Hamm

Johanneskirche

Anschrift Kirche
An der Johanneskirche 24
59065 Hamm

In schwerer Zeit

Eigentlich sollten für diese Kirche an die 18 Tonnen Eisen verbaut werden. Die Hammer Stahlfabriken hatten ihre Spende schon zugesagt, doch Ende der 1930er Jahre verboten die Nationalsozialisten kurzerhand eine Kirche aus „kriegswichtigen“ Materialien. Errichtet wurde stattdessen eine Predigtstätte aus Holz und Backstein. Da Gottesdienste im Freien untersagt waren, musste sich die Gemeinde 1937 in der überfüllten Nachbarkirche versammeln – nur eine kleine Abordnung legte den Grundstein an Ort und Stelle. 1938 konnten die Protestanten im Hammer Norden, deren Pfarrer Martin Berthold sich zur Bekennenden Kirche zählte, ihren Bau fertigstellen: nach außen eine „Trutzburg“ des Glaubens mit hochaufragendem Turm, nach innen ein bergender Gottesdienstraum mit hölzernem Tonnengewölbe.

  • Überblick
    Ort
    Hamm

    Landeskirche
    Evangelische Kirche von Westfalen


    Name der Kirche
    Johanneskirche

    Einweihung
    1938 (20. März)

    Architekt
    Bernhard Hopp

    Künstler
    Gordon Brown, Elisabeth Coester, Bernhard Hopp, Max Schulze-Sölde, Sebastian Springer, Franz-Xaver Willmann
    Besonderheit
    Der 1938 eingeweihte Bau ist ein lebendiges bauliches Zeugnis einer Gemeinde, deren Pfarrer Martin Berthold sich zur Bekennenden Kirche zählte.

    Nutzung
    Pfarrkirche

    Standort / Städtebau
    An drei Seiten umfasst ein Friedhof die Kirche. Das auch ein Pfarr- und ein Gemeindehaus umfassende Ensemble liegt in einer Wohnsiedlung des Hammer Nordens.

  • Beschreibung

    Grundriss und Außenbau

    Hamm | Johanneskirche | Außenbau | Foto: Florian Monheim, Krefeld

    Hamm | Johanneskirche | Foto: Florian Monheim, Krefeld

    Der Kirchbau erstreckt sich in Ost-West-Richtung auf einem längsrechteckigen Grundriss. Die umbaute Fläche umfasst ca. 600 Quadratmeter, hat eine Länge von 38,60 Metern, eine Breite von 22,40 Metern und eine Dachfirsthöhe von 16,30 Metern. Der massive, gut 28 Meter hohe Turm an der Nordwestecke des Langhauses überragt sein Umfeld, eine heute dicht bebaute Siedlung im Hammer Norden. Von drei Seiten wird der Bau von einem Friedhof eingefasst, während die Fassade zum Straßenzug „An der Johanneskirche“ weist. Der Turm, die Vorhalle mit Stufenanlage und Rundbogenarkaden, das langgestreckte Schiff und die Querhausanbauten mit Satteldach zeigen sich nach außen klar und ohne Zierrat. Je ein Rundfenster in der West- und Ostwand sowie die seitlichen Fensterbänder in Fachwerkbauweise öffnen die dunklen Backsteinmauern.

     

    Innenraum

    Hamm | Johanneskirche | Foto: Florian Monheim, Krefeld

    Hamm | Johanneskirche | Foto: Florian Monheim, Krefeld

    Dem Kirchenschiff vorgelagert ist ein niedriger Vorraum, der bis heute für Versammlungen oder Ausstellungen genutzt wird. Vom Gottesdienstraum wird er durch eine hölzerne Fensterwand getrennt. Auf der darüberliegenden Empore finden Chor und Orgel ihren Platz. Der dreischiffige Kirchenraum mit zwei Bankblöcken und schmalen durchgangsartigen Seitenschiffen wird im Mittelschiff von einer hölzernen Halbkreistonne überfangen, die auf einem Holzständerwerk ruht. Der Mittelgang führt axial zunächst auf den Taufstein zu, darüber liegt die Kanzel und darüber wiederum der Altar. Über dem Altar erhebt sich das große Rundfenster. Der von einer Rabitztonne überwölbte Chorraum ist durch eine Treppenanlage besonders erhöht. Unterhalb befindet sich eine Krypta, die als Kapelle des sich anschließenden Friedhofs genutzt wird.

  • Liturgie und Raum
    Hamm | Johanneskirche | Altarraum | Foto: Florian Monheim, Krefeld

    Hamm | Johanneskirche | Altarraum | Foto: Florian Monheim, Krefeld

    Der Weg in die Johanneskirche führt programmatisch über Schwellen: über eine Stufenanlage, durch die Rundbögen der Vorhalle, durch die Türen in einen Vorraum und erst dann durch eine weitere Tür in den eigentlichen Kirchenraum. Im Langhaus wird die Gemeinde durch die hölzerne Deckenkonstruktion gesammelt und zugleich auf das liturgische Zentrum hin ausgerichtet. Im strahlend weißen, durch eine Stufenanlage überhöhten Chorraum sind Taufe, Kanzel und Altar in einer Achse angeordnet. Zuletzt verweist darüber die Fenstergestaltung nochmals auf Christus als den „wahren Herrscher der Welt“. Dieser Botschaft kommt zur Bauzeit der Kirche, als die Nationalsozialisten ihren umfassenden Herrschaftsanspruch erhoben, eine besondere Bedeutung zu. Der damalige Pfarrer Martin Berthold und der Architekt Bernhard Hopp bezogen vielfältige Gemeinderäume mit in das Konzept ein: der Versammlungsraum unter der Empore, die Krypta/Friedhofskapelle unter dem Altar, Sitzungsräume und eine Kaffeeküche im Turm. Dabei legten sie großen Wert darauf, dass diese gemeindlichen Nutzungen baulich immer klar der liturgischen Funktion zu- bzw. untergeordnet waren.

  • Ausstattung
    Hamm | Johanneskirche | Emporenmotiv | Foto: Johannes Heimbach

    Hamm | Johanneskirche | Emporenmotiv | Foto: Johannes Heimbach

    Das bleiverglaste Rundfenster über dem Altar wurde von der Glasmalerin Elisabeth Coester (1900-41) geschaffen. Es zeigt Christus als Weltenrichter, im Kreis darum die Geburt Jesu, das Abendmahl, die Kreuzigung, die Begegnung des Auferstandenen mit den Frauen sowie zwölf Engelsköpfe. Taufstein, Kanzel und Altar – die beiden letzteren tragen die vier Evangelistensymbole – wurden nach Entwürfen von Bernhard Hopp gefertigt. Elf Gemälde in den Feldern der Emporenbrüstung von Max Schulze-Sölde (1887-1967) behandeln Stationen aus dem Leben Jesu von der Darstellung im Tempel über die Auferweckung des Lazarus bis zur Emmausgeschichte. Während einige der Engelskulpturen an den Doppelstützen des Langhauses bereits 1937/38 (möglicherweise Bernhard Hopp) entstanden, wurden andere Figuren in den 1980er (Franz-Xaver Willmann) und in den 2010er Jahren (Gordon Brown, Sebastian Springer) ergänzt. Die Längsbalken des Kirchenraums tragen biblische Inschriften. 2005 restaurierte man die Kemper-Orgel, die noch aus der Bauzeit der Kirche stammt.

  • Von der Idee zum Bau
    Hamm | Johanneskirche | Orgelempore | Foto: Florian Monheim, Krefeld

    Hamm | Johanneskirche | Orgelempore | Foto: Florian Monheim, Krefeld

    Mit der Industrialisierung des frühen 20. Jahrhunderts entstand auch im Norden von Hamm ein neues Siedlungsgebiet. 1935 zählte die protestantische Gemeinde dort bereits 1.500 Mitglieder. Daher genügte der Platz im Gemeindehaus in der Nordenstiftstraße, wo man bislang Gottesdienst gefeiert hatte, bald nicht mehr. Nach der Gründung eines Kirchbauvereins konnten schnell die notwendigen Gelder zusammengetragen werden. Für den Neubau beauftragte man 1936 den Hamburger Architekten Bernhard Hopp. Der Grundstein wurde am 1. August 1937 gelegt, die Einweihung am 20. März 1938 gefeiert. Nicht verwirklicht werden konnten die Entwürfe für den Taufbrunnen, die der Künstler Ernst Barlach bis kurz vor seinem Tod im Jahr 1938 gezeichnet und als Gipsmodell begonnen hatte.

  • Der Architekt Bernhard Hopp
    Berhard Hopp | Foto: Walter Lüden, 1961, Bild: Hamburgisches Architekturarchiv, CC BY SA 4.0

    Berhard Hopp | Foto: Walter Lüden, 1961, Bild: Hamburgisches Architekturarchiv, CC BY SA 4.0

    Bernhard Hopp wurde am 28. Oktober 1893 in Hamburg geboren, wo er am 18. September 1962 verstarb. Nach einer Malerlehre hatte er 1919 die Kunstgewerbeschule der Hansestadt besucht. Er wurde Kunstmaler und Bildhauer und gründete 1930 die „Werkstätten für kirchliche Kunst“ im Rauhen Haus in Hamburg. Ebenfalls im Jahr 1930 nahm Hopp seine Bürogemeinschaft mit dem Architekten Rudolf Jäger (1903-78) auf, die sich rasch auf kirchliche Projekte spezialisierte. Herausragende Beispiele sind die Lutherkirche in Hamburg-Wellingsbüttel (1937), die Christopheruskirche in Hamburg-Hummelsbüttel (1953) oder die Christuskirche in Hamburg-Wandsbek (1954).

    Von 1945 bis 1950 war Hopp auch als kommissarischer Denkmalpfleger in Hamburg tätig, war darüber hinaus im Wiederaufbau und bei Sanierungen aktiv. Seine kirchlichen Neubauprojekte, deren Schwerpunkt im Großraum Hamburg lag, konnte er für einzelne Gemeinden auch über den schleswig-holsteinischen Raum hinaus bis nach Westfalen und ins Rheinland ausweiten. Die Formensprache der Johanneskirche in Hamm, die sich zwischen Historismus, Heimatstil und Klassischer Moderne bewegt, ist auch schon bei Hopps kleiner Fischerkirche in Born (1935) zu erkennen. Für Hamm entwickelte er diesen Bautypus zur städtischen Gemeindekirche weiter.

  • Literatur (Auswahl)
    • Günter Beaugrand u. a.: Kirchen der Neuzeit in Hamm, Hamm 2002.
    • Martin Berthold: Die Johanneskirche in Hamm-Norden, in: Kunst und Kirche, 16, 1939, 4, 87-88.
    • Eva Dietrich: Die Johanneskirche in Hamm-Norden. Eine Kirche im Spannungsfeld zwischen Nationalsozialismus und „Bekennenden Christen“, in: Denkmalpflege in Westfalen-Lippe 19, 2013, 2, 74-83.
    • Uwe Gleßmer u. a.: Zur Biografie des Kirchenbaumeisters Bernhard Hopp (1893-1962). Ein Leben als Hamburger Künstler und Architekt, 2 Teile, Norderstedt 2016.
    • Burkhard Großmann: Kirchbau in schwerer Zeit. Entstehungsgeschichte und Kunstgegenstände der Johanneskirche Hamm-Norden, eingeweiht am Sonntag Okuli, 20. März 1938. Hamm 2006.
    • Martin Kautzsch: Die Kirchenbaumeister Bernhard Hopp und Rudolf Jäger, in: Kunst und Kirche 16, 1939, 4, 83-87.
    • Tanja Schreiber: Aus Hoffnung geschnitzt. Die Johanneskirche Hamm-Norden in Bildern und Gedanken, hg. von der Ev. Kirchengemeinde Hamm, Hamm 2013.
    • Hans Wille: Ernst Barlachs Entwürfe für den Taufstein der Johanneskirche in Hamm, hg. von der Ev. Kirchengemeinde Hamm und dem Museumsverein Hamm e. V., Hamm 1988.

     

    Wir danken allen Bildgebern für ihre freundliche Unterstützung: Die Bildnachweise werden jeweils am Bild selbst geführt.

Text: Dipl.-Theol. Johannes Heimbach, Münster (Beitrag online seit 08/2017)

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