzehnte ungewöhnlich reiche – künstlerische Ausstattung. An der Altarwand gestaltete der Bildhauer Werner Habig (1924-91) eine Backsteinstruktur, deren Kreuzform seine Tochter Eva Kuhl (geb. 1955) nachträglich durch Bronzestäbe verstärkte.

    Für die Hauptstücke Altartisch, Lesepult, Taufbecken und die Altarleuchter konnte der Künstler Wolfgang Kreutter (1924-89) gewonnen werden. Seit 1985 setzt man in der Andreaskirche stufenweise Entwürfe des Glasgestalters Johannes Schreiter (geb. 1930) um. Von den programmatisch bescheidenen Anfängen der Gemeinde zeugt heute noch der Turmraum, wo das Holzkreuz (1968) der Kirchenbaracke, eines provisorischen Vorgängerbaus, aufbewahrt wird.

  • Von der Idee zum Bau
    Münster-Coerde | Siedlung | Foto: STBR, GFDL oder CC BY SA 3.0-1.0

    Münster-Coerde | Siedlung | Foto: STBR, GFDL oder CC BY SA 3.0-1.0

    Im Norden von Münster wuchs seit den frühen 1960er Jahren die moderne Satellitenstadt Coerde. Um ihrer sozialen Verantwortung gerecht zu werden, startete die evangelische Gemeinde hier um 1968 zunächst mit einem Kindergarten und einer Kirchenbaracke. Doch damit baldmöglichst ein vielfach nutzbares Gemeindezentrum folgen konnte, lobte man 1970 einen Wettbewerb aus. Die Architekten sollten weder einen traditionellen Sakralbau noch eine beliebige Mehrzweckhalle entwerfen. Vielmehr könne das neue Zentrum – am Rand des Stadtteilzentrums Coerdemarkt – auch Passanten zum Verweilen einladen. Die Vorschläge beurteilte eine fachkundige Jury aus Architekten, Theologen und Soziologen auch der örtlichen Universität.

    Beauftragt wurde der Duisburger Architekt Lothar Kallmeyer, von dessen Planung bis 1974 zuerst das „Haus der Offenen Tür für die Jugend“ umgesetzt wurde. Danach fehlte das Geld, man plante um und neu und näherte sich wieder dem ursprünglichen Entwurf an. So konnten am 31. Mai 1981 der Grundstein gelegt und am 12. September 1982 die Einweihung gefeiert werden. Bis 1982 stellte man das Pfarrhaus und das Gemeindezentrum mit Gottesdienst-, Gemeinde- und Funktionsräumen sowie zunächst eine Diakoniestation fertig. Schließlich folgte 1986 der Glockenturm, den Kallmeyer zunächst noch als zurückhaltendes Glockentor gezeichnet hatte. Heute ist im Turm zusätzlich ein Tonstudio untergebracht.

  • Der Architekt Lothar Kallmeyer

    Der Architekt Lothar Kallmeyer (geb. am 19. Oktober 1924 in Königsberg/Ostpreußen) studierte nach dem Zweiten Weltkrieg an der Technischen Hochschule in Karlsruhe, wo er durch seinen Lehrer Egon Eiermann entscheidend geprägt wurde. Nach einem Aufenthalt in London, war Kallmeyer von 1954 bis 1974 als freier Architekt in Duisburg tätig. Ab 1974 arbeitete er schließlich mit seinem Büropartner Wolfgang Herbst zusammen. Darüber hinaus wirkte er u. a. als Gastprofessor in den USA, als beratender Architekt am Marburger Kirchbauinstitut oder als Professor für Baukonstruktion in Münster.

    Seit den ausgehenden 1950er Jahren war Kallmeyer im Schulbau tätig, so z. B. in Duisburg und Oberhausen. Mit den frühen 1960er Jahren machte er sich durch (evangelische) Kirchen und Gemeindezentren einen Namen. Neben vielbeachteten Bauten wie der expressiven Detmolder Versöhnungskirche (1967) darf das ausgewogene Gemeindezentrum in Münster-Coerde als sein Hauptwerk gelten. Große Wirkung entfaltete Kallmeyer auch als Theoretiker oder Gremienmitglied: im Vorstand des Deutschen Werkbunds NW, im Deutschen Evangelischen Kirchbautags oder in der Redaktion der Fachzeitschrift „kunst und kirche“. Schon früh betonte er, eine gute Kirche müsse größtmögliche Freiheit bieten, ohne beliebig profan zu wirken.

  • Literatur (Auswahl)
    • Jürgen Hülsmann: Evangelisches Markus-Gemeindezentrum in Münster-Coerde, in: kunst und kirche 33, 1971, 22-25.
    • Jürgen Hülsmann: Orte im Raum. Ein Praxisbericht, in: kunst und kirche 47, 1984, 15-21.
    • Christian Peters/Jürgen Kampmann: 200 Jahre evangelisch in Münster. Beiträge aus dem Jubiläumsjahr (Beiträge zur westfälischen Kirchengeschichte 29), Bielefeld 2006.
    • Günter Rombold (Hg.): Kirchen für die Zukunft bauen. Beiträge zum neuen Kirchenverständnis (Theologie konkret), Wien u. a. 1969.
    • Kerstin Wittmann-Englert: Zelt, Schiff, Wohnung. Kirchenbauten der Nachkriegsmoderne (Forschungen zur Nachkriegsmoderne), Lindenberg i. A. 2006 [zugl. Habil., TU Berlin, 2004].

     

    Wir danken allen Bildgebern für ihre freundliche Unterstützung: Die Bildnachweise werden jeweils am Bild selbst geführt.

Text: Dr. Karin Berkemann, Frankfurt am Main/Greifswald (Beitrag online seit 04/2016)

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