Planegg

Waldkirche

Anschrift Kirche
Ruffinialle 1
82152 Planegg

Eine kleine Revolution

„Ich war zu spät dran, lief auf den achteckigen Bau zu, öffnete eine Türe und war voll im Angesicht der Gemeinde. Schnell schloß ich wieder, aber als ich die Kirche auf der gegenüberliegenden Seite betreten wollte, schaute ich wieder in viele Gesichter.“ So beschreibt der Architekt Theo Steinhauser seinen ersten Besuch der Waldkirche Planegg. Dieser, wie Steinhauser es nannte, „reine Zentralraum“ spricht gegen alles, was wir immer noch von einer Kirche erwarten. Statt Mittelgang mit entrücktem Chor setzte der Architekt Theodor Fischer hier 1926 Altar und Kanzel unausweichlich in die Mitte des Gottesdienstraums damals wie heute eine kleine Revolution.

  • Überblick
    Ort
    Planegg

    Landeskirche
    Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern 


    Name der Kirche
    Waldkirche

    Einweihung
    1926 (26. Dezember)

    Architekt
    Theodor Fischer

    Künstler
    Helmut Imman, Bernhard Jäger, Ernst Penzoldt, Hans Wimmer
    Besonderheit
    Für dieses Spätwerk setzte Theodor Fischer den Altar ins Zentrum eines achteckigen Gottesdienstraums, der wie ein Amphitheater angelegt ist.

    Nutzung
    Gemeindekirche

    Standort / Städtebau
    Die Kirche liegt in einem kleinen Waldstückchen am Rand einer Siedlung. In unmittelbarer Nachbarschaft befinden sich ein Alten- und Pflegeheim aus dem Jahr 1970 sowie ein ebenfalls erst später errichtetes Gemeindehaus.

  • Beschreibung

    Grundriss

    Planegg | Waldkirche | Grundriss

    Planegg | Waldkirche | Grundriss

    Der Gottesdienstraum der Waldkirche wurde über einem gleichseitig achteckigen Grundriss errichtet. Betreten kann man die Kirche von drei Seiten. In ihrem Zentrum steht der Altarraum, ursprünglich stand hier sogar der Altar selbst. Zwischenzeitlich ist dieser jedoch einen halben Meter nach Osten gewandert, näher zum Kanzelpult, das vor der östlichen Wand verortet ist. Hinter dieser schließt sich ein rechteckiger Anbau an, der den Gemeinderaum und an seinem östlichen Ende die Sakristei beherbergt, die zugleich das Fundament des Kirchturms bildet.

     

    Außenbau

    Planegg | Waldkirche | Außenbau | Foto: Oderfing, DD BY SA 3.0 oder GFDL

    Planegg | Waldkirche | Foto: Oderfing, DD BY SA 3.0 oder GFDL

    In einem Waldstück am Rand von Planegg wird der freistehende Putzbau von einem achtseitigen ziegelgedeckten Zeltdach mit großen Gauben überfangen. Zwischen der Kirche und dem gedrungenen Turm fügt sich der deutlich niedrigere Gemeindesaal mit Satteldach ein.

     

    Innenraum

    Planegg | Waldkirche | Innenraum | Foto: Philipp Stoltz

    Planegg | Waldkirche | Foto: Philipp Stoltz

    Von den drei Eingängen aus führen die Stufen jeweils leicht nach unten zum achteckigen Altarraum im Zentrum der Kirche. Hinter dem dort aufgestellten Altar erhebt sich an der Ostseite des Achtecks das Kanzelpult, das auf halber Höhe der Stufen aufgestellt ist. Die dahinterliegende Faltwand lässt sich zum dahinterliegenden Gemeindesaal hin öffnen.

    An den übrigen sieben Seiten der Kirche steigen die Kirchenbänke nach hinten immer weiter an. So umringt die Gemeinde den Altar wie in einem Amphitheater. Der Raum wird von einer achtseitigen Empore umfangen, reicht in seiner Mitte bis ganz unter das steile Spitzdach und wird dort durch ein umlaufendes Glasfries belichtet. Im Inneren dominiert das Material Lärchenholz. Demgegenüber sind die Wände weiß und die Bänke grau gehalten. Der einzige bildliche Schmuck findet sich am Kanzelpult sowie umlaufend an der Emporenbrüstung.

  • Liturgie und Raum
    Planegg | Waldkirche | Innenraum | Foto: Michael Schlierbach

    Planegg | Waldkirche | Foto: Michael Schlierbach

    Gegen Ende des 19. Jahrhunderts setzten sich vor allem die protestantischen Theologen der Liturgischen Bewegung für Zentralbauten ein: Der gängige Grundriss der „Wegekirche“ sei von den mittelalterlichen katholischen Kirchen (vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil) übernommen. Dieser längsgerichtete Raum verfestige die Trennung zwischen dem Priester vorne am Altar und den Laien hinten auf den Bänken. Stattdessen müsse sich die evangelische Gemeinde um den Altar in der Raummitte versammeln.

    Dieses Konzept vertrat u. a. das einflussreiche „Wiesbadener Programm“ von 1890. Ein späterer Fürsprecher des Zentralraums war Otto Bartning, der 1922 den idealtypischen Entwurf seiner zentralisierenden „Sternkirche“ entwickelte. Die Waldkirche Planegg bildet wahrscheinlich das älteste Exemplar eines solchen Zentralbaus in Bayern. Friedrich Kurrent hebt hervor: „Die Waldkirche ist nicht Ort frontaler Belehrung. Sie ist ein Raum gemeinsamen Nachdenkens, tieferen Erkennens, froheren Lobens.“

  • Ausstattung
    Planegg | Waldkirche | Fries | Foto: Michael Schlierbach

    Planegg | Waldkirche | Detail Fries | Foto: Michael Schlierbach

    Die Ausstattung der Waldkirche ist bewusst zurückhaltend ausgefallen: Bilder finden sich lediglich an der Emporenbrüstung. Dort ist vor allem die Darstellung der Trinität (Gottesauge, Geisttaube und Kruzifix) des Künstlers und Autors Ernst Penzoldt hervorzuheben, die quasi als Altarbild über der Ostseite angebracht ist. Zur Zeit des NS-Regimes wurde das Kunstwerk als „entartet“ eingestuft und durch ein Kruzifix von Helmut Imman ersetzt. 1977 stellte die Gemeinde den ursprünglichen Zustand wieder her. Die übrigen Bilder an der Emporenbrüstung schuf der Landschaftsmaler Bernhard Jäger. Die Flachschnitzereien im Holz des Kanzelpults wurden vom Bildhauer Hans Wimmer gefertigt. An ihrer Frontseite zeigen sie den Apostel Paulus, an den Seiten dessen Wirkungsstätten.

  • Von der Idee zum Bau

    Vor dem Neubau der Waldkirche stand der Evangelischen Gemeinde von Planegg lediglich ein Betsaal im Schulhaus zur Verfügung. Als Rudolf Baron von Hirsch der Gemeinde ein Grundstück schenkte, das von dieser mehrfach getauscht wurde, konnte der Vikar schließlich Theodor Fischer als Architekten gewinnen. Fischer hatte zuvor für München-Giesing eine evangelische Kirche als Zentralbau auf ovalem Grundriss geplant, die jedoch nicht ausgeführt wurde. So gestaltete er 1926, zwei Jahre vor seiner Emeritierung, in Planegg eines seiner bekanntesten Spätwerke, den wohl ersten Zentralbau in Bayern.

    Otto Bartning hatte 1922 seine „Sternkirche“ entworfen: einen runden Bau, in dessen erhöhter Mitte er Altar und Kanzel als Zentrum der Liturgie und der Kirche rückte. 1929 setzte Bartning sein Konzept in der Auferstehungskirche Essen um. Theodor Fischer war also ganz auf der Höhe seiner Zeit, als er 1926 die Waldkirche baute. Er selbst nahm in einem Artikel über die Waldkirche für die Fachzeitschrift „Kirche und Kunst“ (Juli 1927) zu seinem außergewöhnlichen Bau Stellung. Mit der Waldkirche versuche er, „für die beiden gleichgewerteten Dinge, die Kanzel und den Altar, den Ort zu finden, wo sie in der Gemeinde und in guter Gegenseitigkeit aufgestellt werden können.“

  • Der Architekt Theodor Fischer

    Der Architekt Theodor Fischer wurde 1862 in Schweinfurt geboren. Bald legte er den historistischen Stil seines Lehrers Friedrich Thiersch ab, um sich vor allem am jeweiligen lokalen Umfeld zu orientieren. Damit wurde er zum Wegbereiter einer Bauweise auf der Schwelle zwischen Tradition und Moderne. Nach seinem Studium arbeitete Fischer zunächst in verschiedenen Büros und Bauämtern Münchens. In Stuttgart lehrte er von 1901 bis 1908 als Professor für Bauentwürfe und Städteanlage an der Technischen Hochschule. 1907 war er Mitbegründer des Deutschen Werkbunds, wechselte 1908 an die Technische Hochschule München und bemühte sich hier um eine Reform des Architekturstudiums. Seine Gedanken wurden u. a. von der Bauhaus-Bewegung mit aufgegriffen, in besonderem Maße auch durch seine Schüler nach dem Zweiten Weltkrieg. 1928 emeritierte Theodor Fischer, 1938 verstarb er in München.

  • Literatur (Auswahl)
    • Festbrief zum 75. Jubiläum der Waldkirche Planegg, München 2001.
    • Friedrich Kurrent: Die Evang.-Luth. Waldkirche in Planegg, in: Andreas Hildmann/Norbert Jocher (Hg.): Die Münchner Kirchen. Architektur – Kunst – Liturgie, Regensburg 2008, 283-287.
    • Theo Steinhauser: Gedanken des Architekten zum Bau der Friedenskirche, in: graefelfing-evangelisch.de (www.graefelfing-evangelisch.de/gedanken-des-architekten, 3. Februar 2016).

     

    Wir danken allen Bildgebern für ihre freundliche Unterstützung: Die Bildnachweise werden jeweils am Bild selbst geführt.

Text: Philipp Stoltz M. A., München (Beitrag online seit 05/2016)

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