Neunkirchen-Hangard

ev. Kirche

Anschrift Kirche
Am Altzberg 20
66540 Neunkirchen

Auch eine Burg hätte hier stehen können …

Markant und selbstbewusst wie eine kleine Burg ragt die evangelische Kirche auf ihrer Anhöhe empor. Fast 250 Jahre, nachdem die ersten evangelischen Bürger sich in dem Dorf Hangard im Tal der Oster ansiedelten, bekamen sie mit dem avantgardistischen Neubau auch ihre eigene Kirche. Der Architekt, Prof. Günther Mönke, entwickelte sein Projekt nicht als Skizze auf Papier, sondern formte das Modell mit den Händen – wie eine Skulptur. So wirkt der Bau mit seinen geschwungenen Wänden und dem nahtlos emporwachsenden Glockenturm wie aus einem Guss. Doch gerade dieser „organische“ Baukörper ließ der Ausführung viele schlaflose Nächte des Architekten vorangehen. Während des gesamten Bauprozesses mussten immer wieder neue Lösungen für die Umsetzung seines außergewöhnlichen Entwurfs gefunden werden.

  • Überblick
    Ort
    Neunkirchen-Hangard

    Landeskirche
    Evangelische Kirche im Rheinland 


    Name der Kirche
    ev. Kirche

    Einweihung
    1966 (18. Dezember)

    Architekt
    Günther Mönke

    Künstler
    Ferdinand Selgrad
    Besonderheit
    Der plastische, geschwungene Baukörper mit dem organisch emporragenden Glockenturm zeichnet sich durch eine besondere Bewegungsdynamik in den architektonischen Details aus.

    Nutzung
    Kirche des Gemeindebereichs Dorf/ Hangard der Gemeinde Wiebelskirchen

    Standort / Städtebau
    Die Kirche befindet sich auf einer kleinen Anhöhe etwas abseits der dörflichen Wohnbebauung. Hangard ist seit 1973 Ortsteil der Stadt Neunkirchen.

  • Beschreibung

    Grundriss

    Neunkirchen-Hangard | ev. Kirche | Grundriss

    Neunkirchen-Hangard | ev. Kirche | Grundriss

    Der Grundriss der Kirche ist als geostetes Queroval angelegt, dessen Kurvatur schneckenhausförmig ins Innere führt. An drei Stellen ist das umgrenzende Mauerwerk lamellenartig nach außen aufgestellt, so dass Nischen mit Fenstern unterschiedlicher Größe entstehen. Der Eingang zur Kirche befindet sich in der südöstlichen Mündung des Baus. Links vom Eingang führt eine Treppe in den Gemeinderaum im Untergeschoss. Die Sakristei, über der sich der Kirchturm erhebt, ist zwischen Eingang und Altarraum angeordnet. Das Gestühl für ca. 250 Gläubige ist in zwei Blöcken leicht diagonal aufgefächert aufgestellt.

     

    Außenbau

    Neunkirchen-Hangard | ev. Kirche | Foto: Beate Kolodziej

    Neunkirchen-Hangard | ev. Kirche | Foto: Beate Kolodziej

    Von einem nahen Parkplatz führt der Weg über zwei sich gabelnde Aufgänge bis zu dem sich freistehend über einem Sockelgeschoss erhebenden Gebäude. Aufgrund seiner Kompaktheit und der durchgehend hellgrauen Betonoberfläche mit Schalungsstruktur wirkt die Kirche wie eine kleine „Trutzburg“ (Zitat Mönke). Drei Fenster klappen lamellenförmig nacheinander aus dem Rund des Außenbaus auf und verstärken die unübersehbare Dynamik des Umschreitens. Gleichsam organisch wächst am Höhepunkt des zum Eingang führenden Weges der Glockenturm aus dem Baukörper hervor: dort wo sich im Inneren Sakristei und Kanzel befinden. Mönke wollte, wie er selbst schreibt, keine „triste, graue Zementhaut“ für die Kirche und ließ den Beton nach Empfehlung des Architekten Gottfried Böhm sandstrahlen.

     

    Innenraum

    Neunkirchen-Hangard | ev. Kirche | Foto: Erich Nehren

    Neunkirchen-Hangard | ev. Kirche | Foto: Erich Nehren

    Wer den Haupteingang durchschreitet, muss anschließend eine Drehung um 90° vollziehen, um in den Kirchenraum zu gelangen. Der Innenraum besitzt, trotz bescheidener Proportionen, eine besondere Harmonie und Lichtstimmung. Auf die Wände ist weißer, grobkörniger Rauputz aufgetragen. Die Decke ist unbearbeitet, so dass die für den Betonguss erforderliche Bretterverschalung wie am Außenbau erkennbar ist. Einer Rampe gleich steigt das Deckenniveau, ausgehend vom Eingang, spiralförmig Richtung Altarraum nach oben an und öffnet sich an seinem höchsten Punkt in einem dreieckigen Oberlicht, das die Kanzel beleuchtet. Der Altarbereich ist minimal erhöht. Der Bodenbelag besteht hier aus eingelassenen Kieseln, während im Gemeinderaum Terrazzo verlegt ist. Die drei buntverglasten Lichtöffnungen in den Außenmauern – Mönke spricht von Lichtschaufeln – vergrößern sich in Richtung Altar. Das in dieser Abfolge letzte und größte Fenster lässt sein Licht unmittelbar auf den Ort der Taufe fallen.

  • Liturgie und Raum
    Neunkirchen-Hangard | ev. Kirche | Altar I Foto: Beate Kolodziej

    Neunkirchen-Hangard | ev. Kirche | Altar I Foto: Beate Kolodziej

    Günther Mönke folgte grundsätzlich dem Baugedanken einer Rundkirche, den er durch den spiralförmigen Grundriss auf interessante Weise variierte. Man erblickt den Altar erst nach einer Rechtswendung, die aber durch den Weg des Umschreitens und Betretens der Kirche bereits angelegt ist. Die Anordnung des Altarraums im Angesicht der Gemeinde und seine leichte Erhöhung entsprechen dem Ideal der Wegekirche, die in der Dynamik der Rundungen und der Bewegung eine zeitgemäße Aufwertung erfährt. Die Kanzel bzw. das Lesepult ist rechts vom Altar um drei Stufen erhöht aufgestellt. Auf der linken Seite befindet sich der Taufstein. Dieser wird durch die besondere Lichtführung hervorgehoben. Auch die Kanzel wird durch ein Oberlicht zusätzlich beleuchtet. Für Andachten steht ein Gemeinderaum im Untergeschoss zur Verfügung.

  • Ausstattung
    Neunkirchen-Hangard | ev. Kirche | Fenster

    Neunkirchen-Hangard | ev. Kirche | Fenster | Foto: Foto: Beate Kolodziej

    Die Ausstattung der Kirche ist schlicht und auf das Wesentliche reduziert. In die Außenmauer des Glockenturms ist ein Kreuz eingelassen. Die liturgischen Stücke – Kanzel, Altar und Taufstein – wurden von dem Architekten Günther Mönke entworfen und sind aus Nagelfluh monolithisch gestaltet. Während die Platte des Altartischs sich über einem konisch verjüngenden Fuß erhebt, ist der Taufstein ein schlichter Zylinder ohne weiteren Dekor. Die Kanzel bzw. das Lesepult ist aus zwei diagonal aufgestellten Steinscheiben gebildet, die von einem dritten, vertikal aufragenden Element verbunden werden. Die Form erinnert an ein aufgeschlagenes Buch. Auch das hölzerne Kreuz hinter dem Altar stammt von Mönke und zeichnet sich durch dieselbe reduzierte Formensprache aus. Es besteht aus zwei sich kreuzenden Holzbalken ohne figürliche Ergänzung. Die vier Glasfenster in der Wand und der Decke des Kirchenraums wurden nach Entwürfen des Saarländischen Künstlers Ferdinand Selgrad (geboren 1927 in Neunkirchen) gefertigt. Von ihm stammen auch die Glasfenster-Entwürfe einer weiteren Mönke-Kirche in Mettlach. Selgrad arbeitet sowohl figürlich als auch abstrakt. Für die Bleiglasfenster in Hangard schuf er abstrakte Kompositionen aus organisch angeordneten, kraftvoll-farbigen Flächen. Die Orgel – eine Beckerath-Positiv mit fünf Registern – ist gegenüber dem Altar, hinter den Kirchenbänken aufgestellt. Sie wurde 1971 von dem Orgelbauer Rudolf Beckerath in Hamburg gefertigt. Ursprünglich hatte sie einen geschlossenen Kasten, doch dieser wurde zugunsten einer besseren Akustik entfernt.

  • Von der Idee zum Bau
    Neunkirchen-Hangard | ev. Kirche | Modell I Bild: Privatarchiv Mönke

    Neunkirchen-Hangard | ev. Kirche | Modell I Bild: Privatarchiv Mönke

    Die evangelischen Gläubigen von Hangard gehören seit dem 18. Jh. zur Gemeinde des knapp drei Kilometer entfernten Wiebelskirchen. Nachdem sie sich viele Jahrzehnte einzig mit einem Glockenstuhl begnügt hatten, war man nach dem 2. Weltkrieg bestrebt, eigene Gottesdienste abhalten zu dürfen. 1957 fand ein erster Gottesdienst in der ehemaligen evangelischen Schule des Ortes statt. Bald darauf wurde der Entschluss getroffen, in Hangard eine eigene Kirche zu errichten. 1963 fand ein beschränkter Wettbewerb der Landeskirche in Düsseldorf statt, der sich an eine ausgewählte Gruppe von Architekten richtete, zu der auch Günther Mönke gehörte. Da die Jury die Skizzen von Mönke nicht beurteilen konnte, reiste er mit einem Modell nach Düsseldorf und konnte dort mit seinem Projekt „Burg auf einer Anhöhe“ überzeugen. Am 18. Juli 1965 erfolgte die Grundsteinlegung; Ende Mai 1966 feierte man Richtfest und am 18. Dezember 1966 wurde die Kirche eingeweiht. Der Bau und seine Ausstattung befinden sich weitestgehend im Originalzustand. Eine Renovierung im Innen- und Außenbereich fand 1995 statt, bei der die Fenster des Gemeindesaales und der Aufgang zur Kirche erneuert wurden.

  • Der Architekt
    Neunkirchen-Hangard | ev. Kirche | Foto: Erich Nehren

    Neunkirchen-Hangard | ev. Kirche | Foto: Erich Nehren

    Günther Mönke, geboren 1923 in Nauen/Havelland, studierte von 1941 bis 1945 Architektur an der TU Berlin und lehrte ab 1947 an der Technischen Hochschule in Saarbrücken. Daneben arbeitete er stets als freischaffender Architekt und entwarf u. a. Wohnhäuser und Schulen sowie Kirchen und Gemeindezentren. Neben der Kirche in Mettlach (1961-62) gehört Hangard zu seinen architektonisch herausragenden Entwürfen. Bei der Konzeption seiner Bauten dachte Mönke nicht in festgelegten Formen oder Typen, sondern ging jeweils von den örtlichen Gegebenheiten aus. Die landschaftliche Lage oder der städtebauliche Kontext des zu entwerfenden Gebäudes beeinflussten die sehr individuellen Lösungen. Bei seinem Entwurf für Hangard wurde er inspiriert von Gottfried Böhms Erweiterung der Godesburg, doch spürt man auch den Einfluss von Le Corbusiers Wallfahrtskirche im französischen Ronchamp.

  • Literatur (Auswahl)
    • Marlen Dittmann: Interview Architektur, Marlen Dittmann im Gespräch mit Günther Mönke, Hg. von Jo Enzweiler, Saarbrücken 2008.
    • Marlen Dittmann: Die Baukultur im Saarland 1945-2010, Hg. vom Institut für Landeskunde im Saarland, Saarbrücken 2011.
    • Günther Mönke: Ein’ Feste Burg…, Zur Entstehungsgeschichte der Evangelischen Kirche in Hangard, unveröffentlichtes Manuskript des Architekten.
    • Heinrich Otto Vogel: Evangelischer Kirchenbau heute, in: Die Evangelische Kirche an der Saar. Gestern und heute, hg. von den Kirchenkreisen Ottweiler, Saarbrücken und Völklingen der Evangelischen Kirche im Rheinland, Saarbrücken 1975, 352-357.
    • Biografie des Architekten Günther Mönke: Institut für aktuelle Kunst im Saarland.

     

    Wir danken allen Bildgebern für ihre freundliche Unterstützung: Die Bildnachweise werden jeweils am Bild selbst geführt.

Text: Beate Kolodziej M.A., Saarbrücken (Beitrag online seit 05/2019)

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