Dortmund

Nicolaikirche

Anschrift Kirche
Lindemannstraße 70
44139 Dortmund
  • Informationen
    Kontakt / Öffnungszeiten Kirche Bitte beim Pfarramt erfragen!
    Anschrift Pfarramt Gemeindebüro St. Petri-Nicolai-Kirchengemeinde
    Kreuzstr. 66a
    44137 Dortmund
    0231 102640
    E-Mail
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    Öffnungszeiten Pfarramt DI, MI, FR: 9.00 - 12.00 Uhr
    DO: 14.00 - 16.00 Uhr

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    Kirchen im Westen

„Kreuz des Südens“

Als eine der frühen Stahlbetonkirchen Deutschlands, die den grauen Kunststein sogar schon nach außen sichtbar beließ, sorgte der elegante Sakralbau in den 1930er Jahren für Irritationen. Die mächtigen unverputzten Betonbinder und die gänzlich in Fenster aufgelösten Wände erinnerten manchen Zeitgenossen an die Gestaltung moderner Industriearchitektur. Auch das in der Nacht blau leuchtende Kreuz auf der Spitze des Kirchturms wirkte unverschämt profan. Heute hat es sich wie die Nicolaikirche selbst zum lokalen Markenzeichen entwickelt und wird von den Dortmundern liebevoll „Kreuz der Südens“ genannt. Vielleicht hat auch die günstige Lage auf dem Weg zum Stadion der Borussia ihren Teil dazu beigetragen.

  • Überblick
    Ort
    Dortmund

    Landeskirche
    Evangelische Kirche von Westfalen


    Name der Kirche
    Nicolaikirche

    Einweihung
    1930 (12. Oktober)

    Architekten
    Peter Grund, Karl Pinno

    Künstler
    Elisabeth Coester, Gottfried von Stockhausen
    Besonderheit
    Als eine der frühen Stahlbetonkirchen Deutschlands trug die Nicolaikirche dazu bei, Glas und Sichtbeton als "sakrale" Gestaltungselemente zu etablieren.

    Nutzung
    Predigtstätte der St. Petri-Nicolai Kirchengemeinde Dortmund

    Standort / Städtebau
    Die Kirche liegt an der spitzwinkligen Kreuzung von Wittekindstraße und Lindemannstraße. Letztere führt als bedeutende Magistrale zu den Westfalenhallen und dem Stadion von Borussia Dortmund. Die Nicolaikirche übernimmt die Funktion einer städtebaulichen Dominante und Wegmarke zum Messegelände.

  • Beschreibung

    Grundriss

    Dortmund | Nicoliakirche | Grundriss

    Dortmund | Nicoliakirche | Grundriss

    Das Schiff der Nicolaikirche erhebt sich auf einem trapezförmigen Grundriss, der sich zum Altarbereich hin zuspitzt. Im Westen ist der Halle ein rechteckiger Baukörper mit dem Eingangsbereich vorgesetzt. Im Süden läuft er in einem zylindrischen Baukörper aus, der eine Kapelle birgt. Im Norden schließt auf einem quadratischen Grundriss der Turm an. Er ist im Stil eines Campanile in westlicher Richtung versetzt und ragt somit einige Meter über den Anbau hinaus. Im Westen ist der Kirche ein rechteckiger Hof vorgelagert, der zur Straße hin von einer Pergola begrenzt wird.

     

    Außenbau

    Dortmund | Nicoliakirche | Außenbau | Foto: F. Baumgarten, CC BY 4.0

    Dortmund | Nicoliakirche | Außenbau | Foto: F. Baumgarten, CC BY 4.0

    Die Architekten bedienten sich für die Nicolaikirche der Formen des Neuen Bauens. Wichtig sind dabei farbige Glas- und Fensterflächen: Die Langseiten des Schiffs sind fast durchgehend verglast und durch ein Raster aus schlanken Betongittern gegliedert. Ihren Kontrapunkt bilden die massiven Stahlbetonrahmenbinder, welche die Senkrechte betonen und die Fassade gliedern. Die Außenwände des Altarbereichs wurden gänzlich in Fensterflächen aufgelöst, deren Betongitter engmaschiger ausfallen als das der Langseiten. Der an das Schiff anschließende Eingangsbereich zeichnet sich dagegen durch eine flächige, heute hell gefasste Fassade aus, die durch ein umlaufendes horizontales Fensterband unter dem flachen Dach belebt wird. Der heute hell gefasste Turm erscheint verglichen mit dem transparenten Saal und der verspielten Kapelle streng, denn er weist nur wenige schießschartenartige Fenster und Schallöffnungen auf. Auf seinem flachen Dach ist mit dem acht Meter hohen Kreuz das Wahrzeichen der Kirche aufgepflanzt. Es wird nachts durch blaue Leuchtröhren weithin sichtbar.

     

    Innenraum

    Dortmund | Nicoliakirche | Innenraum | Foto: Rainer Halama, CC BY SA 3.0

    Dortmund | Nicoliakirche | Foto: Rainer Halama, CC BY SA 3.0

    Im Kirchenraum wird die Konstruktion zum zentralen Gestaltungsmittel. Die mächtigen Rahmenbinder aus Stahlbeton, welche die Fassade nach außen hin rhythmisieren, ragen weit in den Innenraum hinein und verdeutlichen die Statik. Sie sind unverputzt und schalungsrau, verbreitern sich zur Decke hin und verweisen somit einerseits auf die wirkenden Kräfte und deuten anderseits himmelwärts. Die schlank profilierten Fensterflächen bilden ein filigranes Gegenstück zu den massiven Betonstützen. Der Altarbereich ist um einige Stufen erhöht und durch das besondere Betonraster seiner Fensterflächen vom Saal abgehoben.

  • Liturgie und Raum
    Dortmund | Nicoliakirche | Altarraum | Foto: Rainer Halama, CC BY 3.0

    Dortmund | Nicoliakirche | Altarraum | Foto: Rainer Halama, CC BY 3.0

    Zentraler Blickpunkt der Gemeinde ist der Altarraum. Die zum Altar führende Treppe ist zweigeteilt: Nach vier Stufen bildet sie einen ersten Absatz, auf dem die Kanzel platziert ist. In ihrem Rücken führen fünf weitere Stufen zu Taufbecken und Altar. Die Rauminszenierung rückt aber nicht diesen, sondern das über dem Altar befindliche Kreuz in den Mittelpunkt: durch die Verengung des Grundrisses, die scheinbar immer weiter in den Raum hineintretenden Stahlbetonbinder und die Erhöhung des Altars. Ursprünglich wurde dieser Effekt noch durch die Beleuchtung verstärkt. Wie das Turmkreuz leuchtete auch das über dem Altar angebrachte Kreuz und war auch nach außen hin sichtbar. Die Stahlbetonbinder waren mit umlaufenden Lichtbändern versehen, die ihre Form nachzeichneten. Diese innere Illumination hat den Zweiten Weltkrieg nicht überdauert und wurde durch einfache Hängeleuchten ersetzt. Von liturgischer Bedeutung sind außerdem die Fensterflächen. Die einfallende Sonne macht das Kirchenschiff zu einem lichtdurchfluteten Raum, der auf höhere Sphären verweist und im Altarbereich, dessen Wände zu einem einzigen Fenster aufgelöst sind, seinen Höhepunkt findet.

  • Ausstattung
    Dortmund | Nicoliakirche | Glasgestaltung | Foto: Rainer Halama, CC BY 3.0

    Dortmund | Nicoliakirche | Detail Glasgestaltung | Foto: Rainer Halama, CC BY 3.0

    Die Kirche wurde im Zweiten Weltkrieg so schwer zerstört, dass sich die ursprüngliche Ausstattung nicht erhalten hat. Dies gilt auch für die Fenster, die von zentraler Bedeutung für die äußere Erscheinung sowie die Rauminszenierung innerhalb des Gemeinderaums waren. Sie wurden ursprünglich von Elisabeth Coester gestaltet. Die Glaskünstlerin griff die himmelwärts weisende Bewegung der Architektur auf: Die Sockelzonen der Glasflächen waren in dunklen Farben gehalten, je mehr sie sich der Decke näherten, desto heller wurde die Farbgebung. Nach dem Krieg wurde zunächst eine Notverglasung eingesetzt, 1963 erhielt die Kirche eine aufwendige Neuverglasung nach dem Entwurf Gottfried von Stockhausens. Sie greift die aufsteigende Bewegung ebenfalls auf, ist aber insgesamt dunkler gehalten und weicht somit von der ursprünglichen Rauminszenierung ab. Für die Altarwand umgab Stockhausen Jesus als Guten Hirten mit zwölf Engeln. Das Gestühl der Kirche besteht aus zwei gleich großen Bankblöcken, die durch den Mittelgang gespiegelt werden. Kanzel und Taufbecken korrespondieren in der Formgebung. Die Taufschale wird von einer filigranen Konstruktion aus kreisförmigen Streben getragen und ist mit einem goldenen Kreuz gekrönt. Ursprünglich war der Taufort in der Kapelle im Süden der Kirche zu finden, bis er 1986 in den Altarraum versetzt wurde. Die Kanzel besteht aus einem blockartigen, mit Christogramm versehenen Pult und einem U-förmigen Gitter aus schlanken Metallstreben, die an den Träger der Taufschale erinnern.

  • Von der Idee zum Bau

    Die Nicolaikirche hatte einen im Mittelalter errichteten Vorgängerbau. Er wurde 1810 während der französischen Besatzung der Stadt abgerissen. Heute erinnert ein Gedenkstein in der Hansastraße an dieses Bauwerk. Die neue Nicolaikirche entstand an anderer Stelle, im Dortmunder Südbezirk. Das schnelle Wachstum der Bevölkerung machte hier Anfang des 20. Jahrhunderts eine neue Kirche notwendig, 1908 wurde ein Kirchenbauverein gegründet. 1913 begann die Gemeinde mit der Planung, der Erste Weltkrieg und die Inflation der Zwischenkriegszeit zerschlugen die Baupläne jedoch vorerst. 1925 begann der Kirchenbauverein erneut, Geld zu sammeln, 1927 wurde schließlich ein Wettbewerb ausgelobt. Das Architektenduo Pinno und Grund konnte ihn mit seinem hochmodernen Entwurf für sich entscheiden. Dieser gefiel dem Pfarrer und der Gemeinde so gut, dass sie ihn auch gegen den Widerstand der konservativen Kirchenleitung durchsetzten. 1929 begannen die Bauarbeiten, am 12. Oktober 1930 wurde die Kirche eingeweiht.

  • Die Architekten Peter Grund und Karl Pinno

    Die Nicolaikirche war eine der frühen Stahlbetonkirchen Deutschlands und damit ein Pionierbau, der dem Büro Pinno und Grund überregionale Bekanntheit einbrachte. Besonders die schalungsrauen Betonflächen im Innenraum der Kirche polarisierten. Während sie vielen als zu enge Anlehnung an die Funktionsbauten der Industrie erschienen, lobten Fachmagazine den Mut der Architekten: „Das Eisenbetongerüst der Nicolaikirche ist ein gebautes Bekenntnis zu der sakralen Berufung moderner Werkmittel. Der Beton ist weder ummantelt noch verputzt […]. Das Primitive, […] das Arme und Dürftige dieses gänzlich undekorativen und unrepräsentativen Materials ist hier zu einem prinzipiellen Zeugnis von der Seligpreisung geistiger Armut geworden, zu einer asketisch-radikalen Absage an alle äußere Zutat, an Schmuck und Beiwerk, an Repräsentation und Fassade.“ (Paul Girkon, 1930).

    Die Architekten Karl Pinno (* 1875, + im 20. Jahrhundert, genaues Sterbedatum unbekannt) und Peter Grund (1892-1966) gründeten1923 ihre Dortmunder Bürogemeinschaft. Pinno hatte zuvor ein Berliner Architektenbüro in der Stadt vertreten, Grund in Darmstadt für den Architekten Friedrich Pützer gearbeitet. Gemeinsam beteiligten sich Pinno und Grund mit Entwürfen an diversen Wettbewerben in Stadt und Umland. Der Kirchenbau war dabei nur ein Arbeitsgebiet, das Büro zeichnete auch für bedeutende Profanbauten wie das Dortmunder Haus der Jugend oder die Verwaltung der städtischen Straßenbahn verantwortlich. 1933 löste sich die Bürogemeinschaft auf, Grund ging nach Düsseldorf, wo er Direktor der Kunstakademie wurde. Pinnos Spur verliert sich nach dem Ende der Bürogemeinschaft. Obwohl Grund seit 1933 NSDAP-Mitglied war, geriet er mit der NS-Kulturpolitik in Konflikt, als er sich für den Wiederaufbau des BDA einsetzte. Er wurde 1937 entlassen. Nach dem Krieg zog der Architekt nach Darmstadt zurück, wo er als Oberbaudirektor den Wiederaufbau der Stadt maßgeblich beeinflusste.

  • Literatur (Auswahl)
    • Paul Girkon: Die neue Kirche der Petri-Nikolai-Gemeinde, in: Wasmuths Monatshefte für Baukunst und Städtebau 14, 1930, 11, 489-528.
    • Paul Girkon/Rudolf Pérard: Der Architekt Peter Grund, 2., erweiterte Auflage, Darmstadt 1962.
    • Werner Hegemann: Pinno und Grund, Berlin u. a. 1929.
    • Manuela Klauser: Karl Pinno und Peter Grund. St. Nicolai in Dortmund, in: Hans Körner, Jürgen Wiener (Hrsg.), Frömmigkeit und Moderne. Kirchenbau des 20. Jh. an Rhein und Ruhr, Essen 2008, S.188-193.

     

    Wir danken allen Bildgebern für ihre freundliche Unterstützung: Die Bildnachweise werden jeweils am Bild selbst geführt.

Text: Julius C. Reinsberg M. A., Offenbach am Main (online seit 12/2016)

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