Magdeburg

St. Mechthild

Anschrift Kirche
Milchweg 28
39128 Magdeburg

Das wärmende Licht der Gottheit

Selbstbewusst und doch bescheiden setzt sich die Kirche St. Mechthild als katholisches Gotteshaus ohne Turm oder Glockenstuhl von der Umgebung aus vielgeschossigen Häuserblocks ab. Vor allem der achteckige Grundriss und die quadratischen, die Wände strukturierenden, feinadrigen Bauglasfenster lassen die inneren Geheimnisse des Baus erahnen. Betritt der Besucher über das Foyer des Gemeindezentrums die Kirche, erwartet ihn ein Raum mit faszinierendem Lichtspiel in allen Farben des Regenbogens und zugleich großer Geborgenheit.

  • Überblick
    Ort
    Magdeburg

    Bistum
    Bistum Magdeburg

    Name der Kirche
    St. Mechthild

    Weihe
    1984 (16. September)

    Architekt
    Bischöfliches Amt Magdeburg, Bauamt

    Künstler
    Walther Cohausz, Christof Grüger, Jürgen Suberg
    Besonderheit
    Am Rand eines Wohnquartiers (Plattenbausiedlung) erschließt sich der individualisierte Serienbau der 1980er Jahre mit einer auf das einzigartige Patrozinium abgestimmten, herausragenden Innenausstattung.

    Nutzung
    Kirche, Jugend- und Gemeindezentrum der Katholischen Pfarrei St. Johannes Bosco Magdeburg, Gemeinschaft von Don Bosco Schwestern

    Standort / Städtebau
    Der freistehende Kirchenbau liegt am Rand des Neubaugebiets Neustädter Feld/Milchweg (Magdeburg-Nord).

  • Beschreibung

    Grundriss

    Die geostete St. Mechthild-Kirche ist ein kompakter Zentralbau, der über einem unregelmäßigen Achteck errichtet wurde. Der Baukörper des Gotteshauses überragt den westlich angebauten Gebäudekomplex des Gemeindezentrums.

     

    Außenbau

    Magdeburg | St. Mechthild | Foto: Kirchenfan, CC0

    Magdeburg | St. Mechthild | Foto: Kirchenfan, CC0

    Der gesamte Gebäudekomplex ist ein verputzter, weiß getünchter Klinkerbau mit farblicher abgesetzter Sockelzone und flachem abgewalmtem Kupferdach. Eine winkelige Einbuchtung an der bauverglasten Ostseite der Kirche akzentuiert den Bereich der Altarzone. Damit, sowie mit einem großen Fenster aus strukturiertem Milchglas im Norden und einem umlaufenden, horizontalen Lichtgeschoss unter dem Walmdach, wird die Kirche mit Tageslicht gespeist. Neben der Kirche selbst gehören zum Gemeindezentrum Räumlichkeiten für verschiedene Nutzungen sowie zwei Wohn- und Verwaltungsgebäude inmitten eines weitläufigen, gartenarchitektonisch gestalteten Grundstücks von etwa 6.000 Quadratmetern. Das leicht abschüssige Geländeprofil lässt die Kirche von Osten her optisch höher erscheinen. Inmitten der vielgeschossigen Miethausblocks in Plattenbauweise wirkt die parkähnliche Anlage mit ihren Baulichkeiten wie eine Oase. Der „westdeutsche“ Baustil mit hellem Anstrich, die hochwertigen Materialien und deren handwerkliche Verwendung setzen sich subtil von den industriell hergestellten Wohnquartieren der Umgebung ab.

     

    Innenraum

    Magdeburg | St. Mechthild | Foto: Matthias Hamann

    Den stützenlosen Innenraum der Kirche betritt man ebenerdig durch den westlich gelegenen Haupteingang, der sich durch Schiebeelemente bedarfswiese in voller Breite zum Foyer hin öffnen lässt. Die den Kirchenraum dominierenden Fenster an den östlichen Wänden tauchen die Altarzone, funkelnden Schmucksteinen gleich, in ein wärmendes Licht. Rote Fliesen, Sichtmauerwerk aus rotem Backstein, materialsichtige Kirchenbänke aus Holz, ebenso die Verkleidung der Empore und der Flachdecke vermitteln durch ihre warme Ausstrahlung ein Gefühl von Geborgenheit. Eine Doppelreihe mit zehn frontal angeordneten Kirchenbänken trennt den leicht erhöhten Altarbereich vom Gemeinderaum.

  • Liturgie und Raum
    Magdeburg | St. Mechthild | Altarraum | Foto: Erik Ernst Venhorst

    Magdeburg | St. Mechthild | Altarraum | Foto: Erik Ernst Venhorst

    Zwei Stufen erhöhen den Altarraum zum „heiligen Bezirk“, der durch die monumentalen Fenster aus farbigem Glas betont wird. Das rechtwinkelig angeordnete Fenster zeigt in stark stilisierter Darstellungsweise die Flammenflügel des aus dem brennenden Dornbusch sprechenden Engels (Ex 3,1 ff.): „Es deutet auf die Berufung Mose als Stiftung der Beziehung Gottes zu den Menschen [hin], die in dem eucharistischen Sakrament gegenwärtig ist“ (Christof Grüger), welches im baulich beide Fensterteile verbindenden Tabernakel aufbewahrt wird.

    Das zentrale, quadratische Fenster thematisiert als Erfüllung der Gott-Mensch-Beziehung mit zwölf Torbögen das apokalyptische Himmlische Jerusalem (Offb 21,1), das Christen am Ende der Zeit erwarten und vorwegnehmend bereits heute in der Eucharistie am katholischen Altar feiern. Der Gedanke des Himmlischen Jerusalems in Gestalt der Kirche setzt sich im Fensterband unter dem Walmdach fort, das die Kirche als Brautschmuck wie ein Diadem (Offb 21,2) schmückt. Inhaltlich korrespondiert das Lichtkonzept der Kirche mit dem Mechthild-Zyklus an der Empore. Die wohl überwiegend in Magdeburg als Begine tätige Mystikerin schrieb ab etwa 1250 „Das fließende Licht der Gottheit“.

  • Ausstattung
    Magdeburg | St. Mechthild | Leuchter | Foto: Erik Ernst Venhorst

    Magdeburg | St. Mechthild | Leuchter | Foto: Erik Ernst Venhorst

    Die den Altarraum beherrschenden Fenster aus mehrfarbigem Bauglas hat Christof Grüger aus Schönebeck (Elbe) entworfen – ausgeführt von der Berliner Firma Lehmann. Sie zeigen Motive aus der Apokalypse wie das Himmlische Jerusalem, aber auch den brennenden Dornbusch und als Fensterband unter dem Walmdach das Diadem für den Brautschmuck der Kirche. Die (mobile) bauzeitliche Ausstattung nach dem Raumkonzept von Jürgen Suberg aus Olsberg (Sauerland), einem Beuys-Schüler, ist vollständig vorhanden. Dazu zählen der Altar, der Tabernakel, der Ambo, die Sedilien, die Apostel- und Altarleuchter, aber auch die Altar-, Stand- und Vortragekreuze sowie die Sakristeiglocke – sämtliche Arbeiten sind aus Bronzeguss.

    Besonders erwähnenswert ist der weltweit singuläre Zyklus mit reliefartig-plastischen Stationen aus dem Leben der seligen Mechthild von Magdeburg aus Bronze, der an der Außenseite der Empore montiert ist. Die 1985 erbaute, zweimanualige Orgel mit 16 Registern und 1227 klingenden Pfeifen schuf der Orgelbaumeister Gerhard Kühn aus Merseburg. Sie wurde 2012/13 durch die Firma Mecklenburger Orgelbau, Plau am See, gehäuseseitig erweitert. Einmalig ist die der Pfarrgemeinde im Weihejahr der Kirche gestiftete Mechthild-Monstranz aus Silber des Paderborner Gold- und Silberschmiedes Walther Cohausz.

  • Von der Idee zum Bau

    Seit den 1970er Jahre wurden im Norden Magdeburgs großflächige Wohnsiedlungen errichtet: Kannenstieg, Neustädter Feld und Neustädter See boten Platz für knapp 50.000 Menschen. 1978 begann man im Rahmen des kirchlichen Sonderbauprogramms der DDR mit finanzieller Unterstützung des Bonifatiuswerks in Paderborn zunächst mit Erschließungsarbeiten. Dem 1982 fertiggestellten Pfarrhaus mit einem Verwaltungsgebäude folgte im gleichen Jahr die Grundsteinlegung für das Gemeindezentrum. Die Entwürfe dafür stammten von Planern aus der Bundesrepublik Deutschland. Auf die Situation vor Ort modifiziert wurden diese vom Bauamt des Bischöflichen Amts Magdeburg (BAM). Nach zweijähriger Bauzeit durch den VEB Baureparaturen und Modernisierung Magdeburg weihte Bischof Johannes Braun, Apostolischer Administrator des BAM, zum Patronatsfest der seligen Mechthild von Magdeburg am 16. September 1984 die neue Kirche.

  • Das Bischöfliche Bauamt Magdeburg

    Neben der St.-Mechthild-Kirche wurden zwei weitere Gotteshäuser mit Gemeindezentrum in Magdeburg, St. Adalbert, und in Halle (Saale), St. Marien, nach dem gleichen Schema als achteckiger Zentralbau mit angeschlossenen Gebäudeteilen konzipiert. Die Entwürfe zu den Kirchen und Gemeindezentren stammten im Rahmen der finanziellen Förderung des Bonifatiuswerks aus dessen Umkreis, namentlich überliefert ist kein Architekt. Im Bauamt des Bischöflichen Amtes Magdeburg wurden diese Entwürfe entsprechend den städtebaulich-topographischen Bedingungen und den Bedürfnissen der katholischen Kirchengemeinden vor Ort planerisch angepasst. Die St.-Mechthild-Kirche in Magdeburg ragt besonders durch ihre sehr anspruchsvolle Ausstattung innerhalb ihres Gesamtkonzepts aus den beiden anderen Konzeptbauten hervor.

  • Literatur (Auswahl)
    • Hiltrud Bleier (Bearb.): „Die Wahrheit kann niemand verbrennen“ – Mechthild von Magdeburg. Eine große Frau des Mittelalters für uns heute – wieder – aktuell? Versuch eines Lebensbildes (3., überarbeitete Auflage der Festschrift anläßlich der Kirchweihe vom 16. September 1984), Magdeburg 2008.
    • Festschrift Gemeindezentrum Magdeburg-Nord, hg. von der Katholischen Pfarrkuratie St. Mechthild in Magdeburg-Nord, Magdeburg 1984.
    • Kirchweihfest in Magdeburg-Nord, in: Tag des Herrn, Jg. 34, Nr. 22, vom 27.10.1984, S. 175, Abb. S. 169 (Josef Kuschel).
    • Verena Schädler: Katholischer Sakralbau in der SBZ und DDR, Regensburg 2013, 41, 65, 273 ff., 306, Abb. 137, 139, Abbildungsanhang S. 138, Abb. 569-574.
    • Karl Josef Schmitz (Hg.): Gold, Silber, Email. Der Paderborner Gold- und Silberschmied Walther Cohausz 1936-1986, Paderborn 1987, 23, 93 f.
    • Ludwig Schumann/Corinna Köhlert/Hans-Joachim Krenzke: Magdeburg und seine Kirchen, Magdeburg 1999, S. 90 f.
    • Erik Ernst Venhorst: Von alten Büchern und neuen Bildern – Die Hl. Mechthild von Magdeburg in Handschriften und Kunst, in: Minne, Mut, Mystik. 800 Jahre Mechthild von Magdeburg, Katalog, Magdeburg 2008, Magdeburg 2008, 8 f., Katalognummer 4 u. 6, S. 18 f.
    • „Die Wahrheit kann niemand verbrennen“ – eine große Frau des Mittelalters. Die Heilige Mechthild von Magdeburg – Versuch eines Lebensbildes, hg. von der Katholischen Pfarrkuratie St. Mechthild in Magdeburg-Nord Magdeburg 1989 (2., überarbeitete Auflage der Festschrift anläßlich der Kirchweihe vom 16. September 1984).

     

    Wir danken allen Bildgebern für ihre freundliche Unterstützung: Die Bildnachweise werden jeweils am Bild selbst geführt.

Text: Erik Ernst Venhorst M. A., Berlin (Beitrag online seit 04/2016)