Wiesbaden

Heilig-Geist-Kirche

Anschrift Kirche
Drususstraße 26
65187 Wiesbaden
  • Informationen
    Kontakt / Öffnungszeiten Kirche Bitte beim Pfarramt erfragen!
    Anschrift Pfarramt Evangelische Martin-Luther-Gemeinde Wiesbaden
    Sartoriusstraße 16
    65187 Wiesbaden
    0611/ 8906730
    E-Mail
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    Di bis Do: 10.00 - 12.00 Uhr
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    Kirchen in Deutschlands Mitte

„Kühnste Kirche Hessens“

Als „kühnste Kirche Hessens“ betitelte der Wiesbadener Kurier die Heilig-Geist-Kirche in Wiesbaden-Biebrich. Kirchenpräsident Martin Niemöller sprach von einem „Markstein in der Kirchenbaugeschichte“. Und tatsächlich setzte der Architekt Herbert Rimpl 1961 Maßstäbe: 4.000 Kubikmeter Holz für die Verschalungen, 50 Tonnen Stahl und Eisen für die Bewehrung, um den Bau direkt vor Ort in Beton zu gießen. Gestalterische Grundform ist eine weich fließende Parabel, die in Kirche, Glockenturm und Ausstattung mehrfach variiert wird. Der hochaufstrebende, in Hellblau und Weiß gehaltene Innenraum soll an das Himmelsgewölbe erinnern. Doch es sind vor allem die Rot- und Blautöne der großen Fensterflächen, in denen der Heilige Geist versinnbildlicht wird, die dem Raum seine feierlich-kraftvolle Atmosphäre verleihen.

  • Überblick
    Ort
    Wiesbaden

    Landeskirche
    Evangelische Kirche in Hessen und Nassau


    Name der Kirche
    Heilig-Geist-Kirche

    Einweihung
    1961 (17. Dezember)

    Architekt
    Herbert Rimpl

    Künstler
    lnga von Sternburg
    Besonderheit
    Bei der Heilig-Geist-Kirche – einer seiner insgesamt nur zwei verwirklichten Kirchen – scheint Herbert Rimpl beeinflusst durch die paraboloiden Gottesdiensträume von Dominikus Böhm.

    Nutzung
    Gemeindekirche der Evangelischen Martin-Luther-Gemeinde Wiesbaden

    Standort / Städtebau
    Kennzeichnend für das Umfeld der Heilig-Geist-Kirche auf der Wiesbadener Adolphshöhe sind neben dem 1897 errichteten Biebricher Wasserturm das Landesdenkmal für den nassauischen Herzog Adolph (1817-1905), das in unmittelbarer Nähe platziert wurde.

  • Beschreibung

    Grundriss

    Wiesbaden | Heilig-Geist-Kirche | Grundriss

    Wiesbaden | Heilig-Geist-Kirche | Grundriss

    Der Grundriss erreicht annähernd die Form einer liegenden Parabel, wobei die Südfassade in der Mittelachse nach außen leicht angewinkelt ist. Im Süden führt (von einer Grünanlage ausgehend) eine 8 Meter lange Freitreppe zum Gottesdienstraum im Obergeschoss. Das ca. 20 Meter lange Kirchenschiff bietet hier Platz für ca. 280 Personen. Im Erdgeschoss befinden sich Gemeinderäume und Sakristei. Im Osten neben der Freitreppe erhebt sich der freistehende Glockenturm.

     

    Außenbau

    Wiesbaden | Heilig-Geist-Kirche | Foto: S. Angerhausen

    Wiesbaden | Heilig-Geist-Kirche | Foto: S. Angerhausen

    Nach Süden präsentiert sich der Kirchenbau als eine parabelförmige, aus Betonwaben bestehende Fensterfront. Im Osten erhebt sich der 25 Meter hohe Glockenturm ebenfalls in Gestalt einer Parabel. Das mit patiniertem Kupferblech gedeckte Kirchendach ist bis zum Erdboden gezogen. Zwischen der Apsis im Norden und dem Mittelschiff findet sich eine Lichtfuge. Die Langseiten werden von vier parabelförmigen, fünf Meter hohen Fensternischen unterbrochen, die beide Geschossebenen miteinander verbinden und deren Betonwaben-Fenster mit fischschuppenartigem Ornament ausgestaltet sind.

     

    Innenraum

    Wiesbaden | Heilig Geist | Foto: Werner Richner

    Das tonnengewölbte Kirchenschiff, dessen Betonwände in einem hellen Blauton gehalten sind, wird durch hell gestrichene, sich kreuzende Betonrippen gegliedert. Zwischen zwei großen Bankblöcken führt ein Mittelgang nach Norden zum Chorraum. Dieser ist um insgesamt vier Stufen erhöht und durch Tageslicht erhellt, während das Schiff in ein warmes Halbdunkel getaucht wird. Die Chorwand ist breiter ausladend und weiter hochgezogen vom Geschossboden und ragt hinter dem Chorbogen schalenförmig freitagend ca. 14 Meter in die Höhe. Schiff und Chor werden durch ein ca. 1 Meter breites, im Mittelrahmen gefasstes Fensterband gegliedert, das Tageslicht in den Raum fließen lässt. Das südliche Viertel des Raums wird in seiner gesamten Breite von einer Empore mit dem zweigeteilten Orgelprospekt überspannt.

  • Liturgie und Raum
    Wiesbaden | Heilig-Geist-Kirche | Freitreppe | Foto: S. Angerhausen

    Wiesbaden | Heilig-Geist-Kirche | Freitreppe | Foto: S. Angerhausen

    Der Chorraum der Heilig-Geist-KIrche wird durch eine bewusste Lichtgestaltung als Zentrum der gottesdienstlichen Feier hervorgehoben. Im Gegensatz dazu ist das Schiff in ein eher diffuses Licht getaucht. Interessanterweise ist die Kanzel derart aufgestellt, dass der Prediger vor einem hellen Hintergrund erscheint, sein Gesicht aber im Schatten liegt. Möglicherweise soll die Person des Predigers so in den Hintergrund gerückt und das Wort stärker betont werden als derjenige, der das Wort verkündet. Der parabelförmige, hochaufstrebende Innenraum soll nach Rimpl ausdrücklich an das Himmelsgewölbe erinnern. Schon bei Kirchenbaumeister Dominikus Böhm – mit dem Rimpl eine Zeit lang eng zusammengearbeitet hatte – stand die Parabel für „die Überwindung der Schwere“ und das „Loslösen von der Erde“. Ebenso kann die vorgelagerte Freitreppe als Hinweis gelesen werden, dass die Zuwendung und Erhebung des Menschen zu Gott mit einer aufstrebenden Bewegung verbunden ist.

  • Ausstattung
    Wiesbaden | Heilig-Geist-Kirche | Orgelempore | Foto: Hubert Kahabka

    Wiesbaden | Heilig-Geist-Kirche | Orgelempore | Foto: Hubert Kahabka

    Die Entwürfe zur Ausstattung stammen von der Künstlerin Inga von Sternburg, der Tochter des Architekten Herbert Rimpl. An der Chorwand ist ein großes, schlichtes Kreuz angebracht, das fast zu schweben scheint. Es ist – wie die meisten Ausstattungstücke – aus weißem Beton gefertigt. Auf dem als einfacher Betonquader gestalteten Altar befinden sich sechs Messing-Leuchter, in deren Fuß zwölf Torbögen als Hinweis auf das himmlische Jerusalem eingraviert sind. Dahinter befindet sich ein hölzernes Kruzifix. Der Osterleuchter und der Taufstein links neben dem Altar spiegeln die von Parabeln geprägte Formensprache der Architektur wider. Die Taufschale und der konisch zulaufende Deckel sind aus Messing gefertigt, der Deckelgriff zeigt eine stilisierte Weltkugel mit Taube als Symbol des Heiligen Geistes. An der Chorwand befinden sich die Symbole der vier Evangelisten: Matthäus (menschliches Antlitz), Markus (Löwe), Lukas (Stier) und Johannes (Adler). Die Kanzel auf der rechten Seite des Chorraums erinnert in ihrer Form an einen sich aus dem Wasser erhebenden Schiffsbug. Auf seiner Front befindet sich das Relief eines brennenden Dornbuschs. Dahinter führt eine Wendeltreppe in die im Untergeschoss liegende Sakristei. Nicht zuletzt zeigen die Fenster von blauer Fläche umgebene rote Flammenzungen, die als Symbol des Heiligen Geistes verstanden werden.

  • Von der Idee zum Bau

    Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden durch das starke Bevölkerungswachstum in Wiesbaden neue evangelische Gemeinden gegründet, unter anderem 1958 auf der Adolphshöhe in Wiesbaden-Biebrich. Der erste Pfarrer der neuen Heilig-Geist-Gemeinde Hans Hermenau (1894-1981) wählte den Namen in Gedenken an die im Krieg zerstörte Potsdamer Heiligengeist-Kirche. Für das geplante neue Gemeindezentrum (Kirche, Gemeinderäumen, Kindergarten und Pfarrhaus) wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben, aus dem der Architekt Wilhelm Neuser als Sieger hervorging. Dennoch wurde am Ende der Entwurf des zweitplatzierten Regierungsbaudirektors Prof. Herbert Rimpl (mit Heinz Krochmeyer) ausgeführt, während Neuser die Gesamtleitung übertragen wurde. Nach 22 Monaten Bauzeit konnte die Heilig-Geist-Kirche am 17. Dezember 1961 (3. Advent) eingeweiht werden. Die übrigen Bauten des Gemeindezentrums wurden bis 1965 fertiggestellt. Bereits 1979 musste der Turm saniert werden, auch bei anderen Teilen der Kirche sind Renovierungen mittlerweile notwendig geworden. Seit 2007 führt auch ein Fahrstuhl zum Gottesdienstraum im Obergeschoss.

  • Der Architekt Herbert Rimpl
    Fulda | St. Paulus | Bau um 1967 | Bildquelle: Einweihungsschrift 1967

    Fulda | St. Paulus | Bau um 1967 | Bildquelle: Einweihungsschrift 1967

    Geboren wurde Herbert Rimpl am 25. Januar 1902 in Malmitz (Schlesien). Zu seinen Professoren an der TH München, an der er von 1922 bis 1926 studierte, zählte Theodor Fischer, in dessen Büro er für kurze Zeit arbeitete. Nach zwei Jahren als Hochbauarchitekt an der bayerischen Postbauverwaltung wechselte er 1929 in das Büro des Kölner Kirchenbaumeisters Dominikus Böhm. Rimpl gründete 1932 sein erstes Büro und avancierte zu einem der wichtigsten Industriearchitekten des Dritten Reichs. Mit seinem Büro, das zeitweise rund 700 Mitarbeiter umfasste, verwirklichte er Projekte wie das neue Heinkel-Flugzeugwerk in Rostock-Marienehe und dessen Zweigwerk in Oranienburg. 1942 wurde er schließlich von Berlins Generalbauinspektor Albert Speer zum Leiter der Prüfstelle für Großbauvorhaben ernannt, 1943 verlieh ihm Adolf Hitler den Professorentitel. Trotz seiner herausgehobenen Stellung bei Rüstungsbauvorhaben wurde Rimpl im März 1948 von der Hauptspruchkammer Regensburg als „Nichtbetroffener“ entnazifiziert. Ab 1950 leitete er ein neues Büro in Wiesbaden, das er bis in die 1970er Jahre hinein erfolgreich betreibt und das nach seinem Tod am 2. Juni 1978 von seinem Sohn Wolfgang weitergeführt wird.

    Herbert Rimpl gestaltete vorwiegend Werks-, Industrie- und Verwaltungsbauten, sowie Wohnungs- und Siedlungsbauten. Wiederkehrende Kennzeichen in seinem Werk sind zum einen die Gliederung durch Raster, zum anderen die rhythmische Reihung von Parabelbögen, bzw. Wellen. Beides findet sich beispielsweise in seinem Entwurf für das Bundeskriminalamt in Wiesbaden von 1953. Erst in seinem Spätwerk widmete sich Rimpl auch dem Kirchenbau, wobei nur zwei seiner Entwürfe ausgeführt wurden: die Heilig-Geist-Kirche in Wiesbaden-Biebrich und St. Paulus in Fulda. Für seinen Entwurf der Heilig-Geist-Kirche griff er zahlreiche Ideen seines (nicht verwirklichten) Wettbewerbsbeitrags zum Bau der Wallfahrtskirche „Madonna delle Lacrime“ in Syrakus wieder auf. Darüber hinaus scheint er durch Dominikus Böhm beeinflusst, in dessen Kirchenbauten wie St. Engelbert in Köln-Riehl sich paraboloide Formen in Schalen oder Bögen finden.

  • Literatur (Auswahl)
    • Manfred Becker-Huberti/Günter Menne: Kölner Kirchen, Die Kirchen der katholischen und evangelischen Gemeinden in Köln, Köln 2004, 57.
    • Georg Dehio: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler, Hessen II. Regierungsbezirk Darmstadt, München/Berlin 2008, 80 f.
    • Werner Durth: Deutsche Architekten. Biographische Verflechtungen 1900-1970, Braunschweig 1986.
    • Gottfried Kiesow: Machtarchitektur und neue Bescheidenheit, in: Monumente 21.2011, 4, 50f.
    • Jan Lubitz: Herbert Rimpl. 1902-1978, auf: architekten-portrait.de, 2006 (Abrufdatum: 22. Februar 2018, www.architekten-portrait.de/herbert_rimpl/index.html)
    • Martin Sauer: Wiesbaden-Biebrich. Ev. Heilig-Geist-Kirche (PEDA-Kunstführer 848/2011), Passau 2011.
    • Jo Sollich: Herbert Rimpl (1902-1978). Architekturkonzern unter Hermann Göring und Albert Speer. Architekt des Deutschen Wiederaufbaus, Berlin 2013.
    • Michael Wiederspahn: Herbert Rimpl, in: Baukultur 6, 1992, 20 ff.
    • Stefan G. Wolf: Kirchen in Wiesbaden. Gotteshäuser und religiöses Leben in Geschichte und Gegenwart, Wiesbaden 1997, 70 f.

     

    Wir danken allen Bildgebern für ihre freundliche Unterstützung: Die Bildnachweise werden jeweils am Bild selbst geführt.

Text: Anke Solveig Hermann, Wiesbaden (Beitrag online seit 03/2018)

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