Schwarzach am Main

Abteikirche Münsterschwarzach

Anschrift Kirche
Schweinfurter Straße 40
97359 Schwarzach am Main

Ein „fränkisches Speyer“

Ein „fränkisches Speyer“, so wurde die Abteikirche von Münsterschwarzach schon bei ihrer Weihe genannt. Und in der Tat erinnern ihre viertürmige Silhouette und ihr Äußeres in grob gehauenem Stein an das Mittelalter. Ihre monumentalen Ausmaße brauchen den Vergleich mit der Grablege der deutschen Kaiser nicht zu scheuen. Wie im Mittelalter legten die Mönche selbst Hand an beim Bau der insgesamt vierten Kirche auf dem Gelände der alten Abtei und schufen so von 1935 bis 1938 den größten Kirchenneubau in der Zeit des Nationalsozialismus. Wen die Mönche aber für ihren Führer und Heiland hielten, daran lassen das Christus Salvator-Patrozinium und die monumentale, 3,8 Meter große Christusskulptur im Chor keinen Zweifel, auch wenn der riesenhafte, fast schmucklose Bau architektonisch seine Entstehungszeit nicht verleugnen kann.

  • Überblick
    Ort
    Schwarzach am Main

    Bistum
    Bistum Würzburg

    Name der Kirche
    Abteikirche Münsterschwarzach

    Weihe
    1938 (11. September)

    Architekt
    Albert Boßlet

    Künstler
    Albert Boßlet, Hubert Elsässer, Lore Friedrich-Gronau, Maurus Kraus, Valentin Kraus, Bonifaz Nüdling, Otto Sonnleitner
    Besonderheit
    Die Abteikirche Münsterschwarzach war das größte Kirchenbauprojekt während der NS-Zeit.

    Nutzung
    Abteikirche

    Standort / Städtebau
    23 Kilometer östlich von Würzburg entfernt, liegt der Bau zwischen Maintal und Steigerwald am Ortsrand von Münsterschwarzach, einem Stadtteil von Schwarzach am Main. Der Kirchenbau schließt als nördlicher Flügel das Klosterquadrum ab.

  • Beschreibung

    Grundriss

    Schwarzach am Main | Abteikirche Münsterschwarzach | Grundriss

    Schwarzach am Main | Abteikirche Münsterschwarzach | Grundriss

    St. Salvator ist eine Mischform zwischen einer Wandpfeilerkirche und einer Basilika auf längsrechteckigem Grundriss mit einer stattlichen Nutzfläche von 2.000 Quadratmetern. Die Anforderungen einer Benediktinerabtei kommen anschaulich in der Grundrissform zum Ausdruck: Im Osten liegt das Presbyterium, das vom Brüder- und Schülerchor flankiert wird. Ihm schließen der quadratische Mönchschor und das Laienschiff nach Westen hin an. Jeweils sechs rundbogige Arkaden grenzen Mittel- und Seitenschiffe voneinander ab, die zu jeder Seite sechs Kapellen aufnehmen.

     

    Außenbau

    Schwarzach am Main | Abteikirche Münsterschwarzach | Außenbau | Foto: Abtei Münsterschwarzach

    Schwarzach am Main | Abteikirche Münsterschwarzach | Foto: Abtei Münsterschwarzach

    Rund 23 Kilometer östlich von Würzburg befindet sich die Abteikirche von Münsterschwarzach, die schon von weitem mit ihren vier Türmen im leicht hügeligen Vorland des Steigerwaldes zu sehen ist. Wie auch die drei Vorgängerkirchen schließt sie als nördlicher Flügel das Klosterquadrum ab. Monumental und wehrhaft wirkt die Basilika von 88 Meter Länge. Dieser Eindruck verstärkt sich durch das hellgraue unverputzte fränkische Bruchsteinmauerwerk, mit dem die Stahlskelettkonstruktion verblendet wurde, und in dem das Bild des 19. Jahrhunderts vom steinsichtigen Mittelalter nachwirkt. Die Westfassade ist mit vier überlebensgroßen Evangelistenfiguren (Gestaltung: Valentin Kraus) und einem Rundfenster (Glasgestaltung: Albert Boßlet) von 6 Metern Durchmesser geziert.

     

    Innenraum

    Schwarzach am Main | Abteikirche Münsterschwarzach | Innenraum | Foto: Christian Klein/Jennifer Verhoeven

    Schwarzach am Main | Abteikirche Münsterschwarzach | Foto: Christian Klein/Jennifer Verhoeven

    Durch eine repräsentative dunkle Vorhalle mit drei hohen Arkaden betritt man das Innere. Dieses zeichnet sich durch einfache klare Formen aus – z. B. die dunkle, flache Sperrholzdecke mit großformatiger Kassettierung und die Wände mit rauem, weiß-grauem Kellenbewurf. Der Architekt Albert Boßlet ist geradezu radikal im Verzicht auf Gliederungselemente, stattdessen werden kubische Bauformen aneinandergereiht. Besonders prägnant ist das Motiv des Rundbogens, das den Bau mit Arkaden, Obergadenfenstern, Triumphbogen etc. beherrscht. Dadurch wird zugleich die an barocke Vorbilder erinnernde Lichtregie gestützt: Während das Laienschiff in gleichmäßig helles Licht getaucht ist, unterbricht der fensterlose dunkle Mönchschor die Dramaturgie. Ihm schließt sich nach Osten das gold-gelb erhellte Presbyterium mit dem Hochaltar an.

  • Liturgie und Raum
    Schwarzach am Main | Abteikirche Münsterschwarzach | Tabernakel | Foto: Christian Klein/Jennifer Verhoeven

    Schwarzach am Main | Abteikirche Münsterschwarzach | Tabernakel | Foto: Christian Klein/Jennifer Verhoeven

    Der architektonischen Gliederung und Steigerung der Raumabschnitte entsprechen unterschiedliche liturgische Funktionen. So sind Mittelschiff und Seitenkapellen den Laien vorbehalten, während in den Chören und im Presbyterium die Liturgie der Mönche, also Chorgebet und Messfeier, stattfindet. In der Trennung der Chöre wird noch die damalige hierarchische Gliederung eines Klosterkonvents deutlich. Auch in der Ausrichtung aller Teilräume auf den monumentalen gekrönten Christus sowie auf das Presbyterium, das durch Treppenpodest und Lichtregie hervorgehoben wird, äußern sich die Erbauungszeit und ihre christozentrische Theologie.

    Die Reformen des Zweiten Vatikanums führten zum einen zur Errichtung des bis 1987 mobilen Altars in der Mitte des Presbyteriums, von dem aus mit Blick auf das sehr weit entfernte Kirchenvolk zelebriert werden kann. Zum anderen wurde im Chorgebet die schon zuvor diskutierte strikte Trennung von Priestern und Laienbrüdern aufgehoben, was die räumliche Trennung der Teilchöre überflüssig machte. Durch den Abbau des bauzeitlichen Hochaltars an der Ostwand, auf dem die Monumentalskulptur des Kirchenpatrons ursprünglich aufgeruht hatte, scheint diese heute frei vor der Wand zu schweben.

  • Ausstattung
    Schwarzach am Main | Abteikirche Münsterschwarzach | Altarraum | Foto: Abtei Münsterschwarzach

    Schwarzach am Main | Abteikirche Münsterschwarzach | Foto: Abtei Münsterschwarzach

    Die architektonische Steigerung nach Osten fand ursprünglich ihren Höhepunkt im Hochaltar und der monumentalen Darstellung des triumphierenden Christus. Nach Entwürfen von Boßlet hatten die Klosterwerkstätten unter der Leitung von Br. Maurus Kraus aus Kirchheimer Marmor einen schlichten Altar mit einem Tabernakel aus vergoldetem Silber errichtet. Dessen eigentliche Zier besteht im figürlichen Schmuck der Chorostwand: Zwei Medaillons mit geschlachtetem Lamm (alter Bund) und eucharistischem Brot bzw. Kelch (neuer Bund) rahmen ein τ-Kreuz, vor dem ein 3,80 Meter großer, athletischer Christus im Stil der Beuroner Schule eher steht als hängt. Überfangen wird diese Gruppe von einer Art monumentalem Türsturz, auf dem zwei Engel eine stilisierte Krone über das Haupt Christi halten. Zeitgleich schufen die Klosterwerkstätten die Ambonen, Sakraments- und Marienaltar. Die Nebenaltäre (Maurus Kraus, Bonifaz Nüdling, Otto Sonnleitner, Lore Friedrich-Gronau) entstanden von 1940 bis 1982 in drei Phasen und sind ordens- bzw. regionaltypischen Heiligen gewidmet. Im Vorfeld des 50. Weihejubiläums wurden 1987 durch Hubert Elsässer mitten im Presbyterium ein neuer Hauptaltar nach den Vorgaben des Zweiten Vatikanums errichtet sowie der Sakraments- und der Marienaltar umgestaltet. Die Orgel (Klais, Bonn), die in den Nischen zu beiden Seiten des Presbyteriums untergebracht ist, stammt aus der Bauzeit und wurde 1987 renoviert.

  • Von der Idee zum Bau

    Der Bau entstand unter den Äbten Plazidus II. Vogel und Burkard II. Utz. Am 28. Juli 1935 konnte der Grundstein gelegt, am 11. September 1938 die Weihe gefeiert werden. Man finanzierte das Vorhaben mit Spendengeldern, welche die Prokuren der Missionsbenediktiner in Großbritannien und den USA gesammelt hatten. Drei Vorgängerkirchen besaß die Abtei, die auf eine karolingische Gründung zurückgeht. Nach Säkularisation, Verfall und Abbruch der Balthasar-Neumann-Abteikirche von 1743 erwarb der Orden 1913 das Areal und die noch vorhandenen Gebäude des ehemaligen Klosters. Ab den frühen 1930er Jahren konkretisierten sich die Planungen für den Kirchenneubau. Auch wenn sich führende Architekten wie Böhm oder Holzmeister ins Spiel zu bringen versuchten, fiel die Wahl im Rahmen eines Wettbewerbs 1934 auf Albert Boßlet.

    Schwarzach am Main | Abteikirche Münsterschwarzach | Bauarbeiten | Foto: Abtei Münsterschwarzach, Mitte der 1930er Jahre

    Schwarzach am Main | Abteikirche Münsterschwarzach | Bauarbeiten | Foto: Abtei Münsterschwarzach, Mitte der 1930er Jahre

    Gefordert wurde für den Sakralbau eine Architektursprache, mit der man würdig auf die rund 1000-jährige Vergangenheit der Abtei zurückblicken könne. Der erste Entwurf sah noch vier gleichstarke Türme vor und wurde damit vom Münchener Kultusministerium als zu schwerfällig für die umgebende Landschaft beurteilt. Boßlet erhöhte daraufhin das östliche Turmpaar und reduzierte das westliche in seinen Proportionen. Dadurch nimmt die Dynamik des riesenhaften Baukörpers von West nach Ost zu und folgt damit dem Ansteigen der Landschaft.

    Münsterschwarzach wurde in den Filialkirchen der Abtei zu Peramiho (Tansania), Inkamana (Südafrika) sowie der Pfarrkirche St. Josef in Aschaffenburg und der Zisterzienserkirche Itaporanga (Brasilien) rezipiert.

  • Der Architekt Albert Boßlet
    Schwarzach am Main | Abteikirche Münsterschwarzach | Innenraum | Foto: S. Angerhausen

    Schwarzach am Main | Abteikirche Münsterschwarzach | Innenraum | Foto: S. Angerhausen

    Das architektonische Werk Albert Boßlets (1880-1957) umfasst schwerpunktmäßig Sakralbauten (mehr als 100 ausgeführte Projekte). Er war insbesondere für die Diözesen Speyer, Würzburg und Regensburg tätig: z. B. mit der Herz-Jesu-Kirche und dem Pius-Seminar der Mariannhiller Mission (1927/28) in Würzburg, der Herz-Jesu-Kirche (1928/29) in Aschaffenburg, der Christuskönig-Kirche (1931-33) in Hauenstein und St. Ludwig (1935) in Frankenthal.

    Boßlets Frühwerk stand unter dem Einfluss der Stuttgarter Schule um Theodor Fischer und des süddeutschen Heimatstils. Nach einer Hinwendung zum gotisierenden Expressionismus und Funktionalismus in den frühen 1920er Jahren arbeitete er ab den späten 1920er Jahren ausschließlich im romanisierenden Stil, häufig angelehnt an regionale Vorbilder. Den Höhepunkt seines Œuvres markiert die Abteikirche von Münsterschwarzach. Das basilikale Formenschema mit turmartig überhöhtem Chor, das er z. B. schon in Hauenstein oder Frankenthal angewandt hatte, setzte er hier in monumentalen Ausmaßen fort.

  • Literatur (Auswahl)
    • Albert Boßlet, in: Allgemeines Künstlerlexikon. Die Bildenden Künstler aller Zeiten und Völker, Bd. 13 (Bordalejo-Braun), München/Leipzig 1996, 222.
    • Holger Brülls: Neue Dome. Wiederaufnahme romanischer Bauformen und antimoderner Kulturkritik im Kirchenbau der Weimarer Republik und der NS-Zeit, Berlin/München 1994, 70-99.
    • Holger Brülls: „Deutsche Gotteshäuser“. Kirchenbau im Nationalsozialismus: ein unterschlagenes Kapitel der deutschen Architektur, in: Stefanie Endlich u.a. (Hg.): Christenkreuz und Hakenkreuz. Kirchenbau und sakrale Kunst im Nationalsozialismus, Berlin 2008, 85-95.
    • Johannes Mahr: Schwarz aber Schön. Die Abtei Münsterschwarzach im 20. Jahrhundert, Bd. 3: Planung und Bau der Abteikirche (1929-1938), Münsterschwarzach 2013.
    • Patrick Melber: Die Abteikirche zu Münsterschwarzach. Das Hauptwerk des Architekten Albert Boßlet (1880-1957) im Kontext der Geschichte (Münsterschwarzacher Studie 53), 2 Bde., Münsterschwarzach 2013.
    • Münsterschwarzach. Heut und Einst. Festschrift zur Weihe der Kirche 1938, Münsterschwarzach 1938.
    • Hugo Schnell: Zeichnen und Bauen. Albert Boßlet (1880-1940), München 1940, 65-67.

     

    Wir danken allen Bildgebern für ihre freundliche Unterstützung: Die Bildnachweise werden jeweils am Bild selbst geführt.

Text: Christian Klein, Dr. Jennifer Verhoeven, Wiesbaden (Beitrag online seit 02/2017)

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