Bremerhaven

St. Ansgar

Anschrift Kirche
Mecklenburger Weg 34
27578 Bremerhaven
  • Informationen
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    Bitte beim Pfarramt erfragen!
    Anschrift Pfarramt Kath. Pfarramt Hl. Herz Jesu Bremerhaven-Lehe
    Geibelstr. 9
    27576 Bremerhaven
    0471 3085990
    E-Mail
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    Öffnungszeiten Pfarramt Derzeit nur telefonisch erreichbar zu folgenden Zeiten: MO, Do: 9.00 -12.00 Uhr
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    Kirchen im Norden

Jurtenzelt in der Hochhaussiedlung

Gleich einem überdimensionalen Jurtenzelt oder einer alpinen Sprungschanze zieht die St. Ansgar-Kirche alle Blicke auf sich. Mit ihrem 22 Meter hohen Turm bildet sie das hervorstechende geistliche Zentrum eines Ensembles aus Grundschule (jetzt in städtischer Trägerschaft), Pfarrhaus (jetzt Kinderkrippe) und Kindertagesstätte. Der großzügige Vorplatz entschleunigt vor dem Betreten der Kirche unmerklich. Am Portal, eingefügt zwischen wandhohen Klarglasscheiben in der sonst fensterlosen geschwungenen Wand, grüßt der Hl. Ansgar. Dieser erhebt sich schützend vor einem skizzenhaft in die Türflügel eingravierten Bild der Seestadt.

  • Überblick
    Ort
    Bremerhaven

    Bistum
    Bistum Hildesheim

    Name der Kirche
    St. Ansgar

    Weihe
    1974 (14. Dezember)

    Architekt
    Jo Filke

    Künstler
    Michael Amberg, Heinrich-Gerhard Bücker, Wilhelm Keudel, Benedict Schmitz
    Besonderheit
    Die von einem dynamisch zum Altar hin ansteigenden Zeltdach überspannte, auf dem Grundriss eines Viertelkreises sich entwickelnde Kirche konzentriert die Feiergemeinde auf den Altarraum und die angegliederte Taufstelle.

    Nutzung
    Filialkirche der Katholischen Pfarrei Hl. Herz Jesu, Bremerhaven-Lehe

    Standort / Städtebau
    Das Kirchengrundstück liegt am vielbefahrenen Mecklenburger Weg, der noch einfache Siedlungsarchitektur aus der frühen Moderne zeigt. In Sichtweite grenzt das Wohngebiet mit sechs- bis achtstöckigen Wohnbauten zwischen Hochhäusern.

  • Beschreibung

    Grundriss

    Bremerhaven | St. Ansgar | Grundriss

    Bremerhaven | St. Ansgar | Grundriss

    Der Kirchengrundriss hat die Form eines Viertelkreises, dessen Randzone ca. vier Meter hoch ist und in gerundeten Ausbuchtungen Beichträume und eine Meditationsnische für eine Muttergottesstatue enthält. Zum Radiusmittelpunkt steigt der Raum auf 17,5 Meter Höhe zum gerundeten Glockenturm hin an. Seitlich an die Altarinsel sind linkerhand eine Nische für den Orgelspieltisch und die Chorsänger, rechterhand die Taufstelle angegliedert.

     

     

    Außenbau

    Bremerhaven | St. Ansgar | Außenbau | Foto: Ulrich Schmalstieg

    Bremerhaven | St. Ansgar | Foto: Ulrich Schmalstieg

    Der Bau steht frei auf einem von vier Seiten zugänglichen Kirchplatz. Von der Straße führt ein Stichweg zum dahintergelegenen Pfarrheim sowie zur Grundschule, der andere Weg zu Pkw-Stellplätzen und der dahinterliegenden Kindertagesstätte. Auf den sich kreuzenden Wegstrecken der Passanten ergeben sich abwechslungsreiche Perspektiven: Einmal stehen die bugförmig geschwungenen, steil aufragenden und in Weißbetonfertigteilen verkleideten Außenwände im Mittelpunkt, überragt von der 4,5 Meter hohen Glockenstube des Kirchturms. Dann wieder lädt der Bau in ruhiger geschlossener Rundung wie eine Jurte still zum Betreten ein. Aus der Ferne weckt die schräg angeschnittene Turmspitze alle Aufmerksamkeit.

     

     

    Innenraum

    Bremerhaven | St. Ansgar | Innenraum | Foto: Ulrich Schmalstieg

    Bremerhaven | St. Ansgar | Foto: Ulrich Schmalstieg

    „Der gesamte Innenraum ist in Abstimmung mit dem Künstler Wilhelm Keudel in weiß-grauen Farben gehalten, im starken Kontrast zu der roten Turmstele und den rot gefassten Bänken.“ (Jo Filke) Zwischen die grauen gliedernden Holzleimträger der Decke wurden Aluminiumlamellen eingefügt. Während die Wände mit weißen Kalksandsteinen verkleidet sind, zeigt der vom Eingang zum Altar hin leicht abfallende Fußboden einen Belag aus grauem portugiesischen Marmor.

  • Liturgie und Raum
    Bremerhaven | St. Ansgar | Altarraum | Foto: Ulrich Schmalstieg

    Bremerhaven | St. Ansgar | Altarraum | Foto: Ulrich Schmalstieg

    Durch das unmerkliche Bodengefälle haben Gottesdienstbesucher einen guten Blick auf das liturgische Geschehen der Wortverkündigung am Ambo, der Feier der Eucharistie am Altar, der Aufnahme neuer Gemeindemitglieder im Sakrament der Taufe oder auch im Wechselgesang mit einer Schola. Der Altarraum ist durch seitliche Anbauten einer Chor- und Taufnische zur Querachse erweitert. Auch durch die Orgel an der linken Seitenwand vermeidet der Architekt eine starre Symmetrie. Das zum Altar hin aufstrebende Dach zieht den Blick vom Diesseitigen in die Vertikale, von wo her der Raum mit Licht geflutet wird.

    In Abstimmung mit dem Architekten bereicherten die beteiligten bildenden Künstler den Raum durch Impulse aus Bibel und kirchlicher Frömmigkeit. In zwei den Eingang flankierenden Nischen werden geistliche Akzente gesetzt: Eine zeitgenössisch empfundene Skulptur der jungen Frau Maria mit dem Kind (Heinrich-Gerhard Bücker) lädt zur Betrachtung und Verehrung des Geheimnisses der Menschwerdung Christi ein; ein Beichtraum ermöglicht den Empfang des Bußsakraments. Über den Kirchenraum verteilt, lässt die kelchartige Form der marmornen Ausstattungsstücke (Wilhelm Keudel) an eine dreifingerige Schwurhand denken und will die Trinität Gottes symbolisieren. Und nicht zuletzt endet der Mosaikkreuzweg (Benedict Schmitz), der inhaltlich in Ostern mündet, beim Taufbecken – weil in der Taufe Ostern erfahrbar wird und weiterwirkt.

  • Ausstattung

    Schon in früher Bauphase planten der Architekt Jo Filke und der Künstler Wilhelm Keudel (1913-73) aus Salzgitter-Schäferstul in enger Kooperation. „Nach Keudels Intention sollte“, so Filke, „das Farberlebnis ‘Rot’ das korrespondierende Element zwischen den Gläubigen (rotes Gestühl in der horizontalen Ebene) und Gott (rote, in der Vertikalen aufstrebende Turmstele) werden und zugleich als Sinnbild für die Kommunikation der Gläubigen mit einstimmen auf Gebet und Andacht“. Für Altar, Ambo, Tauf- und Weihwasserstein in „dreiteiliger Kelchform mit variierender Abwandlung“ wählte Keudel Travertin, das Portal fertigte er in Aluminium.

    Bremerhaven | St. Ansgar | Marienfigur | Foto: Ulrich Schmalstieg

    Nach dem vorzeitigen Tod Keudels (1973) führte Heinrich-Gerhard Bücker aus Vellern die Erstausstattung mit dem sieben Meter hohen Lebensbaumkruzifix aus geätztem und patiniertem Tombak und feuervergoldetem Korpus zu Ende. Dazu gehören auch die bronzene Muttergottes mit Kind auf einer runden Travertinstele sowie die verzinnten Bronzeguss- und Apostelleuchter. 1997 fügte die Kirchengemeinde dem Raum einen Kreuzweg in farbigem Natursteinmosaik hinzu, der sich über 11 Bilder auf zwei längsrechteckigen Friesen entwickelt. Sie stammen vom Ingolstädter Künstler Benedict Schmitz (1935-2015). Bemerkenswert ist auch ein vom Würzburger Goldschmied Michael Amberg geschaffenes Schaugefäß für Reliquien des Kirchenpatrons.

  • Von der Idee zum Bau
    Bremerhaven | St. Ansgar | Modell

    Bremerhaven | St. Ansgar | Modell

    Durch den Neubau von St. Ansgar wurde das Nachkriegsprovisorium einer Notkirche beendet. Das schnell wachsende Baugebiet Leherheide-West hatte den Raumbedarf deutlich ansteigen lassen. Zunächst reagierte die katholische Kirche mit der Neuerrichtung einer eigenen Grundschule im Jahr 1967 und eines Kindergartens im Jahr 1973. Der Auftrag, ein zusammenhängendes Ensemble von Kirche, Pfarrhaus und Pfarrheim zu entwerfen, erging seitens der Diözese an den Architekten Jo Filke. Seine Planungsphase reicht bis zum Mai 1972 zurück.

    Am 1. September 1973 legte Domkapitular Heinrich Schenk den Grundstein zeichenhaft in das kelchförmige Weihwasserbecken, wo er Kirchenbesucher an ihre eigene christliche „Grundsteinlegung“ durch die Taufe erinnert. Nach dem Richtfest am 19. April 1974 konsekrierte Bischof Heinrich Maria Janssen am 14. Dezember 1974 Altar und Kirche. Im Zug der anfallenden Reparaturen wurde das mit schwarzem Asbestzementschiefer belegte Dach durch eine Kupferdeckung ersetzt. Die Metallbahnen folgen der Richtung der Dachträger und verstärken so deren Höhenzug. Laut Mitteilung (15. Dezember 2009) des Bauordnungsamtes der Seestadt Bremerhaven wird St. Ansgar nach Beurteilung des Landesamts für Denkmalpflege Bremen im Liegenschaftskataster als erhaltenswert geführt.

  • Der Architekt Jo Filke
    Jo Filke | Foto: privat

    Jo Filke | Foto: privat

    Josef (kurz Jo) Filke (* 1921 in Langendorf, Kreis Neiße/ Oberschlesien) studierte nach Abitur (1939) und Kriegszeit von 1946 bis 1949 Architektur am Technikum Bremen. Ab 1949 begann er seine berufliche Tätigkeit als Mitarbeiter im Architekturbüro Geermann in Bremerhaven. Nach sechs Jahren machte er sich selbständig und führte das Büro bis 1994. Von den fünf Kirchbauten, die Filke gestaltete, zeigt St. Ansgar (1974) in Bremerhaven am konsequentesten eine vom liturgischen Geschehen durchdrungene Raumgestalt, die von innen nach außen durchscheint. Doch schon mit dem ersten Kirchenentwurf (Wulsdorf, St. Nikolaus, 1958/59, inzwischen abgerissen) offenbart sich eine klare Abkehr von kubischen Raummodellen, wie sie im Bistum Hildesheim in den Saalkirchen der Nachkriegszeit noch vom Bauhaus nachklingen. Stattdessen bevorzugte Filke dynamische Raumlösungen mit starken Kontrasten der Form und der Lichtführung. Für die Außenwirkung legte er Wert auf einen Glockenturm. Jo Filke verstarb 2001 in Schiffdorf bei Bremerhaven.

  • Literatur (Auswahl)
    • Chronik der Kirchengemeinde St. Ansgar in Bremerhaven-Leherheide 1915-1985, hg. vom Katholischen Pfarramt St. Ansgar, Bremerhaven 1985.
    • Ulrich Knapp: Das Bistum Hildesheim und seine Kirchen, Straßburg 2002, 50-51.
    • Josef Knupp (Hg.): Der Weg des Lammes. Ein Kreuzweg von Benedict Schmitz, München 1998.
    • Ulrich Schmalstieg: Die Sakralbauten von Jo Filke im Bistum Hildesheim, in: Jahrbuch für Geschichte und Kunst im Bistum Hildesheim 81, 2013, 283-315.
    • Ulrich Schmalstieg: Passion in farbigem Naturstein. Zum Mosaikkreuzweg von Benedict Schmitz in der Bremerhavener St. Ansgar-Kirche, in: Das Münster 52, 1999, 77 f.

     

    Wir danken allen Bildgebern für ihre freundliche Unterstützung: Die Bildnachweise werden jeweils am Bild selbst geführt.

Text: Pastor Ulrich Schmalstieg, Goslar (Beitrag online seit 08/2016)